Weltwassertag
Wasserwirtschaft im globalen Wandel
Die UNO hat den 22.März zum Weltwassertag ausgerufen. Während die einen Wasser im Überfluss haben, leiden andere unter Wasserknappheit. Ein Einblick in die globale Wasserwirtschaft.
In ihrem "World Water Development Report 2015" warnen die Vereinten Nationen davor, dass weltweit das Wasser knapp zu werden droht. "Der Planet war noch nie so durstig", schreiben die UN-Experten – und diese Entwicklung wird sich verschärfen. Bis zum Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung voraussichtlich von 7,3 auf 9,1 Milliarden Menschen anwachsen. Der weltweite Bedarf an Wasser wird damit noch einmal um 55 Prozent steigen.
Wasserversorgung in Deutschland
In Deutschland hingegen scheint die Welt noch in Ordnung zu sein. Vielerorts liegen hübsche Seen zwischen bewaldeten Hügeln, Flüsse schlängeln sich durch grüne Täler. Von einem Mangel kann hierzulande tatsächlich keine Rede sein: Es steht so viel Trinkwasser zur Verfügung, dass man damit den Bodensee viermal füllen könnte, lässt sich in Studien des Umweltbundesamtes nachlesen. Pro Jahr könnten die Deutschen demnach rund 188 Milliarden Kubikmeter Wasser nutzen – das ist die Menge, die sich in dieser Zeit an neuem Grund- und Oberflächenwasser bildet. Der tatsächliche Verbrauch im Jahr 2015 lag allerdings nur bei etwa 33 Milliarden Kubikmetern, also knapp 18 Prozent davon.
Dass dennoch nicht überall in deutschen Landen Wasser im Überfluss vorhanden ist, zeigt Philipp Wagnitz auf einer Karte. Der Experte für Wassermanagement klickt in seinem Berliner Büro bei der Umweltorganisation World Wide Fund (WWF) auf eine grafische Darstellung: Eine Reihe von Städten und Regionen sind orange markiert, Brandenburg ist darunter und Sachsen-Anhalt, Halle/Saale, Braunschweig, Duisburg und München. "Orange steht für einen großen Bedarf", erklärt er. Gelsenkirchen treffe es mit am ärgsten. Dort bestehe bundesweit das größte Defizit zwischen Verfügbarkeit und Verbrauch. Doch das Problem lässt sich lösen. Dicke Striche über den Orten zeigen auf der Karte die Leitungen, die Wasser aus der Ferne bringen. Hamburg wird aus der Lüneburger Heide versorgt, Stuttgart mit Überleitungen von mehreren hundert Kilometern aus dem Bodenseeraum.
In Deutschland ist diese aufwendige Infrastruktur selbstverständlich. Die Wasserwirtschaft hat sich darauf eingestellt, Regionen, in denen weniger Wasser da ist, als gebraucht wird, mitzuversorgen, sagt Corinna Baumgarten vom Umweltbundesamt: Fehle es hier oder dort an Grund- und Oberflächenwasser oder ist das kostbare Nass im Sommer mal knapp, wird das an anderen Stellen reichlich vorhandene Wasser entsprechend verteilt, erklärt die Ingenieurin für technischen Umweltschutz. Ist Sparen hierzulande also gar nicht nötig?
Steigt der Berliner seltener in die Badewanne oder stellt weniger oft die Waschmaschine an, habe man davon in Stuttgart oder gar in wasserarmen Gegenden in China oder Brasilien nicht viel – auf jeden Fall nicht mehr Wasser. "Allein des Wassers wegen braucht in Deutschland heute also niemand auf Wasser zu verzichten", bringt er es auf den Punkt. Doch es gibt andere gute Gründe, das klare Nass auch hierzulande nicht einfach zu verschwenden.
