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Portrait

„Man sollte nicht nur für seine Arbeit leben“

Hartmut Zohm leitet den Bereichs Tokamak-Szenario-Entwicklung. Foto: IPP, Silke Winkler

Hartmut Zohm erforscht eine umweltfreundliche und zudem ungefährliche Methode der Energiegewinnung – die Kernfusion. Bis sie uns die gewünschte Energie liefert, stehen wohl noch einige Jahrzehnte komplexer Forschung und Entwicklung bevor. Hartmut Zohm will seinen Teil dazu beitragen – die Energie dafür zieht er aus der Zeit mit seiner Familie.

Wenn Hartmut Zohm an die Energieversorgung der Zukunft denkt, denkt er an die Sonne. Aber nicht an ihre Strahlen, sondern an den heißen Stern selbst. Ihre Energie will er auch auf der Erde erzeugen. Ein dünnes Gas - das Plasma - soll zwei Wasserstoffsorten in einem Magnetfeld zum Verbrennen bringen und so eine riesige Energiemenge freisetzen: Mit einem Gramm Brennstoff; genauso viel wie sonst elf Tonnen Kohle. Bisher sind solche Fusionskraftwerke nur Theorie. „Aber bald wird man nachweisen können, dass es technisch machbar ist“, sagt Zohm, den das Thema auch nach fast dreißig Jahren in der Forschung noch begeistert.

Gefunden hat er es eher zufällig. Als Schüler interessierte er sich vor allem für die Erde, für Geographie und Biologe. Er wanderte gern und hätte seine beiden Interessen – Natur und Wissenschaft – gern verbunden, entschied sich aber dann für ein Physik-Studium, weil Physik eine „rigorose Wissenschaft“ ist. „Man kann seine Thesen relativ exakt überprüfen, weil es eine strikte mathematische Basis gibt“, sagt er.

Die Fusionsforschung lernte er 1987 in einer Summer School kennen. Das Projekt dauert nur eine Woche, aber das genügte: Hartmut Zohm war fasziniert. Als ihm nach dem Abschluss seines Studiums eine Doktorarbeit zur Fusionsforschung an der Universität Heidelberg angeboten wurde, sagte er zu. Für die Arbeit erhielt er 1991 die Otto-Hahn-Medaille der Max-Planck-Gesellschaft. Inzwischen arbeitete er schon am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik bei München.

Ein Jahr nach dem Antritt seiner Stelle als Wissenschaftlicher Mitarbeiter ging er für einen Forschungsaufenthalt in die USA. „Die Arbeitsbedingungen dort waren sehr gut, aber der Druck auch sehr hoch“, sagt Zohm. Er findet es richtig, dass Wissenschaftler ihre Arbeit rechtfertigen müssen, aber: „Gute Wissenschaft sollte von einer starken Neugier getrieben sein. Nicht nur von dem Drang, möglichst schnell ein bestimmtes Ergebnis zu liefern.“ Zohm findet: „Wenn man länger nachdenkt, tiefer bohrt, kommt mehr dabei heraus.“

Zurück in Deutschland habilitierte er sich an der Universität Augsburg. 1996 bekam er eine Professur für Plasmaforschung an der Universität Stuttgart. 1999 übernahm er eine Direktorenstelle am Max-Planck-Institut für Plasmaphysik.

Auf seinem Feld hat sich seitdem viel verändert. Das Wissen ist enorm gewachsen. Das liegt zum einen daran, dass Computer leistungsfähiger geworden sind und immer mehr Daten verarbeiten können. Zum anderen, dass in der Fusionsforschung mit viel Aufwand und großen Teams geforscht wird. Die Energieversorgung der Zukunft ist ein wichtiges Projekt.

Zohm findet es spannend, dass viele Phänomene in der Fusionsforschung nicht linear auftreten. „Man dreht an einem kleinen Schräubchen und es verändert sich viel“, sagt er. So versuchten Forscher für lange Zeit, die Energie des Plasmas in einem Magnetfeldkäfig zu optimieren. Als sie die Magnetfeldkonfiguration nur minimal veränderten, stieg die Temperatur des Plasmas plötzlich doppelt so hoch.

Zu den Höhepunkten seiner Arbeit gehört es, wenn er eine Hypothese beweisen kann. Das ist oft ein langer Prozess. Die Fusionsforschung ist komplex, Antworten entwickeln sich erst nach und nach. Von 1996 bis 2005 arbeitete Zohm daran, eine Methode gegen Plasmainstabilität zu entwickeln. Diese Instabilität begrenzte die Temperaturen, mit denen man im Reaktor arbeiten konnte. Wurde es zu heiß, zerfiel das Plasma. Gemeinsam mit seinem Team analysierte Zohm das Phänomen, entwickelte ein Gegenmittel und teste es. Mit Erfolg: Im vergangenen Jahr erhielt er dafür den renommierten Dawson-Award, der amerikanischen physikalischen Gesellschaft.

Seinen Alltag bestimmt die Teamarbeit. Als Bereichsleiter steht Hartmut Zohm an der Spitze von 200 Mitarbeitern. Außerdem betreut er Doktoranden und Studenten. Auch mit ihnen arbeitet er gern. „Sie sind so begeisterungsfähig“, sagt er. „Man lernt selbst etwas von ihnen, weil sie auf ganz anderen Wegen denken, als man selbst.“ Auch sonst liegt ihm viel an einem weiten Blick.

„Ich bin ein starker Verfechter davon, dass man nicht nur für seine Arbeit leben sollte“, sagt Hartmut Zohm. „Dafür bin ich bekannt.“ Er ist verheiratet, seine Tochter ist 17, sein Sohn 14 Jahre alt. Er versucht, pünktlich Feierabend zu machen, damit er abends bei seiner Familie sein kann. Später am Abend setzt er sich dann oft noch einmal an den Schreibtisch. Wenn Meetings zwei Stunden länger dauern als geplant, kann es passieren, dass er vorzeitig geht. „Heute ist das leichter, weil die Wissenschaft familienfreundlicher geworden ist“, sagt er. Früher reagierten gerade ältere Kollegen mit Unverständnis, wenn er eine Sitzung eher verließ.

Aber Zohm ist überzeugt, dass man nicht in der Physik versinken sollte. Die besten Physiker seien keine selbstbezogenen Sonderlinge wie Sheldon Cooper, die Hauptfigur der Serie „Big Bang Theory“, sondern Menschen, die sich für mehr als die Physik interessieren. Die Zeit mit seiner Familie komme auch dem Beruf zu Gute, findet Zohm. Er fährt viel Fahrrad, wandert gern und stellt sich gegen das Klischee vom verkopften, verschrobenen Physiker. „Ich freue mich immer, wenn andere Leute nicht erraten, dass ich Physik-Professor bin“, sagt er.

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