Weltraumfahrstuhl
"Umlaufbahn, alle aussteigen!"
Schon Arthur C. Clarke und andere Science-Fiction-Autoren stellten sich vor, wie es wäre, Erdenbürger per Fahrstuhl direkt in den Weltraum sausen zu lassen. Dieser Einfall ist nur halb so verrückt wie er klingt: Verschiedene Firmen und Forschungsinstitute in den USA arbeiten bereits an der Entwicklung eines solchen Aufzugs und sind nicht weit davon entfernt, aus Fiction Science zu machen
Noch sind vertikal startende Raketen die einzige Möglichkeiten, Menschen oder Gerät in den Weltraum zu bekommen. Doch sie sind unwirtschaftlich: Ein Großteil ihrer Masse geht für Treibstoff drauf. Je mehr Treibstoff, desto schwerer - und desto schwerer, desto teurer der Flug ins All. Wie schön wäre es, einfach in einen Lift steigen und den entsprechenden Knopf drücken zu können? Erster Stock – Erdumlaufbahn. Verglichen mit Raketen wären so viel sanftere und sicherere Starts sowie Landungen möglich.
Bei einem solchen Aufzug wäre eine Bodenstation durch ein langes, starkes Band mit einem Gegengewicht in der Erdumlaufbahn verbunden. Die Fliehkraft des um die Erde rotierenden Gegengewichts spannt das Band. Da dieses Verbindungsband selbst um die 800 Tonnen wöge, dürfte der Klettermotor nicht wesentlich mehr als 20 Tonnen schwer sein. Andernfalls würden die irdischen Teile der Apparatur das Gegengewicht im All auf die Erde ziehen. Anders als beim Hochhausbau findet der Aufbau des System nicht vom Erdboden statt, sondern aus der Umlaufbahn: Ein geostationärer Satellit lässt aus 36.000 Kilometern Höhe das Fahrstuhlseil zur Erde herab. Ist diese Grundstruktur einmal errichtet, könnten Roboter nach oben klettern und das Band auseinander ziehen und spannen. Je breiter es ist, desto stärker wird es. Und je stärker es ist, desto schwerere Lasten kann es tragen. Fertig ist der Weltraumfahrstuhl.
Eine neue Raumfahrt: Tarzan im All
Der Erdorbit ist Brad Edwards und seiner Firma Carbon Design jedoch als endgültiges Ziel des Weltraumlifts zu wenig. Er will noch höher hinaus: “Es funktioniert wie eine Schleuder“, schildert Edwards das Prinzip eines Weltraumfahrstuhls. „Stellen Sie sich einen Ball an einem Seil vor, den Sie im Kreis schleudern.“ Wird der Ball losgelassen, fliegt er quer durch den Raum. Würde man eine Kabine im richtigen Augenblick vom Aufzug lösen, würde sie mit hoher Geschwindigkeit Richtung Mond oder Mars fliegen. Der Aufstieg von der Erde bis zum Orbit der Internationalen Raumstation (ISS) in etwa 400 Kilometern Höhe würde ein paar Stunden dauern. Bis zur geostationären Umlaufbahn in 36.000 Kilometern Entfernung dauert es rund acht Tage. Dort losgelassen könnte ein Raumschiff wie an Lianen durchs Sonnensystem geschleudert und an anderen Himmelskörpern wieder eingefangen werden.
Schon seit mehr als einer Dekade liebäugelt auch die amerikanische Firma LiftPort mit dieser Idee. Realisieren will sie sie nun nicht in der Erd- sondern in der Mondumlaufbahn. „Bis 2019 wollen wir einen Weltraumfahrstuhl in Mondnähe bauen“, so das ehrgeizige Ziel von Firmenchef Michael Laine. Von einem Punkt des Mondorbits aus könnten dann Lasten hinunter auf die Mondoberfläche und Bodenproben hinauf transportiert werden. Astronauten würden sie dann quasi im Vorbeiflug einsammeln und müssten nicht selbst das Risiko von Landung und Wiederaufstieg auf sich nehmen. Dieses Prinzip ließe sich neben Mond und Erde später auch auf den Mars erweitern.
Tausende Kilometer lange Nano-Technologie
Dass diese hochfliegenden Pläne einiger Firmen geerdet sind, dafür sorgen derzeit Forschungseinrichtungen wie das NanoTech Institute der University of Texas in Dallas. „Die Seile für solch einen Aufzug müssen mehrere Tausend Kilometer lang und entsprechend stabil sein“, weiß Ray Baughman, der Leiter des Instituts. Er experimentiert dort derzeit mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen, winzigen Zylindern aus Karbon. Diese Röhrchen sind unglaublich starkund halten Kräfte von bis zu 50 Gigapascal aus. Das entspricht etwa dem 500.000-fachen Druck der Erdatmosphäre. Unter solchen Bedingungen verwandelt sich Kohlenstoff in Diamant. Dem Team aus Texas ist es gelungen, die Kohlenstoffröhrchen miteinander zu verknüpfen, wie Garn, das auf eine Spindel gesponnen wird. „Nun müssen wir noch für die entsprechende Stabilität sorgen – dann könnte man sie wirklich für einen Lift ins All verwenden“, prophezeit der US-Chemiker. Doch bislang ist das Material für das Fahrstuhlseil noch die größte technische Hürde des Weltraumaufzugs.
Einmal in Betrieb, wären die Einsatzmöglichkeiten für solch einen Fahrstuhl quasi unbegrenzt. „Wir könnten größere Raumstationen bauen als die ISS“, sagt Michael Laine von LiftPort, „ausgestattet mit immensen Solarpanelen von mehreren Kilometern Länge.“ Die Sonnenzellenausleger würden im All unbegrenzt Sonnenenergie einfangen und zur Erde beamen. Auch ließen sich große Weltraumteleskope oder Erdbeobachtungsplattformen von enormen Ausmaßen bauen. Auf ihnen wären Kameras installiert oder Möglichkeiten zur Datenübertragung für Handys und Internet. „Wir wollen mit dem Bau eines solchen Systems also auch Geld verdienen“, so Laine. Und gute Aussichten auf wirtschaftlichen Gewinn haben den technischen Fortschritt bekanntlich noch nie behindert.
Weitere Informationen zum Weltraumfahrtstuhl gibt es im Raumzeit-Podcast.
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