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Fokus@Helmholtz

Welchen Wert hat die Wissenschaft?

Bild: Nathalie Houdelet

Die Wissenschaft verschlingt Milliarden und muss der Gesellschaft einen entsprechenden Mehrwert bringen. Worin der besteht und warum diese Frage unter Umständen falsch gestellt ist, diskutierten in Berlin Wissenschaftler, Technikphilosophen und Bildungspraktiker.

Neue Medikamente, bessere Technologien, eine florierende Wirtschaft - welchen Nutzen hat die Wissenschaft eigentlich für unsere Gesellschaft? Was dürfen die Bürger von einer Wissenschaft erwarten, die sie sich mit Milliarden Euro an Steuergeldern leisten? Das war die Ausgangsfrage der jüngsten Podiumsdiskussion Fokus@Helmholtz - und schon bei diesem Titel musste der Impulsgeber und Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar schlucken. Vor den knapp 200 Besuchern machte er sich in seinem Impulsstatement für ein grundsätzlich anderes Verständnis von Nutzen stark.

Um zu veranschaulichen, warum er die Frage problematisch findet, nahm Yogeshwar seine Zuhörer mit auf eine Reise in die Vergangenheit ins Jahr 1988. Es war die Zeit, in der die Demokraten im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf mit dem Wahlslogan "What's in it for me?", (Was ist für mich drin?) antraten. An diese am ökonomischen Nutzen für das Individuum ausgerichtete Sichtweise der Welt fühlte sich Yogeshwar durch den Titel der Veranstaltung erinnert: "Wir erleben eine Prioritätenverschiebung in der Gesellschaft hin zur Ökonomisierung und diese betrifft leider auch zu oft die Wissenschaft." Eine solche Reduzierung auf ökonomischen Nutzen könne jedoch fatale Folgen haben. Der Wert der Wissenschaft müsse doch deutlich umfassender verstanden werden.

Vlnr.: Ranga Yogeshwar, Armin Grunwald, Friederike Schneider, Carsten Könnecker, Heike Kusserow, Roland Koch. Bild: Nathalie Houdelet.

Auch Carsten Könneker, Chefredakteur von Spektrum der Wissenschaft und Professor für Wissenschaftskommunikation am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), beobachtet diesen Trend bei seinen Studierenden. "Die Denkweise "What's in it for me" oder "Wie komme ich an die Creditpoints", hat heutzutage auf jeden Fall zugenommen", sagte er auf dem Podium. "Daran sind wir aber selbst schuld, denn unser System und seine Kultur treiben die Leute in die Spezialisierung und sorgen leider damit dafür, dass Neugierde und Offenheit verkümmern." Sollte die Wissenschaft sich also wieder mehr auf ihre eigentlichen Werte besinnen?

Welchen Wert hat die Wissenschaft für die Gesellschaft jenseits von ökonomischen Effekten?

Der wahre Wert der Wissenschaft liegt doch im freien und teilweise auch befreienden Denken, darin von Offenheit und Neugierde angetrieben zu sein, führte Yogeshwar weiter aus. Er wünschte sich deshalb neugierige Wissenschaftler, die sich nicht so stark am Markt orientieren, sondern der Gesellschaft faktenbasierte, unabhängige und vernünftige Forschungsergebnisse präsentieren wollen.

Die Wissenschaft hat einen Wert für die Gesellschaft, auch unabhängig von ökonomischen Effekten. Um das wieder deutlich zu machen, brauche es auch eine selbstbewusste, aber auch ehrliche Kommunikation, die Sackgassen und Negativergebnisse nicht nur eingesteht, sondern sogar offen präsentiert und sich an den wahren Motiven der Wissenschaft orientiert. Auf Hochglanzberichterstattung mit zwanghafter Orientierung an ökonomischen Erfolgsparametern müsse dagegen verzichtet werden, um das Vertrauen in die Wissenschaft nicht weiter zu schwächen.

