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Intensivmedizinische Behandlung

Welche Medikamente und Therapien helfen bei COVID-19?

Fünf von hundert mit SARS-CoV-2 Infizierten erkranken schnell lebensbedrohlich und erhalten eine intensivmedizinische Therapie (Bild: dpa/Jens Büttner).

Seit einem Jahr leben wir mit der Corona-Pandemie. In der Patientenbehandlung hat sich seitdem viel getan. Oberarzt Harald Prüß erklärt, welche Medikamente wirksam sind und welche nicht – und wie sich die Überlebenschancen von Intensivpatienten entwickelt haben.

Mehr als ein Jahr ist es nun her, dass die ersten COVID-19-Patienten in deutsche Kliniken kamen. Dass sich in diesem Jahr vieles gebessert hat, zeigt eine Studie, die ein deutsches Forschungsteam im Fachjournal „The Lancet Respiratory Medicine“ veröffentlicht hat. Die Wissenschaftler analysierten Krankenkassen-Abrechnungsdaten entlassener COVID-19-Patienten aus allen Krankenhäusern in Deutschland im Jahr 2020. Ein wichtiges Ergebnis: Der Anteil der Patienten, die intensivmedizinisch behandelt werden mussten, ist im Verlauf des Jahres deutlich gesunken. Den Auswertungen zufolge benötigte zwischen März und Mai 2020 noch jeder dritte an COVID-19 erkrankte Klinikpatient intensivmedizinische Pflege. Im Herbst 2020 waren es nur noch halb so viele Patienten. Zum Ende des Jahres – also in der Zeit der stark steigenden Fallzahlen – behandelten Intensivmediziner sogar nur noch 14 von hundert Patienten, die wegen einer COVID-19-Erkrankung ins Krankenhaus mussten, intensivmedizinisch. Es gelingt den Ärzten also zunehmend besser, Patienten mit relativ schweren Verläufen zu behandeln und so sehr schwere Verläufe, die intensivpflichtig werden, zu verhindern.

Die Behandlung schwer an COVID-19 Erkrankter ist äußerst komplex. Insgesamt benötigen etwa zwölf bis 15 Prozent aller Infizierten eine Therapie im Krankenhaus. Sie entwickeln eine überschießende Reaktion des Immunsystems, das Gerinnungssystem spielt verrückt. In der Folge kommen sie etwa mit Störungen der Atemwege, der Haut, des Herz-Kreislauf-Systems, Nierenversagen, gefährlichen Blutgerinnseln oder gar einem Schlaganfall in die Klinik.

Harald Prüß ist Forschungsgruppenleiter am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und Oberarzt an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie an der Charité (Bild: DZNE).

„Fünf von hundert Infizierten erkranken schnell lebensbedrohlich und erhalten eine intensivmedizinische Therapie“, sagt der Wissenschaftler und Oberarzt Harald Prüß. Am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) leitet er die Forschungsgruppe „Autoimmune Enzephalopathien“, außerdem ist er Oberarzt an der Klinik für Neurologie mit Experimenteller Neurologie der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Er betont, wie wichtig es ist, schwere Verläufe davor zu bewahren sich so weit zu verschlechtern, dass sie beatmet werden müssen. „Invasiv beatmete Intensivpatienten mit COVID-19 haben leider bis heute keine gute Prognose“, weiß Prüß. „Die Daten zeigen, dass immer noch jeder Zweite von ihnen stirbt, zu Beginn der Pandemie und auch heute.“ Betroffen sind vor allem Ältere mit Risikofaktoren für Herz-Kreislauferkrankungen und/oder Vorerkrankungen.

Medikamente und Therapieformen zur COVID-19-Behandlung

Die gute Nachricht: Mittlerweile gibt es zahlreiche wissenschaftlich fundierte, wirksame Medikamente und Behandlungsmöglichkeiten für Patienten, die nicht invasiv beatmet werden müssen, also noch selbstständig atmen können. „Absoluter Therapiestandard und mittlerweile in die ärztlichen Leitlinien eingegangen sind Steroide wie Dexamethason“, so Prüß. Das Kortison mildert die überschießende Immunreaktion deutlich ab. „Studien belegen, dass schwer Erkrankte unter Kortison kürzer im Krankenhaus liegen, seltener beatmet werden und seltener sterben.“ Jedoch sollte das Präparat sorgfältig verabreicht werden.

Zudem erhalten die Patienten vorbeugend Medikamente wie Heparin, die das außer Kontrolle geratene Gerinnungssystem kontrollieren. „Mit Abstand am wichtigsten für die Patienten ist allerdings Sauerstoff, schließlich ist bei COVID-19 vor allem die Lunge betroffen“, ergänzt der Oberarzt. Sauerstoff kann die Sterblichkeit deutlich reduzieren.

