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Nachhaltiges Fliegen

Mit elektrischen Antrieben sauber abheben

Die Dornier 328 „UpLift“ wird als fliegender Prüfstand für klimaverträgliche Luftfahrttechnologien eingesetzt, wie z.B. vollsynthetische Kraftstoffe oder Wasserstoff als möglichem nachhaltigem Flugzeugtreibstoff der Zukunft. Credit: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Die Dornier 328 „UpLift“ wird als fliegender Prüfstand für klimaverträgliche Luftfahrttechnologien eingesetzt, wie z.B. vollsynthetische Kraftstoffe oder Wasserstoff als möglichem nachhaltigem Flugzeugtreibstoff der Zukunft. Credit: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Um die Klimaziele zu erreichen, müssen alle Hebel in Bewegung gesetzt werden. Da macht auch die Luftfahrt keine Ausnahme. Wie das Fliegen in der postfossilen Ära funktionieren könnte, erforschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Institut für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR).

„Aktuell ist die zivile Luftfahrt für drei Prozent des gesamten CO₂-Ausstoßes in der Welt verantwortlich. Und sie wächst kontinuierlich um rund fünf Prozent im Jahr“, sagt Lars Enghardt. „Die Anzahl der aktiven Luftfahrzeuge verdoppelt sich also etwa alle 20 Jahre.“ Fliegen diese auch in Zukunft mit fossilem Kerosin, dann lassen sich die Klimaziele nie erreichen. Deshalb hat das DLR im Juni 2020 das Institut für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe in Cottbus gegründet, dass der Physiker leitet. „Wir sind angetreten, die Luftfahrt klimafreundlicher, am besten sogar klimaneutral zu gestalten“, sagt der Professor für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe. „Dafür bauen wir in Cottbus ein DLR-Institut mit einer ganz neuen Forschungsinfrastruktur auf.“

Lars Enghardt, Direktor des DLR-Instituts für Elektrifizierte Luftfahrtantriebe in Cottbus. Bild: Kai Dürfeld

Dort sollen die Flugzeugantriebskonzepte der Zukunft entwickelt werden. Das DLR forscht an einer Bandbreite von Varianten – von klassischen Gasturbinen, die mit künstlichen, klimaneutral hergestellten Treibstoffen betrieben werden, über hybrid-elektrische Systeme bis hin zu alternativen Antrieben auf Basis von Batterien oder Wasserstoff. Mit Fokus auf die beiden letztgenannten Themen hat das DLR in Cottbus eine 13.500 Quadratmeter große, ehemalige Lagerhalle auf dem Gelände eines früheren Militärflugplatzes gekauft. Dort wird in den kommenden Jahren eine Versuchslandschaft entstehen, in der das Institut gemeinsam mit Partnern aus der Industrie die Luftfahrtantriebe von morgen erprobt.

Eines dieser Konzepte, dass Lars Enghardt und sein Team bereits vorangetrieben haben, heißt H2Electra. „Damit wollen wir zeigen, wie ein rein elektrisch angetriebenes Regionalflugzeug von morgen aussehen könnte“, sagt er und zeigt auf das Modell, das rund ein Zehntel eines typischen Flugzeuges misst und dessen Plexiglasrumpf den Blick auf seine Innereien freigibt. „Wir haben uns überlegt, wie das Innere einer Maschine aussehen kann, die mit Elektromotoren ausgestattet ist“, erklärt er weiter. „Das hilft uns zu verstehen, an welchen Stellen wir bisherige, auf Gasturbinen basierende Flugzeugkonzepte ändern müssen.“

Das Modell H2ELECTRA zeigt Möglichkeiten auf, ein Regionalflugzeug mit Wasserstoff zu elektrifizieren. Bild: DLR (CC BY-NC-ND 3.0)

Bei Aerodynamik und Design haben sie sich an aktuelle Maschinen orientiert, die am Regionalflugzeugmarkt etabliert sind. Doch das war es dann schon mit den Gemeinsamkeiten. Denn das Flugzeugkonzept setzt nicht auf fossiles Kerosin, sondern auf regenerativ erzeugten Wasserstoff. Und das bringt tiefgreifende Änderungen mit sich. „Gasförmiger Wasserstoff nimmt unheimlich viel Volumen ein, was die Flugstrecken stark verkürzen würde“, sagt Lars Enghardt. „Wir müssen ihn entweder sehr stark komprimieren oder bei extrem tiefen Temperaturen verflüssigen.“ Beide Verfahren sind nichts Neues. Aber beide setzen eine äußerst robuste Tankwand voraus. Und das passt nicht zu den aktuellen Flugzeugkonzepten. „Heute wird das Kerosin in den Flügeln untergebracht, und zwar sowohl in den Hauptflügeln als auch hinten in den Höhenleitwerken“, erklärt der Physiker. Drucktanks sind dafür nicht nötig, sodass die Flügel sehr flexibel gebaut werden können. Und das ist wichtig, da wiederum die Aerodynamik genau darauf abgestimmt ist. Und die sorgt dafür, dass ein Flugzeug überhaupt effizient fliegt. „Die gleiche Flexibilität in den Flügeln kann man sich mit einem Wasserstofftank nicht vorstellen“, erläutert er. „Deshalb muss man ihn im Rumpf unterbringen, was  im Vergleich zu aktuellen Innendesigns zu Platzproblemen führen wird.“

