Direkt zum Seiteninhalt springen

Stadtentwicklung

Leben in der Stadt von morgen

Bangkoks Lumpini Park. Bild: anekoho, shutterstock

Wie könnte die Stadt der Zukunft aussehen? Wie werden wir in ihr leben? Ob Umweltforscher, Ingenieure oder Sozialwissenschaftler – alle haben sie ihre ganz eigenen Vorstellungen von einer sauberen, sicheren und ressourcenschonenden Stadt. In privaten Initiativen engagieren sich viele Menschen vor Ort für nachhaltiges Wohnen. So sind viele Visionen längst in der Realität angekommen

Bildergalerie

Was sind unsere Wünsche an die Stadt von morgen? Sauber, sicher, schön - wir wollen uns wohlfühlen, dabei Energie sparen und die Umwelt schonen. Wie könnte diese Stadt aussehen? Im Folgenden werden einige Projekte vorgestellt, an denen Wissenschaftler arbeiten oder die bereits in unseren Städten angekommen sind:

So könnte das Haus der Zukunft aussehen: Das „Effizienzhaus Plus“ produziert mithilfe von intelligenter Gebäudetechnik mehr Strom, als es selbst verbraucht. Foto: BMVBS / Ulrich Schwarz

Das intelligente Zuhause: Das Pilotprojekt Smart Home des KIT zeigt, wie die Technik der Zukunft aussehen könnte: Per Smartphone oder vom Computer werden die Bewohner alle Funktionen im Haus überwachen und elektrische Geräten steuern können. Foto: KIT

Ressourcen: Wasser prägt die Stadt, aber gerade Megacities (hier: Brasília mit 2,6 Mio. Einwohnern) verbrauchen mehr Wasser als zur Verfügung steht. Wissenschaftler wollen den Kreislauf des Wassers im städtischen Raum verstehen und so Lösungsansätze weltweit erarbeiten. Foto: UFT / Georg Teusch

(Ab)wasser: Immer mehr hormonelle Substanzen und pharmazeutische Reststoffe werden in Flüsse, Ab- und Grundwasser gelangen. Forscher untersuchen die Grundwasserqualität (Foto) und erarbeiten Methoden, wie sie vermieden oder entfernt werden können. Foto: UFZ / André Künzelmann

Unterwegs in der Stadt: 40 Elektro-Lastenräder fahren schon jetzt durch acht deutsche Städte. Werden sie in der Zukunft einen großen Teil der herkömmlichen Transportfahrzeuge ersetzen? Foto: DLR / Amac Garbe

Mobilität: Der „Next Generation Train“ soll eine ernstzunehmende Alternative zum Flugzeug werden. Mit 400 km/h bietet er sehr kurze Reisezeiten und ist zudem sehr sicher. Bild: DLR / Tricon

Der Mensch im Mittelpunkt: Immer mehr Bürger nehmen aktiv an der Gestaltung der Stadt teil und beteiligen sich an Diskussions- und Entscheidungsprozessen. Foto: Berliner Wassertisch

Urbane Landwirtschaft: Der Prinzessinnengarten in Berlin zeigt, dass urbane Gärten nicht nur ein neues Bewusstsein für gesunde Ernährung mit sich bringen, sondern auch einen Ort der Gemeinschaft schaffen. Foto: Fraunhofer UMSICHT

Wie werden Europas Städte von morgen aussehen? Ein Essay

Die Städte Europas zeigen sich heute mehr denn je in einer Vielfalt der Erscheinungsformen und strukturellen Transformation: offene Stadt, schrumpfende Stadt, Teletopia, Stadt der kurzen Wege, neoliberale Stadt - die Auflistung ließe sich beliebig fortführen. Vor dem Hintergrund von Klimawandel, Ressourcenknappheit, Schuldenlast der öffentlichen Haushalte, demographischem Wandel, sozialer Ungleichheit und vielen weiteren gegenwärtigen Herausforderungen ist aber allen Ausprägungen des Städtischen das Erfordernis gemein, ihre nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Im gesamtgesellschaftlichen Wandel hin zu einer zukunftsfähigen Lebensweise spielen Städte eine bedeutende Rolle.

Die Attraktivität des Urbanen

Nach Jahrzehnten der Suburbanisierung, der ressourcenfressenden Zersiedlung des Raumes, beobachtet die Stadtforschung seit den 1990er Jahren einen immer deutlicher werdenden Trend in den Städten Europas. Wenngleich das Wachstums Suburbias abgeschwächt anhält, erfahren Kernstädte wieder Wachstum an Bevölkerung und Arbeitsplätzen sowie eine neue Lebendigkeit. Die städtische Bevölkerung schätzt die neue Attraktivität des Urbanen: kulturelle Angebote, kurze Wege, eine gute medizinische Versorgung, attraktive Arbeitsplätze und ein lebendiges öffentliches Leben. Urbanität wird zum Lebensstil.

