Serie Gründerportraits
Organe in Miniaturformat
Organ-Chips könnten die Entwicklungskosten für Medikamente senken und viele Tierversuche einsparen. Nach den Plänen des Spin-off-Projektes vasQlab sollen die Chips in nicht allzu ferner Zukunft praxisreif sein.
Die Pralinenhersteller waren schon dran, die Leute von der Partnerbörse auch. Jetzt betritt eine Chemikerin die Bühne. Ebenso wie ihre Konkurrenten hat sie drei Minuten Zeit, um die Juroren im Saal für ihre Geschäftsidee zu gewinnen. Ihr Thema ist eher spröde, es geht um einen High-Tech-Chip für die medizinische Forschung. Doch die Wissenschaftlerin kann ihre Erfindung gut erklären und auch mit ihren Zukunftsplänen punktet sie bei der Jury. Nach ihr werden noch mehrere schöne, alltagstaugliche Ideen vorgestellt. Am Ende aber setzt sich die Chemikerin durch und erringt den ersten Platz.
"Das war der Durchbruch", sagt Ute Schepers, wenn sie die Geschichte von ihrem Sieg bei einem Vorentscheid des "Elevator Pitch BW" erzählt. Das Land Baden-Württemberg richtet den Wettbewerb aus, um Firmengründer und Investoren zusammenzubringen. Die Jungunternehmer sind aufgefordert, sich auf der Bühne so ins Zeug legen, wie sie es bei einem zufälligen Zusammentreffen mit einem Kapitalgeber im Aufzug (englisch: elevator) vielleicht tun würden.
In ihren drei Minuten hatte Ute Schepers den Nutzen des neuen Produkts herausgearbeitet. Ihre Chips, auf denen menschliche Organe in Miniaturform wachsen, könnten nämlich die immensen Entwicklungskosten für neue Arzneistoffe stark verbilligen und viele Tierversuche einsparen (siehe Kasten). Und in nicht allzu ferner Zukunft prüft vielleicht schon jeder Arzt an Organ-Chips seiner Patienten, welche Medikamente ihnen am besten helfen könnten.
Ihren Erfolg im Vorentscheid konnte Ute Schepers im vergangenen Sommer beim Landesfinale in Stuttgart nicht mehr wiederholen. Und doch hat sich ihr Einsatz gelohnt: "Wir hatten ein großes Medienecho und danach eine Menge Anfragen von Investoren", berichtet die Professorin am Institut für Toxikologie und Genetik des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT). Außerdem habe das gute Abschneiden beim Elevator Pitch eine Gruppe konkurrierender Wissenschaftler aus dem Feld geschlagen. Ute Schepers: "Jetzt ist klar, dass wir vorn liegen."
Wenn die Chemikerin von "wir" spricht, meint sie das siebenköpfige Kernteam von vasQlab. So heißt das kleine Spin-off-Projekt, das sie vor zwei Jahren ins Leben rief - zusammen mit ihrem Kollegen Stefan Giselbrecht, der seit seinem Wechsel an die Universität Maastricht allerdings nicht mehr dabei ist. Inzwischen sind zwei promovierte Mitarbeiter, drei Doktoranden und ein Techniker im vasQlab-Projektteam beschäftigt. Ein Geschäftsführer werde gerade gesucht, berichtet Ute Schepers.
Noch finanziert sich das Gründungsvorhaben durch eingeworbene Fördermittel, etwa aus dem Programm Helmholtz-Enterprise. Um das patentierte Produkt weiterzuentwickeln seien jedoch größere Summen notwendig, sagt Schepers. Sie will in den nächsten Monaten eine GmbH gründen, anschließend deren Wert durch kleinere Projekte erhöhen und später Investoren mit Millionenbeträgen beteiligen.
Künftige Kapitalgeber werden es mit einer versierten Geschäftspartnerin zu tun haben. Denn Ute Schepers hat aus einer früheren Firmengründung ihres Mannes - auch er ist Chemieprofessor am KIT - einiges gelernt. Um allzu große Abhängigkeiten von Investoren zu vermeiden, soll vasQlab nach dem Willen der Gründerin schnell ein profitables Produkt auf den Markt bringen.Wie sehr es dabei auf persönliche Leistung ankommt, weiß Ute Schepers seit ihrer Zeit in einem Fast-Food-Restaurant. Im ersten Studienjahr an der Universität Bonn stand sie fast jedes Wochenende am Grill und briet Hamburger, dann arbeitete sie sich allmählich hoch und beendete ihre Karriere in der Promotionsphase als Assistentin der Geschäftsführung. "Wer so lange Burger gebraten hat, kann etwas aushalten", sagt die Chemieprofessorin rückblickend, "für mich war das im späteren Leben immer eine hervorragende Referenz".
Bis heute schultert die Endvierzigerin ein beachtliches Pensum. Bis zu sechzig Stunden sei sie pro Woche mit Forschung, Lehre und Firma beschäftigt, sagt Ute Schepers - und fügt sofort hinzu: "Zum Glück gibt es am KIT eine hervorragende Kinderbetreuung." Ihr fünfjähriger Sohn wird dort versorgt, bis ihn nachmittags eine Kinderfrau abholt und nach Hause bringt. Am Wochenende setzt sich die kleine Familie ins Auto und fährt nach Troisdorf - ins andere Zuhause. In der Stadt nahe Bonn haben Ute Schepers und ihr Mann vor Jahren gebaut und dort, unter Verwandten und Freunden, fühlen sie sich heimisch. Am Sonntagabend geht's dann zurück nach Karlsruhe - und wieder hinein in eine prallvolle Woche.
Körper im Miniaturformat
Sogenannte Organ-Chips werden weltweit entwickelt. Die ersten Produkte kommen derzeit auf den Markt, darunter Chips für Leber, Lunge und Herz. Künftig könnte es einen Chip geben, der alle Organe eines Menschen versammelt - einen sogenannten Body-on-a-chip.
Bei der Herstellung werden menschliche Zellen in mehreren Schichten auf eine kleine Kunststoffplatte aufgebracht. Die Kunst dabei ist, ausgewählte Zellen räumlich optimal anzuordnen. Wenn das gelingt, schütten die Zellen Wachstumsfaktoren aus und fangen an, sich so wie im Körper zu arrangieren und zu verhalten. Nach wenigen Tagen sind kleine Zellkolonien entstanden, die wie Organe im Kleinformat funktionieren können. Ernährt werden die Miniaturorgane durch künstliches Blut, das mithilfe mikrofluidischer Techniken durch winzige Kanäle geleitet wird.
Der Organchip von vasQlab ist sechs Zentimeter lang und 2,5 Zentimeter breit. Auf ihm befinden sich derzeit vier Kanäle. Das System wird weiter verkleinert, um mehr Zellen und Kanäle unterzubringen. Die Zellen werden Schicht für Schicht mit einem 3-D-Drucker aufgebracht. Der Chip von vasQlab vereint verschiedene Organe und ist mit rund 10 Euro besonders günstig in der Herstellung. Tierversuche führen nicht selten zu falschen Bewertungen, weil Mäuse, Ratten oder Hunde einen anderen Stoffwechsel als Menschen haben. Auch deshalb könnten Organ-Chips mit menschlichen Geweben die bessere Option bei der Entwicklung neuer Medikamente sein.
Mit dem Instrument Helmholtz Enterprise unterstützt die Helmholtz-Gemeinschaft seit nunmehr zehn Jahren gezielt Ausgründungen aus den Zentren. In dieser Serie stellen wir Unternehmen vor, die in dieser Zeit von dem Instrument profitieren konnten.
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