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Altlasten

Munition im Meer

Eine Forschungstaucherin schwebt über einem gut erhaltenen Torpedokopf. Bild: Jana Ulrich

Giftige und explosive Altmunition lagert noch immer tonnenweise am Meeresgrund und stellt eine Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Mit modernster Technik wollen Forscher diese Altlasten aufspüren.

Auf dem Meeresgrund von Nord-  und Ostsee liegen 200.000 Minen und Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg, die noch immer explodieren könnten. Insgesamt, so schätzen Forscher sind es rund 1,6 Millionen Tonnen Munition – zwischen wenigen Metern und Hunderten von Metern tief. Vieles davon wurde erst nach dem Krieg dort entsorgt. Die Alliierten hatten sich im Zuge der Entmilitarisierung Deutschlands entschieden, die Munition vor der Küste zu verklappen.  

Was das Risiko von Explosionen angeht, ist vor allem das Sprenggut in Küstennähe eine Gefahr. Beim Bau von Offshore-Windkraftanlagen oder dem Verlegen von Unterseekabeln könnte es zu Unfällen kommen. Doch nicht nur das: Je mehr die Munition korrodiert, desto mehr giftige und krebserregende Stoffe gelangen in die Umwelt. Der Wille, die Altlasten zumindest teilweise aus dem Meer zu bergen, ist da. Doch dazu muss man zunächst wissen, wo und in welchen Mengen der Sprengstoff genau liegt.

Hier setzt das Anfang Dezember 2019 mit EU-Mitteln gestartete Projekt BASTA an, das das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel federführend koordiniert. Der Name steht für „Boost Applied munition detection through Smart data inTegration and AI workflows“. Es geht darum, am Meeresgrund lagernde Munition besser und schneller zu erkennen. Dazu nutzen die Forscher kleine autonome Unterwasserfahrzeuge (AUVs), die mittels smarter Datenintegration und künstlicher Intelligenz in der Lage sind, verdächtige Objekte als Sprengstoff zu identifizieren und zu vermessen. Dafür müssen sie mit reichlich Daten gefüttert werden, denn Messwerte etwa von Magnetik-Sensoren sind sehr verschieden, abhängig davon zum Beispiel wie groß die Munitionskörper sind oder wie tief vergraben sie liegen. Positive und negative Resultate werden dann als zusätzliche Trainingsdaten für ein erneutes KI Training auf dem AUV genutzt, und neue Zielobjekte bestimmt. Das AUV soll also während der Fahrt immer schlauer werden.

AUV Anton wird zur Kartierung von Altmunition in der Ostsee ausgesetzt. Im Projekt BASTA geht es unter anderem darum, die bei der Munitionssuche erhobenen Daten besser zu verarbeiten und zu interpretieren. Foto: Iason-Zois Gazis/GEOMAR

„Je stärker die Munition unter Wasser korrodiert, desto mehr gefährliche Substanzen treten aus“, erläutert Jens Greinert, Geologe am GEOMAR. „Über die Meeresbewohner können diese Substanzen, in gelöster Form oder als sehr kleine Partikel auch in die menschliche Nahrungskette gelangen.“ Wie stark die Belastung ist, haben GEOMAR-Wissenschaftler im Rahmendes BMBF-finanzierten UDEMM Projektes (Umweltmonitoring für die Delaboration von Munition im Meer) untersucht. Erstmals konnte so eine Karte erstellt werden, die die Konzentrationen einiger der Munitionsschadstoffe entlang der deutschen Ostseeküste zeigt. Das Ergebnis: Keine der 1.000 analysierten Wasserproben war frei von diesen Schadstoffen, doch zum Glück waren die Konzentrationen überwiegend sehr gering. 

Einige dieser Vorarbeiten sind auch wichtig für BASTA. Das Projekt konzentriert sich zu Beginn auf die anhand von Alliierten-Aufzeichnungen vermuteten Munitionsorte in geringer Tiefe bis etwa 30 Meter. „Bislang haben wir das Problem, dass sich bei Vermessungen zum Aufspüren der Munition etwa 95 Prozent der Funde als falscher Alarm herausstellen“, sagt Greinert, der auch UDEMM koordinierte und Professor für Tiefseemonitoring an der Christians-Albrechts-Universität Kiel ist. Durch die Bergung dieser harmlosen Funde aus dem Meerwasser, die mittels eines Schlauchs an die Oberfläche und an Bord eines Schiffes gebracht werden, von wo sie zur Entsorgung an Land gebracht werden müssen, entstünden Kosten in zweistelliger Millionenhöhe. „Wenn wir die Fehlfundquote nur um fünf weitere Prozent reduzieren, können damit bereits eine Menge Kosten gespart werden“, sagt Greinert. Angepeilt ist aber eine deutlich höhere Quote.

Die Neuentwicklungen in BASTA und ExPloTect könnten also künftig die Möglichkeiten zur sicheren Beseitigung von Altmunition verbessern, dadurch etwas für die Umwelt tun und außerdem eine Menge Geld und Zeit sparen. Jeweils drei Jahre lang wird jedes Projekt mit einer Million Euro gefördert. Und nicht nur Deutschland, Belgien oder Großbritannien (das zu den Partnerländern bei ExPlotect gehört) könnten davon profitieren. Weltweit gäbe es einiges zu tun: Überall dort, wo während des letzten Weltkrieges aus der Luft und über dem Meer gekämpft wurde – also, beispielsweise auch in Südostasien – lagern Blindgänger und Minen auf dem Meeresgrund. 

Allein im Nordostatlantik und der Nordsee sind fast 150 Munitionsversenkungsgebiete bekannt. Jährlich kommt es in diesen Regionen zu über 900 im wahrsten Sinne des Wortes explosiven Vorfällen im Zusammenhang mit den alten Kampfmitteln. Genaue Zahlen über die weltweiten Gebiete, sagt Jens Greinert, lägen nicht vor. Viele Anrainer der betroffenen Regionen hätten offenbar kein großes Interesse daran, sich mit den problematischen Altlasten zu beschäftigen.

BASTA: Boost Applied munition detection through Smart data inTegration and AI workflows

BASTA wird mit EU-Mitteln aus dem Förderprogramm Blue Labs kofinanziert, das GEOMAR hat sich dafür mit mehreren Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammengetan: Dem Marine Institut Flandern (VLIZ), dem Softwareentwickler EGEOS GmbH und dem belgischen Vermessungsdienstleister G-Tec SA. Das Team arbeitet noch mit einem weiteren EU-geförderten GEOMAR-Projekt zusammen: ExPloTect entwickelt ein Analysegerät, das mittels einer Fließinjektions-Analyse gelöste Munitionsstoffe direkt an Bord im hochgepumpten Wasser untersuchen kann.

BASTA - neues Projekt zur Munitionserkennung unter Wasser startet

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