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SARS-CoV-2

Wie gut sind wir sechs Monate nach Infektion oder Impfung geschützt?

Bild: pixabay/Gerd Altmann

Forscher verstehen immer besser, wie lange eine durchgemachte Infektion oder Impfung vor dem Virus schützt. Neuste Erkenntnisse sind eher beruhigend, auch im Hinblick auf die Virusvarianten.

Wie lange und wie gut erinnert sich das menschliche Immunsystem an eine Begegnung mit SARS-CoV-2 oder an eine Begegnung mit zumindest Fragmenten des Virus, wie sie bei einer Impfung vorkommen? Ein Jahr? Zwei Jahre? Und wie gut ist man in dieser Zeit noch vor einer Infektion mit dem Coronavirus geschützt?

Carlos A. Guzmán leitet die Abteilung „Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig (Bild: HZI).

Carlos A. Guzmán, Leiter der Abteilung „Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, lacht kurz auf. „Leider gibt es auf alle diese Fragen die gleiche Antwort: Wir wissen es nicht.“ Das ist kein Wunder, schließlich ist das Virus erst seit gut einem Jahr bekannt; noch fehlen Daten. „Gerade gewinnen wir immerhin erste Erkenntnisse darüber, wie es nach Zeiträumen von ungefähr sechs Monaten aussieht“, sagt Guzmán.

Wissenschaftler aus Kopenhagen etwa haben die Testdaten von mehr als 500.000 Dänen ausgewertet. Ihre Studie ist vor wenigen Tagen im Fachmagazin Lancet erschienen. Das Ergebnis: Eine abgelaufene Infektion gewährt nach sechs Monaten noch einen Schutz von 80,5 Prozent. Das bedeutet: Wenn sich von 100 Menschen, die bisher keinen Kontakt zum Virus hatten, 50 infizieren, dann erkranken von 100 Menschen, die bereits infiziert waren, nur zehn erneut an COVID-19. Doch der Schutz unterscheidet sich je nach Alter: Menschen, die jünger als 65 Jahre sind, sind zu mehr als 80 Prozent geschützt, bei älteren Menschen hingegen liegt der Schutz nach sechs Monaten nur noch bei 50 Prozent.

Nach sechs Monaten noch Antikörper im Blut

Eine andere große Studie einer britischen Biobank mit mehr als 20.000 Teilnehmern zeigte, dass mehr als 99 Prozent derjenigen, die in der Vergangenheit an COVID-19 erkrankten, nach drei Monaten noch Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blut hatten. Nach sechs Monaten waren es immerhin noch 88 Prozent. Ob der Antikörper-Status sechs Monate nach einer Impfung ähnlich ist, darüber können Forscher noch keine sichere Aussage treffen. Sehr viel deutet aber darauf hin, dass auch ein halbes Jahr nach einer Impfung noch Antikörper gegen SARS-CoV-2 im Blut zirkulieren.

„Dass die Antikörper nach einer abgelaufenen Infektion kontinuierlich abnehmen, ist ganz normal.“

Antikörper sind jedoch nur ein Teil des Verteidigungsarsenals des Immunsystems gegen SARS-CoV-2. „Dass die Antikörper nach einer abgelaufenen Infektion kontinuierlich abnehmen, ist ganz normal. Das bedeutet aber nicht, dass der Körper deshalb weniger wehrhaft gegen das Virus ist“, erklärt Guzmán. Denn es gibt noch eine Reihe anderer Zellen und Mechanismen, die für eine gezielte Abwehr sorgen können.

Die Rolle der B-Gedächtniszellen und der T-Zellen

Da sind zum einen die sogenannten B-Gedächtniszellen, die auch nach einer Impfung vorhanden sind und bei Bedarf jederzeit wieder die speziellen Antikörper produzieren können. Sie bieten also einen langanhaltenden Schutz. Zum anderen zirkulieren insbesondere nach einer abgelaufenen Infektion im Körper sogenannte T-Zellen. Vor allem zwei Unterarten sind hier relevant: Die „Killer“-T-Zellen, auch CD8+-Gedächtnis-T-Zellen genannt, suchen nach Körperzellen, die mit dem Virus infiziert sind und zerstören sie. Und die „Helfer“-T-Zellen, auch CD4+-T-Zellen genannt, sorgen dafür, dass das Immunsystem nach einem Kontakt mit dem Virus wieder aktiviert wird. Insbesondere die B-Gedächtniszellen werden so zur Produktion neuer, hochspezifischer Antikörper angeregt.

Bild: pixabay/allinonemovie

Zwar verhindern T-Zellen keine Infektion, da sie erst aktiv werden, nachdem ein Virus in den Körper eingedrungen ist. Aber weil sie dann das Virus schnell und wirkungsvoll bekämpfen können, treten kaum Symptome auf. Man spricht auch von T-Zell-Immunität. Eine Studie konnte zeigen, dass ohne Ausnahme bei all denjenigen, die sich infiziert hatten, nach sechs Monaten noch immer T-Zellen im Blut zirkulierten, die spezifisch auf einen erneuten Kontakt mit SARS-CoV-2 antworten können.

