5 Fragen an…
Wie Salz die Kraftwerke unserer Zellen schwächt
Fünf Fragen an Sabrina Geisberger, Biochemikerin am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft (MDC).
Erzählt Sabrina Geisberger von der Verleihung des Marthe-Vogt-Preises für Nachwuchswissenschaftlerinnen, gerät sie ins Schwärmen: Viele eindrucksvolle Frauen habe sie dort kennengelernt – Forscherinnen, die mit ihrer Arbeit etwas bewegen wollen. Geisberger selbst wurde bei dem Festakt im vergangenen Herbst für ihre Arbeit über die Wirkung von Salz auf unser Immunsystem ausgezeichnet. Schon bald werden ihre Erkenntnisse Eingang in die Lehrbücher finden, erwartet Thomas Sommer, Wissenschaftlicher Vorstand des MDC. Hier beantwortet die Biochemikerin fünf Fragen zum Thema Salz, Gesundheit und den Wert des Selberkochens.
Frau Geisberger, Ihre im vergangenen Jahr erschienene Studie über den Konsum von salzhaltigen Lebensmitteln hat ein gewaltiges Medienecho hervorgerufen. Schon der Verzehr einer Pizza könne unser Immunsystem zerstören, hieß es. Ich habe in meinem Leben schon deutlich mehr als eine Pizza gegessen, liegt mein Immunsystem also darnieder?
Nein, keine Sorge. Diese Macht hat unser Essen nicht, auch wenn es in manchen Boulevardmedien so klang. Aber tatsächlich kann Salz den Energiehaushalt unserer Immunzellen durcheinander bringen. Denn es dämpft die Atmung und damit die Aktivität der Mitochondrien, also der Kraftwerke in unseren Zellen. In unseren Immunzellen herrscht dann sozusagen Energiemangel. Das hat doppelt fatale Folgen, denn die Immunzellen übernehmen in unserem Körper – stark vereinfacht gesagt – zwei Funktionen: Einige wehren neu angreifende Viren, Parasiten und Bakterien ab, andere steuern dieses Abtöten und verhindern so Entzündungen. Bei übermäßigem Salzkonsum werden die abwehrenden Zellen gestärkt, die regulierenden Zellen aber abgeschwächt, weshalb leichter Entzündungen entstehen können.
Sind das langfristige Effekte oder reagiert unser Immunsystem schon auf einzelne Mahlzeiten derart sensibel?
Das wussten wir bislang nicht. Deshalb haben wir am Max-Delbrück-Centrum gemeinsam mit der Berliner Charité zwei Studien durchgeführt: Einerseits untersuchten wir Zellkulturen von männlichen Probanden, die über zwei Wochen hinweg verstärkt Salz zu sich genommen hatten. Andererseits analysierten wir die Blutwerte von Teilnehmenden nach dem Verzehr einer Pizza. Dabei zeigte sich, dass schon diese eine Mahlzeit ausreichte, um den Stoffwechsel unserer Immunzellen zu schwächen. Das hat mich in diesem Ausmaß schockiert.
Warum?
Weil wir hier nicht mit grotesk überhöhten Salzwerten gearbeitet haben: Wir haben den Probandinnen und Probanden eine ganz normale Pizza vorgesetzt, vom Italiener um die Ecke – und das übrigens morgens um acht (lacht). Aber allein schon diese Pizza enthielt insgesamt zehn Gramm Salz. Empfohlen sind dagegen nur maximal sechs Gramm pro Tag. Der Ernährungsstil vieler Menschen lässt das jedoch kaum zu: Oft nehmen wir in Deutschland – auch wegen des versteckten Salzes in vielen Lebensmitteln - täglich zwischen acht und zehn Gramm Salz auf, also deutlich zu viel. Das Salz wird nach einigen Stunden zwar wieder aus dem Körper gewaschen. Bei der Pizza zum Beispiel war es nach acht Stunden nicht mehr im Blut nachweisbar, weshalb eben eine einzelne Pizza kein Problem für uns ist, solange wir uns sonst gesund und ausgewogen ernähren. Bedenklich ist aber, dass wir meist ja schon wenige Stunden später die nächste salzhaltige Mahlzeit zu uns nehmen. So kann sich insgesamt ein zu hoher Salzlevel einpendeln.
Welche gesundheitlichen Folgen sind durch diese Dauerbelastung des Immunsystems zu befürchten?
Denkbar sind zum Beispiel Herz- und Nierenschäden, Gelenkentzündungen und Autoimmunkrankheiten. Gleichzeitig müssen wir annehmen, dass derartige Prozesse natürlich nicht nur in den Immunzellen stattfinden, sondern dass ein Übermaß an Salz auch auf den Stoffwechsel von anderen Körperzellen wirkt, etwa im Darm oder in den Gefäßwänden. Die Details müssen aber noch erforscht werden.
Was raten Sie Menschen, die persönlich gegensteuern wollen: Hilft zum Beispiel salzarmes Kochen?
Wenn wir selber kochen, nehmen wir meist nur geringe Mengen an Salz auf. Das Problem sind eher die Fertigprodukte: Tiefkühlessen, Tütensuppen, aber auch Lebensmittel wie Brot, Käse und Aufschnitt. Am besten ist es also, soviel wie möglich selbst zu kochen, aus frischen Zutaten. Die darf man selbstverständlich auch leicht salzen – schließlich braucht der Körper Salz, zum Beispiel für die Elastizität der Zellen oder für die Signalübertragung. Aber ein Übermaß an Salz sollten wir besser vermeiden.
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