Hochpreisiger Wohnungsbau in Berlin Prenzlauer Berg. Foto: Alexandra Quint

Die Stadt erfindet sich gegenwärtig neu. Sie wächst wieder, wird dichter. Diese Entwicklung gilt es, als großes Potential für eine nachhaltige Entwicklung der europäischen Städte zu nutzen und dabei zentrale Fragen in den Fokus zu nehmen: Wie kann bezahlbarer Wohnraum für alle geschaffen und gesichert werden? Mit welchen Strategien und Instrumenten kann die Verdrängung der ärmeren Bevölkerung an die Ränder der Städte begegnet werden? Wie kann die gerechte Verteilung der verbleibenden innerstädtischen Freiräume gewährleistet, wie den problematischen Aspekten der Nachverdichtung begegnet werden?
Städte als Orte technischer und sozialer Innovationen

Städte mit ihrer ausgeprägten Infrastruktur, ihrem reichhaltigen kulturellen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Angeboten und Netzwerken sind Schmelztiegel der Innovation. Sie sind kreative Experimentierräume für zukunftsweisende urbane Lebensweisen. Nicht zuletzt als Orte wirtschaftlich und politisch weitreichender Entscheidungen bieten Städte optimale Voraussetzungen, um sich den Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung zu widmen.
Technologischen Innovationen, beispielsweise im Hinblick auf E-Mobilität, Ambient Assisted Living (Assistenssysteme für ein selbstbestimmtes Leben im Alter), Smart City oder energieeffiziente und ressourcenschonende Bauweisen, kommen in Verbindung mit nachhaltiger Stadtentwicklung vielfach große Bedeutung zu. Für eine nachhaltige Entwicklung aber bedarf es mehr als nur neuer Technologien. Vielmehr müssen diese eingebettet sein in einen gesellschaftlichen Wandel, einhergehen mit einer Bewusstseinsänderung und Abkehr vom technokratischen Imperativ des „höher, schneller, weiter, mehr“. Es gilt, neue Lebensqualitäten zu entdecken, zu erfinden und zu erproben.

Urban Gardening: Prinzessinnengarten in Berlin. Foto: Alexandra Quint

Die bürgerschaftliche Stadt

Der Wunsch der Zivilgesellschaft Stadt mit zu gestalten ist heute unüberseh- und spürbar. Bürgerinnen und Bürger nehmen die Dinge zunehmend selbst in die Hand, wollen mitentscheiden, wenn es um ihre Stadt geht. Beispiele wie Stuttgart 21 und der jüngst aus der Bürgerschaft heraus errungene Volksentscheid zur Zukunft des Tempelhofer Feldes in Berlin belegen dies ebenso wie die Vielzahl an gut organisierten Bürgergruppen. Es handelt sich um ein Engagement, das auf Misstrauen gegenüber etablierten staatlichen Institutionen und Entscheidungswegen beruht, die mit reduzierten Steuerungsmöglichkeiten und eingeschränkten finanziellen Mitteln konfrontiert sind.
Das aktive Mitgestalten der breiten Bevölkerung fördert nicht nur die Akzeptanz von Entwicklungsvorhaben, sondern ist auch Teil einer aufkeimenden Kultur der Nachhaltigkeit. Mitgestaltung darf dabei allerdings keine Frage des Bildungsniveaus und kultureller wie sozialer Kompetenzen sein.

Lokaler Kontex

Letztlich kann der Weg hin zur nachhaltigen Entwicklung europäischer Städte nur ein kontextueller sein, der die lokalen Gegebenheiten, Problemlagen und Entwicklungszusammenhänge berücksichtigt. Neben globalen und gesamtgesellschaftlichen Trends beeinflussen spezifische lokale Gegebenheiten, historisches Erbe, urbanistische Leitbilder und unterschiedliche Interessenslagen städtischer Akteure diese Entwicklungsprozesse. Urbane Räume sind immer  Ausdruck lokaler und zeittypischer Umstände und Sichtweisen.

Über die Autoren
Alexandra Quint und Oliver Parodi forschen am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Karlsruher Instituts für Technologie zur nachhaltigen Entwicklung europäischer Städte, neuen Formen der Bürgerbeteiligung und Governance im Rahmen des Projekts Quartier Zukunft – Labor Stadt.

Bild: ITAS / Quartiert Zukunft

Quartier Zukunft – Labor Stadt

Ein bestehendes Stadtquartier in ein nachhaltiges umgestalten – das soll in den kommenden Jahren in dem Projekt Quartier Zukunft – Labor Stadt in Karlsruhe erprobt werden. Dazu ist das Mitwirken der gesamten Stadtgesellschaft gefragt. Ihre Ideen sollen zusammen mit technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen aus dem Karlsruher Institut für Technologie umgesetzt werden. Lebensbereiche wie Wohnen, Mobilität, Gemeinschaft, Gesundheit, Freizeit sowie Wirtschaft und Finanzen werden in die Umwandlung mit einbezogen. Das Projektteam strebt an, das Konzept und dessen nachhaltige Lösungen für andere, insbesondere europäische Städte übertragbar zu machen.

Expertenvideos

"Die Städte müssen im Ganzen neu gedacht werden." Ein Interview mit Hans-Jörg Bullinger, Mitglied des Senats der Fraunhofer-Gesellschaft über das Zukunftsprojekt die Städte von morgen.
"Wir brauchen ein integratives Mobilitätskonzept." Ein Interview mit Gisela Lanza, Institutsleiterin Produktionssystem am Karlsruher Institut für Technologie über die Mobilitätskonzepte der Zukunft.

Leser:innenkommentare