Der Schutz nach einer Infektion könnte umfassender sein als nach einer Impfung

Erste Studien von BioNTech und Pfizer zeigen, dass auch nach einer Impfung eine gewisse T-Zell-Immunität vorhanden ist. Einiges spricht jedoch dafür, dass der Schutz nach einer abgelaufenen Infektion umfangreicher und nachhaltiger ist als durch eine auf einem einzelnen Antigen basierende Impfung. Bei den heutigen Impfungen hat der Körper nicht über die Atemwege Kontakt mit den Virusfragmenten, sondern durch eine Spritze in den Arm. „Das heißt im Umkehrschluss: Es gibt in Rachen, Hals und Lunge keine spezifische, lokale Gedächtnisimmunität, weil hier kaum Berührungspunkte zu den Virusfragmenten vorhanden waren“, erklärt Guzmán. Auch um diese Einschränkung einer Impfung per Spritze aufzuheben, arbeitet Guzmán mit Kollegen des HZI derzeit an einem sogenannten mukosalen Impfstoff gegen SARS-CoV-2, der als Aerosol über die Schleimhaut wirkt – und dort auch eine entsprechende Immunisierung erzeugen dürfte. Bislang gibt es vielversprechende vorklinische Zwischenergebnisse, auch in Tiermodellen konnte bereits eine lokale Immunantwort der Lunge gezeigt werden.

Eine weitere Limitierung der bislang zugelassenen Impfungen: Sie sensibilisieren vor allem gegen ein bestimmtes Fragment des Virus, das sogenannte Spike-Protein. „Nach einem Kontakt mit dem ganzen Virus hat das Immunsystem natürlich eine umfassendere Erfahrung mit SARS-CoV-2 gemacht. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass hier verschiedene Teile des Virus durch die entstandene Immunität abgedeckt werden“, sagt Guzmán.

Das haben bereits Studien des Immunologen Alessandro Sette vom La Jolla Institute for Immunology bestätigt: Menschen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren, erzeugen typischerweise T-Zellen, die auf mindestens 15 bis 20 verschiedene Fragmente von Coronavirus-Proteinen ausgerichtet sind.

Eine Impfung und überstandene Erkrankung schützt auch vor Mutationen des Coronavirus

Doch es geht nicht nur um das Gedächtnis des Immunsystems. Es geht auch darum, dass das Virus sich verändert. „Die Mutationen und neu entstandenen Varianten sind derzeit das größte Problem“, sagt Guzmán. Manch neue Mutation bringt neue Eigenschaften mit, die wiederum für unliebsame Überraschungen sorgen können. So wird derzeit beispielsweise diskutiert, dass die Mutante B.1.1.7, auch als „britische Variante“ bekannt, womöglich mehr Kinder und Jugendliche befällt. Wenn sich die Varianten stark verändern, kann das auch für Geimpfte und Genesene zum Problem werden. Denn was nützt es, wenn sich das Immunsystem sechs Monate oder länger an eine Begegnung mit SARS-CoV-2 erinnert, aber dann auf ein Virus stößt, dass das Immunsystem nicht mehr wiedererkennt?

„Verändert sich das Spike-Protein zu sehr, wäre das Virus nicht mehr infektiös.“

Hier kann Guzmán zumindest ein wenig beruhigen: „In Bezug auf die neuen Varianten zeigt sich zwar, dass der Schutz oft verringert ist. Aber ein Stück weit ist er noch da. Und vieles deutet darauf hin, dass man, selbst wenn man als Geimpfter oder Genesener erneut erkrankt, meist einen deutlich milderen Verlauf hat.“

Auch ein anderer Befund stimmt hoffnungsvoll: So hat Michel Nussenzweig von der Rockefeller University in New York nachweisen können, dass die Zahl der B-Gedächtniszellen nach sechs Monaten nicht nur konstant hoch bleibt. Die Zellen bilden auch vielfältige neue Antikörper – von denen einige wiederum eher gegen Mutationen wirken dürften. Das zeigt eine andere Beobachtung Nussenzweigs: Einen Monat nach einer abgelaufenen Infektion reagierten die B-Zellen einiger Patienten nicht auf bestimmte SARS-CoV-2-Varianten – nach einem halben Jahr jedoch erkannten sie die meisten Virusvarianten. Das zeigt, dass sich die Immunantwort nach einer abgelaufenen Infektion oder Impfung im Laufe der Zeit auch ohne wiederholtem Kontakt zum Virus etwas weiterentwickelt.

Hinzu kommt, dass das Virus nicht unendlich wandlungsfähig sein wird. „Gerade das Spike-Protein, gegen das die meisten Impfstoffe gerichtet sind, erfüllt eine wichtige Funktion, indem es an menschliche Zellen andockt. Verändert sich das Protein zu sehr, verliert es diese Fähigkeit – dann wäre das Virus nicht mehr infektiös“, erklärt Guzmán.

Doch noch kann die Evolution mit den Varianten des Virus spielen, es scheint lange nicht alle Mutationsmöglichkeiten durch zu haben, glaubt Guzmán. Daher werden in nächster Zeit vermutlich weitere Varianten auftauchen – und neue Fragen aufwerfen.

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