Eine ehrliche und authentische Kommunikation der Wissenschaft in die Gesellschaft als Schlüssel für das Vertrauen in die Wissenschaft. Diese These griff auch Könneker gern auf und skizzierte, wie eine solche Kommunikation aussehen sollte. "Wissenschaft wird glaubwürdig, wenn die drei Faktoren Können, Integrität und gute Absicht zusammenkommen und kommuniziert werden", sagte er. "Bisher fokussieren wir uns in der Wissenschaft zu sehr darauf, zu kommunizieren, was wir können und was es den Menschen nutzt." Soweit herrschte Einigkeit auf dem Podium. Schwieriger schien die Antwort auf die Frage, wie man diese Art der Kommunikation betreiben sollte, woran sie derzeit oft noch scheitert und vor allem auch, wie man sie im System etabliert.

Bild: Nathalie Houdelet

Während Ranga Yogeshwar an einigen Stellen selbstkritische Wissenschaftler vermisste, lag für Armin Grunwald das Kernproblem im System: "Das Wissenschaftssystem muss Strukturen schaffen, die es Wissenschaftlern ermöglichen, den Dialog zu erlernen. Sonst laufen wir gerade im Bereich kritischer Auseinandersetzung Gefahr, ein moralisches Heldentum einzufordern", sagte der Technikphilosoph vom KIT, der das Büro für Technikfolgenabschätzung am Deutschen Bundestag leitet. Friederike Schneider, Programmleiterin bei der Körber-Stiftung, sah dies ähnlich: "Es gibt natürlich Formate, die auf den kritischen Dialog über Sinn und Zweck der Wissenschaft - auch im nicht-ökonomischen Sinne - abzielen. Aber es gibt keine Anreizsysteme innerhalb des wissenschaftlichen Systems, sich an diesen zu beteiligen."

"Die Wissenschaft braucht neue Anreizsysteme für gute Kommunikation"

Wissenschaftskommunikation ist eben doch - und dies stellt auch Carsten Könneker in seiner täglichen Arbeit immer wieder fest - vor allem Zusatzarbeit in der Freizeit. "Deshalb wären wir gut beraten, in der Ausbildung in diesem Bereich mehr zu machen", ergänzte Friederike Schneider. Früh übt sich also, was ein kritisch kommunizierender und denkender Wissenschaftler werden will? Und auch für die Mehrheit, deren Lebensweg nicht in die Forschungslabore führt, ist die Schule der ideale Ort, an dem Verständnis für Wissenschaft geschaffen werden sollte. Für Heike Kusserow, Lehrerin am Berliner Oberstufenzentrum Lise Meitner, liegt der Schwerpunkt in ihrer Arbeit mit den Schülern zunächst einmal darin, sie für die Wissenschaft und ihre Werte zu begeistern. Dabei hält sie die Schulung in kritischem Denken für wichtig: "Das wird aktuell zwar nebenbei unterrichtet, wirklich im Lehrplan abgebildet ist es aber gerade in den Naturwissenschaften nicht." Eben dies wäre jedoch aus Sicht Armin Grunwalds und Carsten Könnekers ein wichtiger erster Schritt in Richtung prozessorientierte, kritische und dialogische Kommunikation.

Neben der unzureichenden Ausbildung sehen die Experten die Ressourcen Zeit, Geld und Anerkennung als entscheidend für die aktuellen Probleme in der Wissenschaftskommunikation. "In der Helmholtz-Mission beispielsweise ist Wissenstransfer fest verankert", sagt Armin Grunwald. "Trotzdem kommt es bei der Besetzung von Professuren oder Nachwuchsgruppen sowie bei der Bewertung der Leistung letztendlich doch wieder auf die wissenschaftlichen Publikationen und Meriten an und eben nicht auf den Impact außerhalb." Solange sich dies nicht ändere und es neue Anreizsysteme für die Kommunikation gebe, sieht auch Könneker keinen Ausweg aus dem aktuellen "Hamsterrad".

Den Helmholtz-Präsidenten Otmar D. Wiestler stimmte diese Entwicklung nachdenklich. Auch er sieht Neugierde und Wissensgewinn als entscheidende Motive der Wissenschaft, ergänzt aber: "Es ist auch ein legitimes Ziel, konkrete Probleme und Herausforderungen lösen zu wollen. Aus meiner Sicht geht es um die Balance der Ziele und Motive und ihre offene Kommunikation. Wissenschaft muss dabei immer kritisch und ergebnisoffen betrieben werden und wir müssen vermeiden, unrealistische Erwartungen zu wecken oder falsche Versprechungen zu machen."

Rebecca Winkels

Kurz-Statements der Podiums-Gäste:


Audio-Mitschnitt:


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