5 Fragen an...Nicole Dreyer-Langlet
„Nicht länger ‘man könnte‘, sondern machen!“
Sie will das emissionsfreie Fliegen vorantreiben und dafür Allianzen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft schmieden: Nicole Dreyer-Langlet ist Vizepräsidentin und Mitglied der Geschäftsführung bei Airbus in Deutschland und neue Senatorin von Helmholtz.
Frau Dreyer-Langlet, Sie arbeiten seit 25 Jahren in der Luftfahrtbranche, im Sinne des Klimaschutzes muss sich die Industrie nun radikal wandeln. Wenn Sie einen Blick in die Zukunft werfen: Wie werden wir im Jahr 2050 fliegen? Werden wir dann ohne schlechtes Gewissen in ein Flugzeug steigen können?
Ja, das ist meine Vision. Wir steigen dann ganz selbstverständlich in ein Flugzeug, das mit Wasserstoff angetrieben wird, so dass wir uns keine Gedanken darüber machen müssen, ob Fliegen vertretbar für Umwelt und Klima ist. Auch die Frage, wie oft ich fliege, ist dann nicht mehr entscheidend. Wobei allerdings schon jetzt klar ist: Der Flugverkehr hier in Europa wird rein rechnerisch schon bald nicht mehr so stark ins Gewicht fallen wie heute. Denn die Flotten wachsen anderswo: Bis 2040 werden 39.000 neue Flugzeuge in Dienst gestellt, die meisten davon in den wachsenden Märkten von Asien und Südamerika, aber auch in Afrika. Die Menschen dort verdienen mittlerweile mehr und wollen mit dem Flugzeug die Welt bereisen. Damit dies nicht zulasten des Klimas geht, ist es wichtig, dass wir die Emissionen von Flugzeugen rasch reduzieren.
Wie soll das gelingen, noch trägt der Flugverkehr rund drei Prozent zum globalen CO2-Haushalt bei?
Unser Ziel ist, ab 2035 Flugzeuge in Dienst zu stellen, die grünen Wasserstoff entweder in Brennstoffzellen oder entsprechenden Gasturbinen nutzen und dadurch kein CO2 mehr freisetzen. Die technologischen Herausforderungen dafür sind tatsächlich enorm: Wir müssen zum Beispiel vollkommen neuartige Brennstoffzellen entwickeln. Heutige Varianten sind zwar schon leistungsstark genug für den Antrieb von LKWs. Aber für die Luftfahrt benötigen wir natürlich noch einmal ganz andere Dimensionen – dazu forschen wir viel. Andere Teams sitzen am Thema Tank: Damit Flugzeuge dieser Größenordnung mit Wasserstoff betrieben werden können, muss er auf minus 253 Grad abgekühlt werden, nur da hat es den richtigen Aggregatzustand Wir brauchen deshalb neue Tanks, mit extrem guter Thermoisolierung, auch daran forschen wir. Es gibt zwar Grundlagen, auf die wir dabei aufbauen können, etwa von der europäischen Trägerrakete Ariane. Aber es macht einen gewaltigen Unterschied, ob ich einmalig innerhalb von zehn Minuten in den Orbit fliege, oder ob ich zehnmal am Tag zwischen Hamburg und München unterwegs bin – ein solcher Takt stellt ganz andere Ansprüche an Tank und Material. Und auch die Versorgung am Boden müssen wir neu aufstellen: Die neuen Flugzeuge müssen den grünen Wasserstoff ja auch tanken können. Dafür denken wir an so genannte Hydrogen Hubs: Wasserstoff-Stationen überall auf der Welt, die eine Vorreiterfunktion übernehmen. Ihre Versorgung wird je Region anders aussehen, einige Standorte werden sicher in direkter Nachbarschaft eines Wasserstoffparks liegen, weil dort ideale Bedingungen zur Produktion von grünem Wasserstoff herrschen – das ist zum Beispiel in Neuseeland oder Australien denkbar. Andere Standorte werden den Wasserstoff dagegen dezentral anlanden müssen. Von solchen Leuchtturmprojekten aus kann sich die Wasserstoff Infrastruktur dann ausbreiten.
Für derartige Projekte arbeitet Airbus auch immer wieder mit den Forschungszentren von Helmholtz zusammen, insbesondere mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).
