HELMHOLTZ Extrem
Rasterfahndung nach einem Protein
Auf der Suche nach einer Therapie für das Erbleiden Chorea Huntington beweist ein Forscherteam am Berliner Max-Delbrück-Centrum kriminalistischen Spürsinn.
Ausgeprägten Spürsinn hat jüngst ein Forscherteam am Berliner Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin bewiesen. Sein Thema: das Erbleiden Chorea Huntington. Gemeinhin als „Veitstanz“ bekannt, führt die Krankheit zu Bewegungsstörungen, Demenz und frühem Tod. Ihr zugrunde liegt ein mutiertes Gen, das den Bauplan des Proteins Huntingtin durcheinander bringt. Dies faltet sich daraufhin so exzessiv, dass es verklumpt und Nervenzellen im Endhirn beschädigt. Bislang ist nicht bekannt, was sich dagegen tun lässt. Glücklicherweise jedoch sind Proteine keine Einzeltäter, jedes ist Teil eines Netzwerks voller Wechselwirkungen. Gibt es, fragten sich die Berliner Forscher, unter den Proteinen, die mit Huntingtin in Beziehung stehen, eines, das dem amoklaufenden Co-Eiweiß Paroli bieten kann?
Die Annäherung an den winzigen Unbekannten verlief hochkriminalistisch: Einkreisung mittels Rasterfahndung war für die Forscher um Schrödinger-Preisträger Erich Wanker die Methode der Wahl. Aus biomedizinischen Datenbanken trugen sie mehr als 500 Proteine zusammen, die mit Huntingtin interagieren. Dann filterten sie jene heraus, die im Gehirn aktiv sind, dann wiederum solche, die in den betroffenen Hirnregionen anzutreffen sind. Und tatsächlich: Unter den verbliebenen 13 Proteinen war eines, das dem fatalen Verklumpen des Huntingtin entgegenwirkt. Erste Laborversuche mit CRMP1 – so der Name des wohltätigen Gegenspielers – untermauern den Befund. Heilen lässt sich Chorea Huntington deswegen noch nicht, doch Biotechnologe Wanker ist sich sicher: „Die klinische Praxis von morgen beruht auf den molekularbiologischen Erkenntnissen von heute.“
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