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Portrait

No Computing, no Science

Foto: Rainer Mersmann

Volker Gülzow ist als Leiter der Zentralen IT am Deutschen Elektronen-Synchroton Herr über schier unendliche Datenmengen. Ohne ihn und seine Kollegen geht in der modernen Wissenschaft nichts mehr

Erst vor ein paar Tagen ist Volker Gülzow von einem Segeltrip zurückgekehrt. Gut zwei Wochen war er mit seinem Schiff unterwegs - von Hamburg hoch in die dänische Inselwelt und wieder zurück nach Hause. "Nach monatelanger Arbeit an Forschungsanträgen war es ein herrlicher Urlaub mit viel Sonne, Ruhe und Erholung", schwärmt der Mathematiker und freut sich schon auf die nächste große Sommerreise. In den kommenden Monaten aber wird die Zeit höchstens für einen kurzen Törn am Wochenende reichen.

Volker Gülzows Element sind die Meere - in der Freizeit, aber auch beruflich. Er ist Leiter der IT-Abteilung beim DESY, dem Deutschen Elektronen -Synchrotron, und in dieser Funktion hat er es mit Datenmeeren zu tun. Da sind zum Beispiel die gewaltigen Mengen an Messdaten aus der hauseigenen Beschleunigeranlage PETRA III: Sie liefert außergewöhnlich brillantes Röntgenlicht, in dem Forscher feinste Details in Molekülen und Materialien erkennen können. Da sind aber auch die großen Datenpakete aus der Schweiz. Sie kommen aus dem Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider, am CERN in Genf, wo vor zwei Jahren ein lange gesuchtes Elementarteilchen namens Higgs Boson gefunden wurde. Als es für dessen Väter - sie hatten die Existenz des Teilchens bereits vor einem halben Jahrhundert vorhergesagt - im vergangenen Herbst den Physik-Nobelpreis gab, war der Jubel in Hamburg groß: "An der Entdeckung hatte auch das DESY seinen Anteil", sagt der 58-jährige Gülzow.

Das Forschungszentrum stellt der internationalen Wissenschaftlergemeinde Großgeräte für die physikalische Grundlagenforschung zur Verfügung und führt eigene Projekte durch - Weltrang hat neben der Teilchenphysik auch die Forschung mit Photonen, mit Lichtteilchen also. An den beiden DESY-Standorten in Hamburg und Zeuthen bei Berlin arbeiten rund zweitausend Menschen. Gut hundert davon sind in Gülzows IT-Abteilung beschäftigt. Und wenn in der Wissenschaft ein dicker Fisch wie das Higgs Boson entdeckt wird, dann hat auch sein Team dazu beigetragen.

Dessen Aufgabe ist es, die rund um die Uhr einlaufenden Messergebnisse zu sammeln und so zu speichern, dass forschende Physiker, Biologen, Chemiker oder Ingenieure etwas damit anfangen können. Um das zu ermöglichen, müssen oft Datenströme von einigen Petabyte - das ist eine Zahl mit 15 Nullen - optimal gemanagt werden. Gülzows Team erarbeitet Lösungen für die Analyse und Aufbewahrung großer Datenmengen. Dazu zählt etwa die Software D-Cache, die unter Leitung des DESY mit Skandinaviern und Amerikanern entwickelt wurde. Heute hilft sie weltweit beim Umgang mit Big Data. Auch für das nächste Großprojekt am DESY werden Programme wie D-Cache eine wichtige Rolle spielen: beim europäischen Röntgenlaser XFEL nämlich, einer einzigartigen Forschungsanlage, die gerade in Hamburg gebaut wird und im Jahr 2016 in Betrieb gehen soll.

"Dass ich hier arbeiten kann, zusammen mit sehr klugen Leuten aus unterschiedlichen Kulturen, empfinde ich als Geschenk", sagt Volker Gülzow. Daran ändern die mehr als zehnstündigen Arbeitstage nichts, auch nicht die vielen Sitzungen oder die häufigen Dienstreisen. Seit 2001 ist Gülzow am DESY, immer in gleicher Funktion, aber dank eingeworbener Drittmittel mit wachsender Mannschaft.

Den größten Teil seines Berufslebens verbrachte der gebürtige Rendsburger in Forschungseinrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft: schon während des Mathematik- und Physikstudiums in Göttingen als studentische Hilfskraft und später als wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, danach als Abteilungsleiter im Deutschen Klimarechenzentrum in Hamburg. Gülzow: "Ich war immer in der Wissenschaft tätig und zwar in der gelegentlich verkannten zweiten Reihe."

In der ersten Reihe stehen die experimentierenden Forscher. Sehr weit kämen sie ohne das hochqualifizierte Scientific Computing eines Volker Gülzow und seiner Mitarbeiter allerdings nicht. No Computing, no Science, so laute die heute unstrittige Devise, sagt der Wissenschaftsmanager, der auch Vorsitzender des Koordinierungsausschusses Datenverarbeitung der Helmholtz-Gemeinschaft ist. Dennoch entspreche die Finanzierung der teuren wissenschaftlichen Rechenzentren bei Weitem nicht ihrer Bedeutung.

Überhaupt fehle es an Anerkennung für deren Leistungen - ein Manko, das auch die Nachwuchssuche erschwere: "Gute Physiker entscheiden sich eher für eine Karriere in der Industrie oder eben in der ersten Reihe der Wissenschaft", berichtet Gülzow. Um seine Fachrichtung attraktiver für junge Leute zu machen, schlägt er beispielsweise gemeinsame Berufungen mit den Universitäten vor.

Auch wenn er manchmal ein wenig mit seinem Berufsstand hadert: Noch einmal vor die Wahl gestellt, würde er sich wieder dafür entscheiden, sagt Volker Gülzow. Seine Eltern - der Vater war Arzt, die Mutter Apothekerin - hatten sich gewünscht, dass ihr Jüngster Mediziner wird. Der aber strebte in die "schöne Welt der Logik", erinnert sich der Mathematiker und fügt gleich hinzu: "Das mit der Medizin hat der ältere Bruder erledigt."

Seinen eigenen Kindern habe er völlig freie Hand bei der Berufswahl gelassen, sagt der dreifache Vater. In seine Fußstapfen getreten sei keines von ihnen. Inzwischen sind Volker Gülzow und seine Frau, eine Deutschlehrerin, schon zweifache Großeltern. Auf das Meer zieht es alle - und einen ganz besonders.

Deutsches Elektronen-Synchrotron - DESY

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