Nachhaltiger Umgang mit Wasserressourcen
"Das ist eine Frage des nachhaltigen Umgangs mit unseren Ressourcen", sagt Ekaterina Vasyukova. Sie ist ehemalige Lehrstuhlvertreterin der Professur Wasserversorgung an der TU Dresden. Wer Wasser spare, also weniger Wasser nutze, schone die Umwelt und trage dazu bei, dass die Wasserqualität nicht schlechter werde. "Denn gebrauchtes Wasser ist verschmutztes Wasser – und muss wieder gereinigt werden", erklärt sie. Dazu brauche man Energie und Chemikalien. "Trotz Aufbereitung ist Wasser, das einmal durch die Haushalte gelaufen ist und dann wieder in die Flüsse gepumpt wird, nicht dasselbe wie vorher", gibt die Wissenschaftlerin zu bedenken. Deshalb ruft Vasyukova, wie viele andere Wasserforscher, dazu auf, Wasser zu sparen – und muss dafür in Deutschland keine große Überzeugungsarbeit mehr leisten.
Während in vielen Ländern der Erde Unternehmen und Verbraucher nach immer mehr Wasser verlangen, wird hier stetig weniger genutzt. Im Jahr 1991 flossen für Industrie und private Haushalte insgesamt 46,3 Milliarden Kubikmeter Wasser durch die Leitungen, 2010 waren es nur noch 32,6 Milliarden. "Zurückzuführen ist das vor allem auf ein wachsendes Umweltbewusstsein der Bevölkerung und den technischen Fortschritt", sagt KIT-Wissenschaftler Helmut Lehn. Das zeigt sich zum Beispiel in Privathaushalten: Moderne Geschirrspüler, Waschmaschinen, Toilettenspülungen, Armaturen und Duschköpfe tragen erheblich dazu bei, dass heute weniger Wasser aus dem Hahn fließt. Verbrauchte der Durchschnittsdeutsche 1991 noch 147 Liter Trinkwasser am Tag, sind es seit 2013 nur noch 121 Liter, die hauptsächlich für die Körperpflege genutzt werden (40 Prozent), für die Toilettenspülung (30 Prozent), für Wäschewaschen (13 Prozent) und Essen und Trinken (vier Prozent). Im EU-Durchschnitt stehe Deutschland damit recht gut da, sagt Corinna Baumgarten vom Umweltbundesamt. Zwei Drittel der Länder in Europa verbrauchen mehr – Spitzenreiter ist Rumänien mit 294 Litern, am sparsamsten sind die Litauer mit 97 Litern.
Virtueller Wasserhandel zur Überwindung der Wasserkrise
Virtuelles Wasser, Wasserfußabdruck – das sind ziemlich abstrakte Begriffe, gibt Corinna Baumgarten vom Umweltbundesamt zu. Doch sie können den versteckten Wasserhandel zu Lasten wasserarmer Länder transparenter machen: So zeige der Wasserfußabdruck, dass Deutschland seinen tatsächlichen, aktuellen Wasserverbrauch nur etwa zur Hälfte aus eigenen Ressourcen deckt – und die andere Hälfte in Form von virtuellem Wasser einführt, erklärt sie. Problematisch sei das, weil ein großer Teil des importierten Wassers aus Regionen stammt, in denen es nicht genug davon gibt.
Zum Beispiel aus Brasilien: Von dort wird die höchste Menge virtuellen Wassers nach Deutschland eingeführt, vor allem in Form von Kaffee und Soja, berichtet WWF-Experte Philipp Wagnitz. Das südamerikanische Land ist Netto-Exporteur für virtuelles Wasser; es exportiert das Dreifache der Menge an virtuellem Wasser, die es importiert. Und das, obwohl die Wasserlage dort in manchen Bundesstaaten inzwischen prekär ist und die Trinkwasserspeicher so gut wie leer sind.
