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Helmholtz Schlaglichter 2024

Was uns in diesem Jahr bewegt hat

Das Bild zeigt die optisch angeregte Valenzelektronenstruktur in Diamant, untersucht mit nichtlinearer Kristallographie. Es wurde im Rahmen des Helmholtz Imaging Bilderwettbewerbs eingereicht. Bild: Xenia Brockmüller, Fridtjof Kerker, Christina Bömer and Dietrich Krebs /DESY

Das Jahr 2024 geht zu Ende. Wir blicken zurück auf zehn besondere prägende Ereignisse. Manche sind überraschend, andere sind ermutigend und wiederum andere machen nachdenklich. Alle zehn haben jedoch gemeinsam, dass hinter ihnen Talente auf der ganzen Welt stehen, die unermüdlich daran gearbeitet haben, die Grenzen des Machbaren zu verschieben.

Ursache für sprunghaften Anstieg der Erderwärmung möglicherweise gefunden

Das Jahr 2023 war das wärmste seit Beginn der Aufzeichnungen. Die globale Durchschnittstemperatur lag fast 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau. Die Emissionen von Treibhausgasen haben daran einen großen Anteil, doch sie erklären das Ausmaß der Erwärmung nicht vollständig. Die Suche nach den Ursachen für den sprunghaften Anstieg stellte die Expert:innen vor ein Rätsel, in den Modellen blieb eine Lücke von 0,2 Grad. Nun haben Forschende vom Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung möglicherweise die Ursachen gefunden: Das Rückstrahlvermögen unseres Planeten nimmt ab, weil ihm bestimmte Wolken fehlen. Wolken beeinflussen, wie viel Sonnenlicht auf die Oberfläche der Erde gelangt und wie viel Energie als Rückstrahlung ins All zurückgeht. Niedrigstehende Wolken kühlen die Erde eher, hochstehende sorgen unter dem Strich für Erwärmung. Die Forscher konnten in Modellrechnungen zeigen, dass der Verlust von niedrigen Wolken die fehlenden 0,2 Grad erklären kann. Warum es weniger tiefe Wolken gibt, diskutieren die Forscher:innen noch. Eine Ursache könnten weniger menschengemachte Aerosole sein, die als Kondensationskeime für Wolken dienen.

Sprunghafter Anstieg der Erderwärmung ist maßgeblich auf geringere Rückstrahlkraft des Planeten zurückzuführen (AWI)

Bild: Wolken in der Antarktis (Foto: Alfred-Wegener-Institut / Jessica Helmschmidt)

Weltweit einzigartige Trainingsanlage für Mond-Missionen in Köln eröffnet

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat gemeinsam mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) die erste analoge Mondsimulationsanlage Europas eröffnet. Auf einer 700 Quadratmeter großen Fläche simuliert die Anlage namens LUNA die Bedingungen auf dem Mond – von staubigem Regolith über geringe Schwerkraft bis hin zu den extremen Licht- und Schattenverhältnissen. Eine Anlage, die in ihrer Art weltweit einzigartig ist. Das Ziel: Wissenschaftler:innen und Astronaut:innen optimal auf die vielseitigen Herausforderungen künftiger Mondmissionen vorzubereiten. Wie das NASA-Mondprogramm zeigt, stehen dabei anspruchsvolle Aufgaben im Fokus: Am Südpol des Mondes soll nach Wasser gesucht werden, um mögliche organische Spuren im gefrorenen Mondeis zu analysieren und dadurch die Entstehung des Lebens auf der Erde besser zu verstehen. Darüber hinaus soll das Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff aufgespalten werden, um Atemluft und Treibstoff bereitzustellen. Ein weiteres Ziel ist die Gewinnung von Mondgestein, das für die wissenschaftliche Forschung und die Vorbereitung zukünftiger Missionen von großer Bedeutung ist.

LUNA Analog Facility - Mond auf Erden

Helmholtz investiert Millionen in Forschung zu KI-Grundlagenmodellen

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz verschiebt die Grenzen der Wissenschaft und hilft, völlig neue Lösungen für globale Herausforderungen zu finden. Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet auf diesem Gebiet Pionierarbeit. In der Klimaforschung, in der Medizin oder in der Erforschung neuer Materialien für die Energiewende fallen riesige Mengen an Daten an. Ihr volles Potenzial lässt sich jedoch nur ausschöpfen, wenn die Forschung immer größere Datenmengen auch auswerten kann. Eine neue Generation von KI-Grundlagenmodellen, den sogenannten Foundation Models, soll nun eine ganze Reihe von großen Herausforderungen in der Wissenschaft angehen. Die Helmholtz-Gemeinschaft fördert sieben Pilotprojekte und eine Synergy Unit sowie die dafür benötigte Infrastruktur mit rund 25 Millionen Euro. Ein Großteil der Helmholtz-Zentren beteiligt sich an den Projekten, die beispielsweise mit Hilfe von KI radiologische Diagnosen zuverlässiger machen, das Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs verbessern, Klimamodelle auf eine neue Ebene heben und die Entwicklung einer neuen Generation von Photovoltaikmodulen beschleunigen sollen.

