Interview
Leben auf dem Land hat eine Zukunft
Weltweit ziehen immer mehr Menschen in die Städte. Dabei hat das Leben auf dem Land durchaus seine Vorzüge. Ein Gespräch mit der Ethnologin Leonore Scholze-Irrlitz über die Zukunft des Landlebens.
In den Städten wird es immer enger – ein Kampf um Wohnungen, bezahlbare Energie, Parkplätze. Dem Landleben wird hingegen wenig Zukunftspotenzial zugetraut. Zu Unrecht, meint die Ethnologin Leonore Scholze-Irrlitz.
Frau Scholze-Irrlitz, in Zukunft werden immer mehr Menschen in Städten leben. Was wird aus dem Land?
In der Debatte geht es meistens um die demografische Entwicklung auf dem Land. Überspitzt gesagt heißt es da: Das Land ist abgeschlagen, die Jungen, oft Frauen, ziehen in die Stadt, die Älteren, meist Männer, bleiben. Dadurch wird der Eindruck vermittelt, man könne nichts tun, nur abwarten, bis die Lichter ausgehen. Das wird der Realität nicht gerecht. Ich bin dafür, dass Stadt und Land nicht mehr als Gegensätze gedacht werden.
Frau Scholze-Irrlitz, in Zukunft werden immer mehr Menschen in Städten leben. Was wird aus dem Land?
In der Debatte geht es meistens um die demografische Entwicklung auf dem Land. Überspitzt gesagt heißt es da: Das Land ist abgeschlagen, die Jungen, oft Frauen, ziehen in die Stadt, die Älteren, meist Männer, bleiben. Dadurch wird der Eindruck vermittelt, man könne nichts tun, nur abwarten, bis die Lichter ausgehen. Das wird der Realität nicht gerecht. Ich bin dafür, dass Stadt und Land nicht mehr als Gegensätze gedacht werden.
Sie sollen sich einander annähern?
Teilweise findet das schon statt. Zwischen städtischen Verbrauchern und Landwirten gibt es bereits Netzwerke solidarischer Landwirtschaft. Städter finanzieren Höfe, geben Abnahmegarantien. In der Schorfheide, nordöstlich von Berlin, konnte ein Bodenfonds geschaffen werden, der das Land vor Spekulanten schützt. Daraus ist die größte ökologische Ackerbauregion Europas entstanden.
Ist das typisch für Berlin?
Nein, aber es gibt in Berlin sehr starke Initiativen von Menschen, die nicht nur zum persönlichen Nutzen, sondern im Interesse einer größeren Gruppe handeln wollen – oder eben auch zum Nutzen einer Stadt-Land-Gesellschaft. Trotzdem sind Metropolen nicht der einzige Ort, an dem gute Ideen entstehen. Der erste interkulturelle Garten zum Beispiel, den Menschen verschiedener Herkunft zusammen ins Leben gerufen haben, entstand 1996 in Göttingen. Erst 2003 folgte in Berlin ein ähnliches Projekt: der Wuhlegarten in Köpenick.
Kann das Land für Städter wieder attraktiver werden?
Wenn Wohnraum in der Stadt immer teurer wird, könnte sich ein neuer Zuzug aufs Land ergeben. In Mecklenburg-Vorpommern oder in der Uckermark findet bereits ein Zuzug aus einer anderen Richtung, nämlich aus Szczecin/Stettin statt.
Wie beeinflusst das diese Regionen?
Das können wir jetzt noch nicht sagen, wir können aber in die Geschichte schauen. In den Jahren 1945 bis 1952 gab es eine enorme Zahl an Flüchtlingen, Vertriebenen und Umgesiedelten, die in ländliche Gebiete gezogen ist. Sie haben viele Kenntnisse und neue Ideen dorthin gebracht, ob aus Handwerk, Industrie, Landwirtschaft oder den Wissenschaften. Aus Altem und Neuem sind Synergien entstanden.
Heute bringt das Internet Wissen überall hin – auch aufs Land.
Ja, man sollte meinen, dass dadurch Arbeit flexibler geworden ist. Dass es also egal ist, ob ich in Berlin oder irgendwo in Brandenburg sitze. Wir wissen aber, dass das nicht der Fall ist. Staatliche Aufgabe ist es, im Sinne von Chancengleichheit erst einmal die technischen Möglichkeiten für alle zur Verfügung stellen. Versuchen Sie mal, im Schlaubetal, Landkreis Oder-Spree, mit schnellem Internet zu arbeiten, Sie werden überrascht sein.
Teilweise findet das schon statt. Zwischen städtischen Verbrauchern und Landwirten gibt es bereits Netzwerke solidarischer Landwirtschaft. Städter finanzieren Höfe, geben Abnahmegarantien. In der Schorfheide, nordöstlich von Berlin, konnte ein Bodenfonds geschaffen werden, der das Land vor Spekulanten schützt. Daraus ist die größte ökologische Ackerbauregion Europas entstanden.
Ist das typisch für Berlin?
Nein, aber es gibt in Berlin sehr starke Initiativen von Menschen, die nicht nur zum persönlichen Nutzen, sondern im Interesse einer größeren Gruppe handeln wollen – oder eben auch zum Nutzen einer Stadt-Land-Gesellschaft. Trotzdem sind Metropolen nicht der einzige Ort, an dem gute Ideen entstehen. Der erste interkulturelle Garten zum Beispiel, den Menschen verschiedener Herkunft zusammen ins Leben gerufen haben, entstand 1996 in Göttingen. Erst 2003 folgte in Berlin ein ähnliches Projekt: der Wuhlegarten in Köpenick.
Kann das Land für Städter wieder attraktiver werden?
Wenn Wohnraum in der Stadt immer teurer wird, könnte sich ein neuer Zuzug aufs Land ergeben. In Mecklenburg-Vorpommern oder in der Uckermark findet bereits ein Zuzug aus einer anderen Richtung, nämlich aus Szczecin/Stettin statt.
Wie beeinflusst das diese Regionen?
Das können wir jetzt noch nicht sagen, wir können aber in die Geschichte schauen. In den Jahren 1945 bis 1952 gab es eine enorme Zahl an Flüchtlingen, Vertriebenen und Umgesiedelten, die in ländliche Gebiete gezogen ist. Sie haben viele Kenntnisse und neue Ideen dorthin gebracht, ob aus Handwerk, Industrie, Landwirtschaft oder den Wissenschaften. Aus Altem und Neuem sind Synergien entstanden.
Heute bringt das Internet Wissen überall hin – auch aufs Land.
Ja, man sollte meinen, dass dadurch Arbeit flexibler geworden ist. Dass es also egal ist, ob ich in Berlin oder irgendwo in Brandenburg sitze. Wir wissen aber, dass das nicht der Fall ist. Staatliche Aufgabe ist es, im Sinne von Chancengleichheit erst einmal die technischen Möglichkeiten für alle zur Verfügung stellen. Versuchen Sie mal, im Schlaubetal, Landkreis Oder-Spree, mit schnellem Internet zu arbeiten, Sie werden überrascht sein.
Die Sonntagsvorlesung „In die Stadt oder aufs Land? – Wo leben wir besser?“ findet am 26. April, 11 bis 13 Uhr, im Hauptgebäude der Humboldt-Universität, Unter den Linden 6, statt. Eintritt ist frei.
Text veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Berliner Zeitung.
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