Auch dafür, wie der Wasserstoff dann für elektrische Vortriebsenergie sorgt, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Er könnte einerseits in einer Gasturbine verbrannt werden und damit einen Generator antreiben. Oder er könnte in einer Brennstoffzelle direkt in Strom gewandelt werden. Der Strom wiederum treibt dann bei der H2Electra die bis zu sechs Elektromotoren an, die sich an den Flügeln des Konzeptflugzeugs anbringen lassen. „Um die verschiedenen Ansätze möglichst umfassend analysieren zu können, ist unser Konzeptflugzeug modular aufgebaut“, sagt der Physiker. Trotz allem ist und bleibt es ein Theorieflugzeug, das wahrscheinlich niemals fliegen wird.

Technologie von morgen auf dem Prüfstand

Diesen Schritt geht Uplift – ein weiteres Projekt, an dem die Cottbuser beteiligt sind. „Das Uplift-Projekt ist angetreten, um die klimafreundliche Luftfahrt insbesondere in Deutschland stark voranzutreiben“, sagt Lars Enghardt. „Wir wollen also die Entwicklung und Markteinführung von Produkten für unsere Industriepartner beschleunigen.“ Der „Turbo“ in diesem Projekt sind Bodenprüfstände, die die Flugzeugkomponenten auf spätere Flugversuche vorbereiten sollen. Diese sollen in den kommenden Jahren bei den über 20 am Projekt beteiligten DLR-Instituten in ganz Deutschland entstehen und von den Uplift-Partnern aus der Industrie dann für den Test der neu entwickelten Flugzeugkomponenten genutzt werden. „Uplift ist vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgelegt worden und wird über den Projektträger Luftfahrtforschung organisiert und begleitet“, erzählt er. „Das DLR hat hier eine Schlüsselrolle eingenommen, indem es sämtliche Prüfstände umsetzt und betreibt.“

Knapp 30 Prüfstände sollen es am Ende sein. Drei davon werden in Cottbus stehen. Zwei davon beschäftigen sich ganz speziell mit Lüftertechnik. Und die ist für elektrisch betriebene Flugzeuge überlebenswichtig. Denn sowohl Brennstoffzellen als auch Batterien geben nicht nur Strom ab. Sie werden auch heiß. Und das kann zum Problem werden. „Bei einer klassischen Gasturbine wird die Wärme automatisch über den Abgasstrahl nach draußen befördert“, erklärt der Physiker. „Bei Batterien und Brennstoffzellen muss man dabei aktiv helfen. Sonst überhitzt das System und geht kaputt.“ Der erste Prüfstand wird deshalb helfen, die Konzepte für neuartige Wärmetauscher zu entwickeln und die Einzelelemente im Modell zu untersuchen. Ist dieser Schritt geschafft, sollen zukünftige aktive Lüftungssysteme auf dem zweiten Prüfstand in Cottbus zeigen, was in ihnen steckt. Und im dritten Prüfstand ist es dann ein kompletter Antriebsstrang, der sich beweisen muss. „Das ist ein Systemprüfstand für Brennstoffzellen-Antriebskonzepte. Eine Kooperation mit der Firma MTU“, sagt Lars Enghardt. „Die MTU baut ihn aktuell in München auf und wir werden den Prüfstand im Jahr 2030 in Cottbus übernehmen und dann dort weiterbetreiben.“

Forschungsflugzeug D328 UpLift - „Flying Testbed“ für neue Wasserstoff-Technologien

Und wird die neue Technik dann auch mal abheben? „Die ist eine zweite wichtige Säule im Uplift-Projekt“, erklärt er. „Das DLR hat dafür ein Flugzeug angeschafft. Eine Dornier 328, die als Forschungsplattform zur Verfügung steht.“ Das Flugzeuginnere ist aktuell noch fast komplett leer. So kann es für verschiedene Testzwecke mit speziellen Messinstrumenten oder Versuchen individuell ausgestattet werden. Und es ist so flexibel, dass es für die verschiedenen Antriebssysteme wie Brennstoffzellen, Batterien oder sogar die Wasserstoffdirektverbrennung um- und ausgebaut werden kann. „So können wir dann jene vielversprechenden Konzepte, die wir im Bodenprüfstand getestet, für gut befunden und im Rahmen von kollaborativen Forschungseinheiten weiterentwickeln haben, tatsächlich auch im Flugversuch demonstrieren.“

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