 Ausgewählte Projekte (Runde 1)

Ausgewählte Projekte (Runde 2)

Foundation Models sind Modelle für maschinelles Lernen, die mit sehr großen Mengen aufbereiteter Daten gefüttert werden. Wichtig ist, dass die Daten gut strukturiert sind und ein relativ unspezifisches Pre-Training stattfindet. Durch dieses Pre-Training sind sie in der Lage, komplexe Zusammenhänge auf der Grundlage erlernter Muster zu verstehen, neue Zusammenhänge zu generieren sowie Prognosen zu erstellen. Die aus dem anfänglichen breiten Training gewonnene Basis kann auf viele nachgelagerte Aufgaben – die sogenannten Downstream-Tasks – übertragen werden. Grafik: Helmholtz

Ansammlung von Spike-Protein mögliche Ursache für Long-COVID-Symptome

Noch immer sind die Ursachen, die hinter einer Long-Covid-Erkrankung stecken nicht richtig verstanden. Forschende von Helmholtz Munich und der LMU München haben einen Mechanismus entdeckt, der möglicherweise die neurologischen Symptome der Erkrankung erklärt. Sie konnten zeigen, dass das Spike-Protein des Virus bis zu vier Jahre nach der Infektion in den Hirnhäuten und im Knochenmark des Schädels verbleiben. Die Ablagerung des Proteins, dass dem Virus zum Eintritt in die Zellen dient, könnte zu chronischen Gehirnentzündungen führen. Damit einher gehen neurologischen Symptome wie beschleunigte Hirnalterung oder der sogenannten Brain-Fog. Das Forscher-Team konnte auch zeigen, dass die Impfung mit einem mRNA-Impfstoff die Anreicherung des Proteins deutliche reduzieren. Die Erkenntnisse eröffnen neue Möglichkeiten zur Behandlung neurologischer Symptome in Folge einer Sars-CoV-2-Infektion.

Long COVID: Ansammlung des SARS-CoV-2-Spike-Proteins mit dauerhaften Auswirkungen auf das Gehirn verbunden

Das Spike-Protein des Coronavirus (rot) ermöglicht das Eindringen des Virus in menschliche Zellen und lagert sich bis zu vier Jahre nach Infektion im Gehirn ab. Bild: Juan Gaertner/Shutterstock

Neubau der Polarstern: Auftrag für den deutschen Forschungseisbrecher vergeben

Gute Nachricht für die deutsche Forschungsflotte, den deutschen Schiffbau und die internationale Polarforschung: Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat kurz vor Ende des Jahres die Finanzmittel für den Bau des Forschungsschiffs freigegeben. Damit ist der Weg frei für eines der ambitioniertesten Infrastrukturprojekte in der Geschichte der Helmholtz-Gemeinschaft. Seit 40 Jahren fährt die Polarstern in die Arktis und Antarktis und gibt Meschen als aller Welt dei Chance, in den extremsten Regionen des Planeten zu forschen. Der Nachfolgebau wird von Thyssenkrupp Marine Systems in Wismar gebaut. Die Werft hat nach einem knapp zweieinhalbjähriges europaweites Vergabeverfahren den Zuschlag bekommen. Das Projekt ist auch eine wichtige wirtschaftsfördernde Maßnahme und zeigt, wie Wissenschaft zum Impulsgeber für nachhaltige Zukunftstechnologien werden kann. Nach fünfjähriger Bauzeit soll die neue Polarstern im Jahr 2030 an die Forschung übergeben werden.

Polarstern-Neubau: Auftrag für deutschen Forschungseisbrecher vergeben

Bild: AWI

Eine Ursache für Fischsterben in der Oder im 2022 entdeckt

Im Sommer 2022 verendeten tausende Fische in der Oder nahe der polnischen Grenze. Ursache war die Blüte der Brackwasseralge Prymnesium parvum. Sie produziert ein Toxin, das letztendlich für den Tod der Fische verantwortlich war. Analysen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung haben nun gezeigt, dass hohe Konzentrationen organsicher Mikroschadstoffe die giftige Wirkung des Algentoxins verstärkt haben. Bei den Stoffen handelt es sich um einen Mix aus organischen Verbindungen wie Flammschutzmitteln oder Polymerzusatzstoffe aber auch um Pestizide und deren Abbauprodukte. Die Schadstoffe stammen aus Kläranlagen, direkt aus Industrieabwässern und aus der Landwirtschaft. Die Forscher:innen befürchten, dass die Kombination aus wärmeren Temperaturen und extremen Wetterereignissen häufiger zu Algenblüten führen kann.