„Unter Kortison liegen schwer Erkrankte kürzer im Krankenhaus, müssen seltener beatmet werden und sterben seltener.“

Andere Wirkstoffe haben sich hingegen als Flop erwiesen. „Weltweit wurden in den letzten Monaten mehr als 100 Medikamente auf eine Wirksamkeit bei COVID-19 geprüft“, sagt Prüß. Darunter Herz-Kreislauf-Medikamente, dämpfende Immunmodulatoren, Antibiotika, Vitamine oder Wirkstoffe, die gegen andere Viren wie Hepatitis C, Grippe, SARS oder MERS entwickelt wurden. „Bisher hat es keine dieser Substanzen flächendeckend in die Anwendung geschafft“, resümiert der Neurologe, der selbst Patienten auf Intensivstationen behandelt. „Selbst Remdesevir wird von der WHO mittlerweile nicht mehr empfohlen.“

Remdesivir und Serumtherapie sind nur eingeschränkt wirksam

Das Präparat wirkt gegen andere Viren, indem es sozusagen die Kopiermaschine in den menschlichen Zellen unterdrückt, mit der sich die Erreger rasant vermehren. Remdesivir wurde – ohne großen Erfolg – zuletzt in Afrika eingesetzt, um Patienten in der Ebola-Epidemie zu behandeln. Seit kurzem ist es in der Europäischen Union für die frühe COVID-19-Therapie zugelassen, wenn schwer Erkrankte sauerstoffpflichtig, aber noch nicht beatmet sind.

Überschätzt wurde Prüß zufolge auch die sogenannte Serumtherapie. Dabei wird Menschen, die bereits eine Infektion mit Sars-CoV-2 durchgemacht haben, Blut abgenommen. Das Plasma, also der flüssige Anteil des Bluts, enthält Antikörper gegen das Virus. Die Serumtherapie, die schon während der Spanischen Grippe zum Einsatz kam, erlebte in der Corona-Pandemie ein Revival in China und den USA – trotz fehlender Wirkbelege. Auch hierzulande werden an mehreren Kliniken Patienten so behandelt. „Die Studien belegen jedoch mehrheitlich, dass es keinen überzeugenden Effekt gibt“, sagt Prüß.

Effektive Antikörpertherapie

„Weitaus vielversprechender sind qualitätsgeprüfte, synthetisch hergestellte monoklonale Antikörper“, erklärt Harald Prüß. Das sind im Immunsystem aktive Proteine, die nur an eine einzige Stelle an das Zielmolekül binden. Die Therapie mit monoklonalen Antikörpern bedeutet, dass diese dem Patienten direkt verabreicht werden, wobei der Antikörper das Virus erkennt, sich daran bindet und es neutralisiert. Zwei Antikörper der US-Hersteller Regeneron (Casirivimab/Imdevimab) und Eli Lilly (Bamlanivimab) sind in den USA bereits zugelassen. „Alle Studien, die dort zur Notfallzulassung geführt haben, konnten zeigen, dass die Antikörper in der Frühphase von COVID-19 helfen“, so Prüß.

„Antikörper können in der Frühphase von COVID-19 helfen, die Symptome zu mildern und einen Krankenhausaufenthalt zu verhindern.“

Auch für Deutschland hat das Gesundheitsministerium jüngst 200.000 Dosen dieser US-Antikörper eingekauft. „Die Antikörper werden hierzulande bereits vereinzelt an der Charité und anderen Unikliniken verwendet“, sagt Prüß. „Sie sollten nun auch rasch im ambulanten Bereich zum Einsatz kommen, um eine Verschlechterung der Symptome und einen Krankenhausaufenthalt möglichst früh zu verhindern.“ Anders als bei einer aktiven Impfung – bei der das Immunsystem selbst Antikörper auf gespritzte abgeschwächte Erreger oder Erreger-Bestandteile bildet – erhält der menschliche Körper mit dieser sogenannten Passivimpfung fertige Antikörper gegen das Virus.

Zusammen mit seinem Team vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen und der Charité arbeitet Prüß selbst an einer Passivimpfung. Gerade haben die Wissenschaftler die Planungen für die Phase I- und II-Studien abgeschlossen. Derzeit produziert der Industriepartner Miltenyi Biotec Antikörper in großen Mengen. „Sobald wir die Antikörper in der Hand haben, kann es losgehen mit den Studien“, sagt Prüß. „Mit etwas Glück stehen unsere Antikörper im kommenden Herbst in Deutschland bereit.“

Studie im „The Lancet Respiratory Medicine“

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