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Portrait

Technik folgt Natur

Portraitfoto von Francesca M. Toma

Francesca M. Toma. Foto: Hereon/ Marcel Schwickerath

Die italienisch-amerikanische Biophysikerin Francesca Toma nimmt sich die Photosynthese in Blättern zum Vorbild, um Wasserstoff umweltfreundlich herzustellen. Jetzt übernimmt sie in Teltow nahe Berlin die Leitung eines Instituts des Helmholtz-Zentrums Hereon.

Die Espressomaschine, die in die Handtasche passt, war vor ein paar Jahren ein Geschenk der Familie. Francesca Toma nimmt sie seitdem zu jeder wissenschaftlichen Konferenz mit. „Das Espressokapseln habe ich auch dabei, heißes Wasser gibt’s vor Ort“, sagt sie – und schmunzelt darüber, wie schnell sich jedes Mal Kollegen um sie scharen, die auch keine Lust auf den obligatorischen Filterkaffee vom Buffet haben. Klischee hin oder her: „Der gute Espresso ist ein Stück Italien, das ich immer dabei habe“, sagt sie, „das war in den USA so und das behalte ich auch jetzt in Deutschland bei!“

Eigentlich aber ist die Biophysikerin inzwischen mindestens so stark durch die USA geprägt wie durch Italien: Im Berkeley Lab und einigen anderen der berühmtesten Einrichtungen in Kalifornien forschte sie mehr als ein Jahrzehnt lang, dort erzielte sie ihre größten Durchbrüche auf der Suche danach, wie sich Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht spalten lässt – ähnlich wie bei der Photosynthese. Dabei ist die umweltfreundliche Erzeugung von Wasserstoff das Ziel. Viele Ideen hat sie gesammelt, viel näher ist sie dem Ziel gekommen – und jetzt, als neue Leiterin des Instituts für funktionale Materialien für Nachhaltigkeit am Helmholtz-Zentrum Hereon, will sie den Blick nochmals weiten: Um den Herausforderungen der Klimakrise zu begegnen, will sie Wasserstoff-, Klima- und Materialforschung miteinander kombinieren. Und dafür ist das Helmholtz-Zentrum Hereon der ideale Ort, denn hier wird sehr interdisziplinär nach Ansätzen für mehr Nachhaltigkeit gesucht: Küsten-, Klima- und Materialforschung gehen hier Hand in Hand.Dabei hätte sich ihre Laufbahn vielleicht ganz anders entwickelt, wenn Francesca Toma gut malen könnte. In der Nähe von Venedig, wo sie aufwuchs, musste sie sich mit 13 Jahren für eine weiterführende Schule entscheiden. „Ich bin so schlecht im Malen und Zeichnen“, sagt sie und lacht, „dass ich mich für eine Schule ohne obligatorischen praktischen Kunstunterricht entschieden habe.“ Stattdessen entdeckte sie die Chemie für sich. Und als sie sich viele Jahre später bei der Doktorarbeit mit der Frage beschäftigte, wie sich die Wirkstoff-Verteilung im Körper bei Krebstherapien verbessern lässt, bekam sie zum ersten Mal tiefere Einblicke in den Bereich der Biophysik. Sie war gleich fasziniert und entschied sich, dabei zu bleiben: „Ich bin einfach ein neugieriger Mensch – und ich habe keine Angst davor, neue Dinge zu lernen“, sagt sie im Rückblick. Bis in die USA brachte sie diese Neugier, dort bekam sie als PostDoc die Chance, ihr Wissen in der Materialforschung anzuwenden – in einem Forschungslabor, das sich mit der künstlichen Photosynthese beschäftigte.

Für Francesca Toma entpuppte sich das als perfektes Thema. Fachlich konnte sie ihre bisherigen Erfahrungen einbringen, und inhaltlich lockte sie die Möglichkeit, etwas zum Energiesystem der Zukunft beizutragen. „Seit den 1970er Jahren wird an der künstlichen Photosynthese gearbeitet, damals war das noch reine Grundlagenforschung“, erzählt sie. Die besondere Herausforderung: „In jedem Blatt eines Baumes laufen Prozesse ab, für die wir mehrere Schritte brauchen, um sie nachzubilden. Das geht mit der Katalyse los, dazu kommen die Licht-Absorption und alle die Schnittstellen, die es dazwischen gibt.“ Stück für Stück biss sie sich in das Thema hinein und erzielte wichtige Durchbrüche: bei der Korrosion der verwendeten Materialien zum Beispiel, „das Thema galt als furchtbar langweilig, aber es ist entscheidend, wenn man Lösungen sucht, die zugleich haltbar und nachhaltig sind.“

Als neulich der Container ankam, der den Hausstand ihrer Familie von Kalifornien nach Berlin brachte, wurde Francesca Toma endgültig klar, dass nach mehr als einem Jahrzehnt ein neues Kapitel anbricht. Ihre beiden Töchter, die in den USA zur Welt kamen, haben schon einen Platz in der Berliner Schule gefunden, und ihr Mann – auch er ein italienisch-amerikanischer Wissenschaftler, der aber jetzt in der freien Wirtschaft arbeitet – ist ebenfalls mit nach Europa gekommen. Und in der Arbeit? Mit ihrem Amtsantritt hat Francesca Toma das „Institut für Photoelektrochemie“ umbenannt in „Institut für funktionale Materialien für Nachhaltigkeit“. Ihr Ziel: Im Sinne der Kreislaufwirtschaft nachhaltige Materialien für eine klimafreundlichere Welt entwickeln. An ihrem Institut leitet sie nun die Forschung im Bereich der Materialsynthese, -charakterisierung und -integration, die sich auf verschiedene Anwendungen konzentriert, wie z. B. (photo)katalytische Systeme für die Erzeugung von Wasserstoff und die Kohlenstofffixierung sowie die biologische Bewertung von Materialien. Sie ist fest entschlossen, die nachhaltige Entwicklung unserer Gesellschaft zu ermöglichen.

Zunächst aber lernt sie Deutschland von Grund auf kennen: „Vorher war ich als Touristin in München und Heidelberg“, sagt sie lachend, „jetzt reise ich von Berlin, wo mein Institut seinen Sitz hat, regelmäßig nach Hamburg, wo meine Professur ist, nach Geesthacht an die Zentrale von Hereon und zu Konferenzen in weitere Städte, die ich noch nicht kenne.“ Immer mit dabei: ihre mobile Kaffeemaschine – das kleine Stückchen Heimat, das sie auf ihren Reisen durch die Welt stets begleitet.

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