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Interview

„Wir können viel von Bakterien und Viren lernen“

Josef Penninger, neuer wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung. Bild: HZI Stephan Dublasky

Josef Penninger ist der neue wissenschaftliche Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Ein Interview über seine ambitionierten Pläne – und darüber, warum erst ein Bänderriss ihm den Weg in die Forschung geöffnet hat.

Herr Penninger, stimmt es eigentlich, dass Sie ursprünglich Profi-Fußballer werden wollten?

(lacht) Ich war als Teenager im Fußballverein Union Gurten bei uns in Oberösterreich, das stimmt. Und kurz vor dem Abitur wollte ich es dann wissen: Ich habe unheimlich viel trainiert – und mir dann alle Bänder im linken Fußgelenk gerissen. In dem Moment musste ich den Plan B wählen, und das war die Universität.

Wäre mit der Vorgeschichte nicht Orthopädie näherliegend gewesen als Genetik und Infektionsforschung?

Mich hat immer interessiert, welche fundamentalen Mechanismen im Körper wirken. Im reinen Auswendiglernen war ich nie gut. Und einer meiner Professoren hat Immunologie in einer Art und Weise vermittelt, dass man genau verstanden hat, was im Körper geschieht. Als ich bei ihm als studentische Aushilfe angefangen habe, war das mein erster Schritt zum Wissenschaftler.

Damals war die Genetik ja noch eine junge Disziplin …

… und auch deshalb war es eine fantastische Zeit, in der einige der fundamentalen Entdeckungen der Immunologie gemacht wurden. Mir war früh klar: Wenn ich mich weiterentwickeln will, dann muss ich dahin gehen, wo die besten Labors sind – und so bin ich von Innsbruck nach Kanada gekommen. Dort im Labor haben wir damals eine der ersten Knockout-Mäuse der Welt gemacht.

Was ist denn eine Knockout-Maus?

Das ist eine Maus, bei der man mit genetischen Scheren ein bestimmtes Gen im Erbgut ausschaltet. So kann man seiner Funktion auf die Spur kommen. Damals war das eine Revolution, und Toronto war und ist für diese Art des Genome Engineering ein toller Platz – dort wurde wenig später zum Beispiel auch das erste Stammzell-Experiment der Welt gemacht.

Bei allem Lob für Kanada: Wo steht denn Braunschweig?

Als erstes sei gesagt: Das HZI ist schon jetzt eines der größten Infektionsforschungsinstitute der Welt und auch von seiner Forschung her sehr konkurrenzfähig aufgestellt, da haben meine Vorgänger wirklich viel geleistet. Genau deshalb bin ich mir auch sicher, dass wir das Zeug dazu haben, jedes Jahr um die Meisterschaft zu spielen. Wir sollten den Anspruch haben, auch ins Champions-League-Finale einzuziehen. Diese zehn Prozent mehr zu geben. Die Helmholtz-Gemeinschaft bietet dafür übrigens einen sehr guten Rahmen; wir können darin groß denken.

Werden Sie doch gern konkreter: Wie wollen Sie Ihre Ziele erreichen?

Erstens werden wir radikal auf junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler setzen. Wir wollen ein Pioneer Center für Infektionsforschung aufbauen – so ähnlich, wie es das bei Helmholtz Munich gibt - und 20 bis 25 junge Top-Stars aus aller Welt zu uns bringen. Es gibt wirklich unglaublich tolle Talente, und für sie wollen wir ein Biotop bauen, in dem sie ihre Visionen entwickeln können. Das ist der eine Teil des Plans.

Und welches ist der zweite?

Ich will das inhaltliche Portfolio etwas erweitern. Zur Zeit haben wir einen überwiegend pathogenen Zugang, wir entwickeln also vor allem Medikamente gegen Viren und Bakterien. Was mir vorschwebt: Bakterien und Viren haben vier Milliarden Jahre Evolution überlebt – wir können wahnsinnig viel von ihnen lernen, sie können unsere Lehrmeister in bestimmten Dingen werden. Da will ich ansetzen. Zusätzlich plane ich einen Schwerpunkt zu Infektionsforschung und Klimaänderung, denn das Thema wird uns in Zukunft sehr beschäftigen.

Moment: Was lässt sich von Bakterien und Viren lernen?

Da gibt es wahnsinnig viele Dinge, die sich für die Forschung anbieten. Das ganze Feld der synthetischen Biologie – also die Verknüpfung von Molekularbiologie, organischer Chemie, Ingenieurwissenschaften, Nanobiotechnologie und Informationstechnik – bietet gewaltige Chancen. Viren und Bakterien können da zu Vorbildern werden, nach denen wir Systeme aufbauen, die bestimmte ihrer Eigenschaften haben.

Sie haben noch eine Verpflichtung in Wien an der Universität, auch in Kanada sind Sie nach wie vor tätig – ziehen Sie jetzt trotzdem nach Braunschweig?

Ja, der Umzug steht direkt bevor. Die ersten Wochen habe ich noch in einem Hotel gelebt – das ist eine interessante Erfahrung, aber ich freue mich jetzt auf das eigene Zuhause. Und eins habe ich schon gemerkt: Braunschweig und auch Wolfenbüttel sind wirklich nette Städte.

Haben Sie denn in Braunschweig auch schon einen Fußballverein gefunden?

Noch nicht. Aber ich habe meinen Verein in Wien: Ich darf, obwohl ich nicht wirklich so gut bin, in der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft für Mediziner mitspielen.

Und: Sind Sie da auch in der Champions League?

Wir waren unlängst sogar tatsächlich beim World Cup dabei. Aber da sind wir auf dem letzten Platz gelandet. (lacht)

Josef Penninger ist wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig. Der österreichische Mediziner ist in seiner eigenen Forschung auf Genetik spezialisiert. Nach Studium und Promotion in Innsbruck wechselte er ans Ontario Cancer Institute in Kanada und die University of Toronto. Im Jahr 2003 wurde er zum Gründungsdirektor des Instituts für molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; im Jahr 2018 kehrte er nach Kanada zurück und übernahm die Leitung des Life Science Institute der University of British Columbia. Penninger wurde mit zahlreichen renommierten Forschungspreisen ausgezeichnet.

Der Genetiker Josef Penninger wird neuer Wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung

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