Fischsterben an der Oder 2022: Mikroschadstoffe verstärkten die Wirkung der Algentoxine

Fischsterben an der Oder im Sommer 2022. Foto: Luc De Meester / IGB

Wie ein Wissenschafts-Think-Tank dabei hilft, das ukrainischen Energiesystem zu stärken

Der aktuelle Winter wird für die ukrainische Bevölkerung der bisher härteste seit Beginn des russischen Angriffskriegs. Ein Grund dafür liegt in der gezielten Zerstörung der ukrainischen Energieinfrastruktur, von der bereits mindestens die Hälfte in Trümmern liegt. Welche Maßnahmen getroffen werden müssten, um den Strombedarf der Ukraine in den kommenden zwei Wintern zu sichern – dazu haben Wissenschaftler:innen der Helmholtz-Gemeinschaft geforscht. Zusammen mit ihren polnischen und ukrainischen Kolleg:innen entwickelten sie ein Modell, das mögliche Entwicklungen des ukrainischen Energiesystems simuliert. Damit helfen sie, die wichtige Entscheidungen zu treffen, um im Winter die Strom- und Wärmeversorgung sicherzustellen. Eine wichtige Rolle könnte ein noch zu etablierendes „Energielagezentrum“ spielen: Es könnte die Anstrengungen sowohl innerhalb der Ukraine als auch zwischen der Ukraine und ihren Partnern besser koordinieren und den Informationsfluss zwischen den Akteuren erhöhen.

„Die Ukraine braucht ein Energielagezentrum“ - Standpunkt von Frank Meissner (HZB)

Feld mit Solarpanelen in der Ukraine. Bild: Roman Mikhailiuk/Shutterstock

Neue Bildgebungsverfahren ermöglichen präzisere Tumorentfernung

Tumoren bei Operationen vollständig zu entfernen, ohne das umgebende Gewebe zu sehr zu schädigen ist eine große Herausforderung in der Chirurgie. Neue medizinische Bildgebungstechnologien im kurzwelligen Infrarotbereich haben das Potenzial diese Operationen erheblich zu erleichtern. Ein Team vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und der University of California (UCLA) hat eine Methode entwickelt, die mit speziellen fluoreszierenden Farbstoffen und modernster Kameratechnologie arbeitet. Damit können unterschiedliche Gewebe anhand ihres Wassergehaltes sichtbar gemacht werden. So können sie bei Operationen einzelne Krebszellen an den Tumorrändern und in Lymphknoten sichtbar machen und so die Präzision chirurgischer Eingriffe erhöhen. Für ihre Arbeit wurde das interdisziplinäre Team mit dem Helmholtz High Impact Award 2024 ausgezeichnet.

Helmholtz High Impact Award 2024 @Stifterverband

Kompakte Anlagen zur Produktion von synthetischen Kraftstoffen

Die Firma INERATEC, eine Ausgründung des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), hat eine besonders effiziente Technologie zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) entwickelt. Einen chemischen Reaktor, der 80-mal kompakter als konventionelle Reaktoren ist. Dadurch konnte die erste Produktionsanlage zur Herstellung der nachhaltigen Kraftstoffe in einen herkömmlichen Schiffscontainer eingebaut werden. Die Anlagen können überall dort eingesetzt werden, wo erneuerbarer Strom sowie CO2 verfügbar sind. In einer Finanzierungsrunde hat die Firma in diesem Jahr Kapital in Höhe von 118 Millionen Euro eingesammelt.

Leibnizpreise für zwei Helmholtz-Forscherinnen

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat die Preisträger:innen des Gottfried Wilhelm Leibniz-Preises 2025 verkündet. Mit dabei sind die Biochemikerin Ana Pombo vom Max Delbrück Center sowie die Biologin Maria-Elena Torres-Padilla von Helmholtz Munich. Maria-Elena Torres-Padilla wird für ihre Forschung im Bereich der Stammzellbiologie und der frühen Entwicklung geehrt. Die gebürtige Mexikanerin ist Leiterin des Stammzellzentrums und Direktorin des Instituts für Epigenetik und Stammzellen bei Helmholtz Munich, sowie Direktorin für Biomedizin am Helmholtz Pionier Campus und Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ana Pombo erhält den Preis für ihre wegweisenden Arbeiten zum Einfluss der Umwelt auf Krankheiten wie Autismus oder Epilepsie. Ana Pombo wurde in Portugal geboren und kam über das Helmholtz-Erstberufungsprogramm 2013 ans Max Delbrück Center und als Professorin an die Humboldt-Universität Berlin. Sie ist stellvertretende Direktorin des MDC-BIMSB und stellvertretende Programmsprecherin des Max Delbrück Center. Der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis ist die höchste wissenschaftliche Auszeichnung in Deutschland und ist mit 2,5 Millionen Euro dotiert.

Ana Pombo (links) und Maria-Elena Torres-Padilla (rechts) erhalten den wichtigsten Förderpreis Deutschlands 2025. Bild (vlnr.): Pablo Castagnola/Max Delbrück Center; Petra Nehmeyer/Helmholtz Munich

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