Gewitterforschung
Wie entstehen Blitze?
Sie sind ein beeindruckendes Naturschauspiel. Doch für Forscher ist es bis heute ein Rätsel, was genau passiert, wenn Blitze als spannungsreiche Augenblicke am Abendhimmel erscheinen.
Sommerzeit ist Gewitterzeit und gerade an schwülwarmen Tagen bewundern viele Menschen Blitze am Himmel. Auch David Piper erfreut sich an deren Ästhetik. Allerdings hat er an diesem Phänomen auch ein berufliches Interesse. Der 30-Jährige forscht am Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) über die Verbreitung von Gewittern. Er will wissen, wo und wann Gewitter auftreten, welche zeitlichen Trends und Schwankungen vorliegen und wie sich diese erklären lassen. Gerade bei der Entstehung von Blitzen sind noch einige wissenschaftliche Fragen ungeklärt. “Die Blitzentstehung ist noch nicht zu hundert Prozent erforscht“, sagt Piper, der am KIT über großräumige Steuerungsmechanismen der Gewitteraktivität promovierte.
Einig ist sich die Wissenschaft darüber, dass für das Auftreten von Blitzen eine Gewitterwolke notwendig ist. Diese besteht aus unterschiedlichen elektrischen Ladungsbereichen. Im unteren Bereich der Gewitterwolke sammeln sich negativ geladene Teilchen, die versuchen zur positiven Ladung an der Erdoberfläche zu gelangen. Wie genau dieser Mechanismus der Ladungstrennung funktioniert, ist für Forscher jedoch unklar. “Die Natur will diese Spannungen abbauen“, erklärt Piper, der an der LMU München Meteorologie studierte. Je größer der Ladungsunterschied sei, umso stärker fielen die Entladung und damit der Blitz aus. In den meisten Fällen ziehe sich der Blitz nur innerhalb der Wolke entlang und sei somit für das menschliche Auge nicht sichtbar. Manche Blitze gelangen aber bis zum Erdboden, so dass sie dann als eindrucksvolle, vielfältig verästelte Phänomene am Abendhimmel zu erkennen sind.
Wissenschaftlich spannend ist dieser Vorgang, weil die Luft zwischen Boden und Gewitterwolke eigentlich keinen Strom leiten kann. Die Folgerung: Es muss sich ein leitender Blitzkanal bilden. Dies passiere, erklärt Piper, indem Luftmoleküle unterhalb der Wolke ionisiert, also in elektrisch geladene Teilchen zerrissen werden. Solch ein ionisierter Kanal ist kurzzeitig leitfähig. Dabei schießt ein sogenannter Leitblitz aus der Wolke in kleinen, aber mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 Kilometer pro Sekunde schnellen und immer wieder die Richtung ändernden Sprüngen zur Erde. Gleichzeitig bewegt sich die positive Ladung in Bodennähe in Richtung Wolke und initiiert einen Aufwärts-Leitblitz, die Fangentladung. Beim Aufeinandertreffen von Fangentladung und Leitblitz, schließt sich der Blitzkanal und leuchtet hell auf. Das ist dann der sichtbare Blitz. Oft schließen sich daran weitere Entladungen an, was als Flackern wahrgenommen werden kann.
Wissenschaftler sind sich aber noch uneins, wie sich die elektrischen Ladungsbereiche in der Gewitterwolke aufbauen. Zwei Theorien gelten als wahrscheinlich. “Beide sind plausibel, aber es fehlen noch eindeutige Beweise, weil es sehr schwierig ist, direkt in der Wolke zu messen“, sagt Piper. So besagt die Graupel-/Eis-Theorie, dass die sich in der Wolke bildenden Graupelkörner ständig mit Eiskristallen kollidieren. “Fällt das Graupelteilchen von oben nach unten, wird es immer wärmer, und verändert damit die Richtung des Ladungsübertrags, da einmal positive und einmal negative Ladungsträger übertragen werden“, erklärt der Nachwuchswissenschaftler. Dadurch komme es zu einer Anreicherung von unterschiedlichen Ladungen in verschiedenen Regionen der Wolke, Ladungszentren entstehen. Die konvektive Theorie beruht dagegen auf dem natürlichen Ladungsüberschuss, der in der Atmosphäre vorherrscht. Diese Ladungen werden durch die Luftbewegung in die Gewitterwolke hineingesogen, wo sie sich anreichern. Damit wird die Wolke elektrisch geladen und kann Ladungsträger der anderen Polarität anziehen und so Ladungszentren bilden. “Beide Theorien existieren nebeneinander, da ist noch einiges offen“, sagt Piper.
Dass die Anzahl und die Heftigkeit der Gewitter in der Vergangenheit in Deutschland zugenommen haben, trifft im Übrigen nicht zu. Piper: “Wir haben in unseren statistischen Untersuchungen keine Trends gefunden, obwohl in den Medien oft eine Zunahme als Folge des Klimawandels vermutet wird.“
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