Haben es die deutschen Verbraucher also in der Hand, diese Probleme durch ein anderes Konsumverhalten zu lösen? Dazu gibt es verschiedene Meinungen. In Rio de Janeiro komme jedenfalls nicht wieder regelmäßig Wasser aus dem Hahn, wenn deutsche Verbraucher jetzt keinen Kaffee aus Brasilien mehr trinken würden. "Wasserprobleme lassen sich nicht im Supermarkt lösen, sondern nur vor Ort", sagt Erik Gawel. Er ist Leiter des Departments Ökonomie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und befasst sich seit Jahrzehnten mit nachhaltigem Wasserressourcenmanagement. Der Umweltökonom kritisiert solche Rechnungen: Ein Wasserfußabdruck von 5.288 Litern am Tag, das sei eine Zahl, die Alarm auslöse und den Konsumenten in die Irre führe. "Sie suggeriert, dass man den Menschen in wasserarmen Regionen etwas vorenthält."
Tatsächlich besitze es für den deutschen Verbraucher keinerlei Aussagekraft, dass für eine Tasse Kaffee, für die sieben Gramm Bohnen aufgebrüht werden, ganz allgemein 140 Liter virtuelles Wasser genutzt werden, sagt Gawel. Die Zahl allein sage nichts darüber aus, ob es in einer bestimmten Region ein Wasserproblem gebe, ob eine Kaffeepflanze im Regenfeldbau angebaut oder künstlich bewässert worden sei. Sie sage nur aus, dass sie für ihr Wachstum einen bestimmten Bedarf an Wasser hat. Wichtiger sei es, dass Konsumenten auf Produkte achten, die für ihre Nachhaltigkeit zertifiziert seien. Dadurch entstehe für Unternehmen ein Anreiz, die Ressourcen vor Ort zu schützen.
"Tatsächlich ist durch den Wasserfußabdruck nicht ersichtlich, ob für den Anbau von Kaffeebohnen die Umwelt geschädigt wurde", sagt Philipp Wagnitz vom WWF. Dennoch hält er die Berechnungen für ein sinnvolles Instrument, um Konsumenten zu sensibilisieren. "Der Wasserfußabdruck soll keinen Druck auf den Verbraucher ausüben. Er kann ihm aber deutlich machen, dass für die Herstellung internationaler Güter vor Ort viel Wasser verbraucht wird – und dass das Thema wichtig ist", sagt er. Produkte zu zertifizieren, die unter nachhaltigen Bedingungen hergestellt werden, hält er für einen richtigen Ansatz. "Schon heute ist Süßwasser ein wichtiger Bestandteil bestehender Zertifizierungssysteme", sagt der Wasserexperte. Doch die Kriterien für eine nachhaltige Wassernutzung müssten aussagekräftiger werden und vor allem den unterschiedlichen lokalen Bedingungen Rechnung tragen.
Auch Ekaterina Vasyukova hält den Wasserfußabdruck für eine gute Möglichkeit, Bewusstsein zu schaffen. "Wer die Zeit investieren und sich die Mühe machen kann, nachzuvollziehen, woher die Produkte kommen, die er nutzt, hat es in der Hand, auch Waren zu kaufen, die unter nachhaltigeren Bedingungen entstanden sind", sagt sie. Würden sich dann mit der Zeit immer mehr Konsumenten für die entsprechenden Güter entscheiden, wirke sich das auch auf die Produktionsbedingungen aus, ist sie sicher.
Corinna Baumgarten vom Umweltbundesamt sieht noch mehr Möglichkeiten für Verbraucher, den Aufwand an virtuellem Wasser zu reduzieren: "Besser, man greift zu regionalen Produkten und bevorzugt saisonale Lebensmittel." Erdbeeren aus Spanien, rät sie, sollte man im Winter besser nicht in den Einkaufskorb legen.
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Die Infografik zeigt, wie viel Wasser für die Herstellung verschiedener Produkte und Nahrungsmittel benötigt wird. Der virtuelle Wasserfußabdruck ist in Deutschland sehr hoch. Der WWF kommt pro Einwohner auf 5.288 Liter täglich.
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