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Therapie vom Meeresgrund

Deniz Tasdemir leitet die Forschungseinheit Marine Naturstoffchemie. Foto: Andreas Villwock, GEOMAR
Deniz Tasdemir ist schon viel herumgekommen auf der Welt. In Kiel am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung fühlt sie sich ihrem wichtigsten Ziel besonders nahe: Sie forscht an Naturstoffen aus dem Meer, die in Zukunft Patienten heilen sollen.
Bei der Helmholtz-Rekrutierungsinitiative „Exzellenz Professuren für Wissenschaftlerinnen“ konnte sich Deniz Tasdemir durchsetzen und die Professur am GEOMAR antreten, wo sie heute die neu eingerichtete Forschungseinheit Marine Naturstoffchemie am GEOMAR leitet. „Für mich war es entscheidend, dass GEOMAR hervorragende Möglichkeiten bietet, an Meereslebewesen in Küstennähe und in der Tiefsee heranzukommen. Denn für meine Forschung brauche ich Forschungsschiffe, Tauchroboter und Forschungstauchboote.“ Besonders die Tiefsee fasziniert sie. „Neue Verbindungen aus Tieren und Sediment-Bakterien aus der Tiefsee zu suchen, bildet einen meiner Forschungsschwerpunkte. Da diese Organismen am Meeresgrund nur schwer zu erreichen sind, ist bisher auch nur wenig über sie bekannt. Menschen können bis in solche Tiefen nicht tauchen und deshalb sind die Forscher auf Tauchboote und Roboter angewiesen, um die Tiefseeorganismen zu sammeln.
"JAGO" ist ein bemanntes Unterwasserfahrzeug. Foto: JAGO-Team / GEOMAR
Marine Naturstoffe sind Substanzen, die eine entscheidende Rolle in den komplexen, konkurrenzreichen Lebensräumen der Meere spielen. Sie sorgen für die chemische Kommunikation zwischen Organismen, kommen aber auch bei der Jagd, als chemische Waffe gegen Angreifer, oder als Schutz vor schädlicher UV-Strahlung zum Einsatz. Naturstoffe aus Algen und wirbellosen Meerestieren sowie aus Mikroorganismen, welche mit diesen in Symbiose leben, werden erst seit kurzem erforscht, dies aber mit großem Erfolg. Sieben solcher Substanzen sind bereits in Kliniken im Einsatz und viele werden in klinischen Studien geprüft.
Die Anwendungsmöglichkeiten mariner Naturstoffe sind genauso vielfältig wie die Lebensformen und Umgebungen, in denen sie vorkommen. „Das Meer ist bisher eine kaum genutzte Quelle für Substanzen für neue Medikamente, Nahrungszusätze, Kosmetika oder sogar Frostschutzmittel“, sagt Tasdemir. Ihr ist vor allem der pharmakologische Aspekt wichtig: „Vergangenes Jahr habe ich meine Mutter an Krebs verloren. Mein großes Ziel ist es daher, in der Tiefsee neue Mittel gegen Krebs und medikamentenresistente Infektionskrankheiten zu finden; zwei der großen Herausforderungen des Jahrhunderts.“
„Der Wettbewerb in der Helmholtz-Rekrutierungsinitiative hat mir bewusst gemacht, dass ich mich in Mitteleuropa zu Hause fühle.“ Sie lebt gerne in Kiel. Nachdem sie schon in verschiedenen anderen Städten wie Ankara, Zürich, Salt Lake City (USA), London und Galway (Irland) gelebt hat, hat Kiel für sie genau die richtige Größe. Manchmal wünscht sie sich, dass einige Geschäfte auch sonntags geöffnet hätten. Davon abgesehen fühlt sie sich aber sehr wohl: „Was ich in Deutschland zu schätzen gelernt habe, ist die klare und direkte, aber dennoch höfliche Art der Menschen.“ Besonders genießt sie das deutsche Brot und wie leicht man an gutes türkisches Essen kommt.
Deniz Tasdemir ist stolz, Teil des GEOMAR und der Helmholtz-Familie zu sein. Zu ihrem Glück fehlt nur noch, dass ihr Mann, ein deutscher Architekt und Akademiker, endlich in ihre Nähe zieht: „Wir verbrachten zwei Drittel unserer Ehe mit Arbeit in verschiedenen Ländern. Ich träume von einem großen Urlaub mit unseren beiden Familien am Mittelmeer. Das wäre sehr laut, aber auch sehr lustig!“
Internationales am GEOMAR
Das GEOMAR DokTeam vertritt die Interessen aller Doktoranden am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.
Zum Thema Beruf und Familie bietet GEOMAR zusammen mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel spezielle Betreuungsangebote an.
Die Universität Kiel unterstütz durch das International Center (IC) auch neu ankommende Professoren.
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