Ja, unsere Teams stehen schon seit vielen Jahren in engem, vertrauensvollem Austausch. Gerade haben wir zum Beispiel große Fortschritte in der Erforschung alternativer Kraftstoffen erzielt. Diese sind als Zwischenschritt wichtig, bis wir Flugzeuge, die mit Wasserstoff fliegen, in Dienst stellen. So genannte SAFs (sustainable aviation fuels) sind da eine gute Lösung. Sie produzieren etwa 80 Prozent weniger CO2 und lassen sich unkompliziert mit konventionellem Kerosin mischen. Hierzu forschen wir ganz intensiv mit dem DLR. Gemeinsam entwickeln wir aber auch immer bessere Flugsimulationen und arbeiten an der Optimierung von Flugrouten: Wenn Flugzeuge zum Beispiel bei Start und Landung optimal steigen und sinken, stoßen sie deutlich weniger Emissionen aus.
Seit Ende 2022 engagieren Sie sich zudem auch im Senat von Helmholtz. Welche Schwerpunkte wollen Sie in dem Gremium setzen?
Mir liegt die Zielsetzung von Helmholtz sehr: der Schutz unserer Lebensgrundlagen. In diesem Sinne werde ich mich im Senat natürlich verstärkt im Bereich Luft- und Raumfahrt einbringen. Mir ist aber auch der Austausch mit anderen Forschungsbereichen und Industrien wichtig. Die Luft- und Raumfahrt zum Beispiel hat zahlreiche sehr ausgereifte Technologien zu bieten, die andere Industriezweigen vorantreiben könnten. Umgekehrt könnte die Luftfahrt von anderen Branchen dazulernen, etwa bei schlankeren Verfahren für Zertifizierungen. Da sind die Anforderungen bei Flugzeugen bislang noch sehr hoch, zu Recht. Aber vielleicht lassen sich die Abläufe trotzdem vereinfachen, ohne dass wir Abstriche bei der Sicherheit machen. Denn ein höheres Tempo ist in meinen Augen enorm wichtig: Wenn wir die Klimaziele einhalten wollen, müssen wir bei den Genehmigungen schneller werden, sowohl für neue Forschungsprojekte als auch für neue Flugzeugmodelle. Anders ist die Klimawende im Luftverkehr unmöglich zu schaffen. Wir müssen weg vom Konjunktiv: Nicht länger „man könnte“, sondern machen!
Haben Sie selbst je mit einer Karriere in der Wissenschaft geliebäugelt?
Nein, ich kann mich zwar ganz tief in ein Thema einarbeiten und will auch unsere Geräte und Modelle in all ihren Details verstehen. Aber persönlich hat mich schon immer mehr die Umsetzung interessiert. Deshalb bin ich Wirtschaftsingenieurin geworden – schon mein Vater hat als Ingenieur gearbeitet. Ich bin also groß geworden in einem Umfeld mit großer Offenheit für Technik. Dazu noch meine beiden großen Brüder, die sich für Mathe und Physik interessiert haben: Das hat mich angespornt. Diese Begeisterung gebe ich heute gerne weiter, gerade an Frauen: Wir brauchen dringend mehr von ihnen in technischen Berufen. Ich stelle aber immer wieder fest, dass sie meist viel selbstkritischer sind als Männer. Das ist sicherlich zum Teil eine gute Eigenschaft, weil sie uns besonders anspornt. Sie kann aber auch lähmend wirken: Vor ein paar Tagen erst habe ich eine Runde sehr talentierter Frauen getroffen, mit viel Erfahrung in der Problembewältigung. Und trotzdem zweifelten sie an sich und zögerten vor dem nächsten Karriereschritt. Deshalb sind berufliche Netzwerke so wichtig: Wir Frauen müssen uns gegenseitig ermutigen! Das ist wirklich ein Herzensthema von mir. Ich selbst hatte eine tolle Mentorin, die mich darin bestärkt hat, weiterzugehen. Darum erzähle ich heute jüngeren Kolleginnen selbst davon, wie ich Familie und Beruf unter einen Hut bekomme oder gebe ihnen manchmal einen liebevollen Schubser: Trau Dich, geh einen Schritt vorwärts! Ich finde, da müssen wir Frauen einander auch ein Stück weit Vorbild sein.
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