Serie zum Quantenjahr 2025
Teil #03: Herausforderung Quantencomputing oder die Kunst, mit Fausthandschuhen Tischtennisbälle zu jonglieren

Quantencomputer sollen künftig Aufgaben lösen, die mit herkömmlichen Rechnern so nicht zu bewältigen sind. Ioan Pop, Quantenphysiker und Professor am Karlsruher Institut für Technologie, erläutert, wie Quantencomputer funktionieren und welche Hürden bei Konstruktion und Betrieb zu bewältigen sind.
Wenngleich unsere klassischen Vorstellungen von den Zuständen im Mikrokosmos versagen, schaffen es Heisenberg und Schrödinger im Rahmen ihrer Quantenmechanik, diese Zustände formal zu beschreiben. Lange Zeit war die Forschung auf die indirekte Vermessung solcher Quantenzustände beschränkt. Inzwischen lassen sich diese Quantenzustände kohärent manipulieren und beobachten, ohne dass sie zerstört werden. Das geschieht zum Beispiel in einem Quantencomputer. Wie ist das zu verstehen und worin besteht der Unterschied zu konventionellen Computern?
„Die digitale Datenverarbeitung von konventionellen Rechnern basiert auf Binärzahlen, die durch Aneinanderreihung von kleinsten Informationseinheiten, den Binary Digits (kurz Bits) dargestellt werden“, erklärt der Quantenphysiker Ioan Pop vom KIT. „Ein solches Bit kennt nur zwei Zustände: ‚Null‘ oder ‚Eins‘.“ Ihre logische Zusammenschaltung ermöglicht Kalkulationen entlang von Handlungsanweisungen, den Algorithmen. Ein Quantencomputer funktioniert im Prinzip ähnlich. Doch im Gegensatz zu den Bits eines konventionellen Computers verwendet der Quantencomputer als kleinste Informationseinheit das sogenannte Quantenbit (Qubit). „Das erlaubt die quantenmechanische Überlagerung der Zustände ‚Null‘ und ‚Eins‘“, erklärt Ioan Pop. Vergleichbar ist das für Pop mit dem Wurf einer rotierenden Münze in die Luft, bei dem sich die Zustände der Münze mit Kopf oben und Zahl unten beziehungsweise Kopf unten und Zahl oben gewissermaßen überlagern, während die Münze in der Luft schwebt und sich weiterdreht. Diese Überlagerung der Zustände wird in der Quantenmechanik als Superposition bezeichnet. Im Quantencomputer lassen sich Qubits aber nicht nur überlagern, sondern auch miteinander verschränken. Als würden nun mehrere rotierende Münzen in die Luft geworfen und miteinander gekoppelt. »Mit vier Bits lässt sich in einem Computer genau eine natürliche Zahl zwischen 0 und 15 darstellen. Mit vier Qubits dagegen sind alle 16 Zahlen parallel darstellbar.«
Der große Vorteil des Quantencomputings gegenüber konventionellen Computersystemen zeigt sich für Pop deshalb vor allem in der drastischen Verkürzung der Rechenzeiten im Fall spezieller Algorithmen. Als ein Beispiel führt Ioan Pop den ‚Shor‘-Algorithmus an, der es ermöglicht, die Teiler von zusammengesetzten Zahlen zu ermitteln. „Dieser Algorithmus spielt in der Verschlüsselung der modernen elektronischen Kommunikation eine herausragende Rolle.“ Genutzt von einem Quantencomputer stellt er in der Kryptographie quasi einen Universalschlüssel dar. Entsprechend groß ist das internationale Interesse an der praktischen Anwendung. Aber auch in der Grundlagenforschung, zum Beispiel bei der Modellierung von fundamentalen chemischen Prozessen auf Quantenebene, bieten sich Ioan Pop zufolge durch das Quantencomputing völlig neue Möglichkeiten für die Forschung.
Trotz der spannenden Anwendungen ist es laut Pop diese ungebrochene Faszination an der Quantenmechanik von Heisenberg und Schrödinger, die den Großteil der Forscherinnen und Forscher zum Quantencomputing zieht. „Diese reine Neugierde, quantenmechanische Systeme zu realisieren, zu manipulieren und damit Ergebnisse zu erzielen, die sich einem intuitiv nicht ohne Weiteres erschließen“, sagt Pop begeistert. „Was passiert da eigentlich genau? Wie funktioniert die Natur? Was geschieht hinter dem quantenmechanischen Vorhang?“
Nur solange dieser magische Vorhang der Quantenmechanik geschlossen bleibt, liegt in einem quantenmechanischen System Kohärenz vor. Schon bei der kleinsten äußeren Störung, bei der kleinsten Inaugenscheinnahme des Systems bricht die Überlagerung der Quantenzustände zusammen, kommt es zur sogenannten Dekohärenz des quantenmechanischen Systems, gefriert es zu einem klassischen System aus. „Das stellt auch die größte technische Hürde beim Quantencomputing dar – die Erhaltung der Quantenkohärenz.“ Insofern ist für Ioan Pop eigentlich nicht die oft beschworene Anzahl von Qubits eines Quantencomputers als Erfolgsindikator entscheidend, sondern vielmehr, wie lange sich die Dekohärenz in dem Quantencomputer verhindern lässt. „Die Herausforderung besteht darin, die Qubits so zu koppeln und zu kontrollieren, dass sie über ausreichend lange Zeit kohärent bleiben und zuverlässige Operationen zulassen.“ Als müsste man Tischtennisbälle mit Lederfäustlingen jonglieren.
„Es gibt unterschiedliche Ansätze, Qubits zu realisieren.“ Pop und seine Arbeitsgruppe am KIT konzentrieren sich auf supraleitende Quantenschaltkreise. Ein Qubit besteht in diesem Fall aus einer Anordnung bestimmter Atome, die sich bei sehr niedrigen Temperaturen ähnlich wie ein einzelnes Atom verhalten. Für ein funktionierendes und qualitativ hochwertiges Quantencomputersystem muss das fragile Qubit in die Hardware eines Computersystems integriert werden. Es gilt also, die Quantenzustände extrem gut von der natürlichen Umgebung zu isolieren, andererseits klassische Prozesse daran auszuführen – Schrödingers Katze quasi zu streicheln, ohne zu wissen, ob sie lebt oder tot ist.
„Die ersten Prototypen mit einer kleinen Anzahl von Qubits sind bereits verfügbar“, erklärt Pop nicht ohne Stolz. Wir arbeiten dabei eng mit den Kolleginnen und Kollegen am Forschungszentrum Jülich zusammen, die sich auf einen ähnlichen Ansatz aus supraleitenden Quantenschaltkreise konzentrieren. „Aufgrund der Komplexität des Quantencomputers ist es entscheidend, dass interdisziplinäre Expertisen zusammenkommen.“ So zum Beispiel beim deutschen Projekt Qsolid, an dem neben dem Forschungszentrum Jülich und dem KIT insgesamt 26 Partner aus Forschung und Industrie beteiligt sind, und für das Ioan Pop die Aktivitäten des KIT koordiniert. Ende 2024 konnte bereits der erste Prototyp mit zehn Qubits in Betrieb genommen werden. In den kommenden Jahren soll das System weiter ausgebaut und in die bestehende Jülicher Supercomputer-Umgebung integriert werden für die Nutzung in Industrie und Forschung.
Fest steht: Die Quanten bereiten uns noch viele Überraschungen – auch in dieser Reihe, bleiben Sie dran!
Infografik:
Infografik: Franziska Roeder/Helmholtz
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