Standpunkt
Optionen für die Kernfusion
Die Frage nach den nächsten Schritten zur Kernfusionsenergie wird auch in der Helmholtz-Gemeinschaft gerade heiß diskutiert. Wim Leemans ist Experte für Laser-Plasmabeschleunigung und Vorsitzender der Helmholtz-Taskforce „Laserbasierte Fusionsforschung“. Hier nimmt er Stellung zu den vorhandenen Strategien und Konzepten, erläutert, weshalb es trotz aktueller Erfolge auch weiterhin eines kühlen Kopfs und langen Atems bedarf, und wie Helmholtz zur Bewältigung der bestehenden Herausforderungen bei der Energiewende beitragen kann.
Fest steht: Die Kernfusion wird in Deutschland als bedeutendes Element eines künftigen Portfolios der erneuerbaren Energieversorgung angesehen und ist für die Erreichung der Ziele der Energiewende sowie die Sicherung Europas als Hochtechnologiestandort von herausragender strategischer Bedeutung.
Das am weitesten entwickelte Konzept zur Kernfusionsenergie beruht auf dem magnetischen Einschluss heißer Plasmen, was anhand zweier unterschiedlicher Ansätze realisiert werden kann: durch Tokamak oder Stellerator. Die darauf aufbauenden Experimente gelangen bereits nahe an Bedingungen, wie sie zur Freisetzung von Energie aus einem Plasma notwendig sind. Weltweit führend in der Entwicklung von Stelleratoren ist der Wendelstein 7-X in Greifswald. Bei dieser Anlage sind wesentliche Technologien, die für ein Kraftwerk relevant sind, bereits integriert. Eine darauf basierende alltagstaugliche Kraftwerkstechnologie kann voraussichtlich in den nächsten zwei Jahrzehnten zur Verfügung stehen. Die erforderlichen Mittel auf dem Weg dahin umfassen über diesen Zeitraum etwa eine Milliarde Euro pro Jahr.
Im Bereich der lasergestützten Kernfusion wurde kürzlich erstmals erfolgreich die Zündung demonstriert: In mindestens zwei separaten Versuchen am Lawrence Livermore National Laboratory in den USA brachten hochenergetische Laserpulse ein Pellet zur Zündung. Dabei wurde mehr Energie erzeugt als dem Pellet an Laserenergie zugeführt wurde. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei diesen Versuchen in die Laseranlage selbst das Hundertfache an Energie gesteckt werden musste. Zudem konnte bisher nur jeweils ein Schuss am Tag abgefeuert werden. Für ein Fusionskraftwerk wären aber Millionen Schüsse pro Tag notwendig. Überdies müssen vor der eigentlichen Entwicklung eines kraftwerksreifen Konzepts noch wesentliche Zwischenziele erreicht werden. Mit anderen Worten: Es ist noch sehr viel Grundlagenforschung nötig, um die lasergestützte Kernfusion als alltagstaugliche Kraftwerkstechnologie einsetzbar zu machen. Dennoch kann eine Verfolgung dieses Konzepts sehr viel Mehrwert schaffen, sowohl im Bereich der Fusionsforschung wie auch darüber hinaus.
Dabei kann Helmholtz einen wirksamen Beitrag leisten – unter anderem im Gebiet der Physik der hohen Energiedichte und auch in der Erforschung der Laser-Plasma-Wechselwirkung, die für die Entwicklung kompakter plasmabasierter Beschleuniger eine wesentliche Rolle spielt. Darüber hinaus kann Helmholtz vielfältige Kernkompetenzen in das Forschungsfeld einbringen: von Modellierungs- und Simulationsaktivitäten auf Hochleistungsrechnern, wie sie für die Plasmaphysik genutzt werden, bis hin zu einem breiten Spektrum der Materialforschung, wovon auch die magnetbasierte Fusionsforschung profitiert.
Dafür sind allerdings zusätzliche Ressourcen erforderlich. Wir brauchen Investitionen in Hochleistungslaser-Anlagen, die ein wesentliches Element bei der Entwicklung von Laser-Plasmabeschleunigern darstellen. Wir brauchen Partnerschaften, beispielsweise mit der Fraunhofer-Gesellschaft und der Industrie, denn sie bieten große Chancen für die Technologieentwicklung. Es müssen aber auch neue Exzellenzzentren geschaffen werden, weil sie eine koordinierende Rolle bei der Beantwortung grundlegender Fragen zur Fusionsforschung spielen. Und wir müssen in den Nachwuchs investieren, denn nur mit dem Nachwuchs können wir die Zukunft gestalten.
Diskussionspapier der Helmholtz-Taskforce „Laserbasierte Fusionsforschung“ (PDF)
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