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5 Fragen an ... Uwe Schlink

"Kühle Nächte sind für die Erholung besonders wichtig"

Bild: UFZ/Sebastian Wiedling

Der Meteorologe Uwe Schlink forscht im Department Stadt- und Umweltsoziologie des UFZ Leipzig über Hitzestress in Städten.

Warum leiden Menschen in Städten besonders unter Hitzestress?

In der Stadt laufen verschiedene biophysikalische Prozesse anders ab als im Umland. Die Sonnenstrahlung wird weniger reflektiert, Regenwasser verdunstet nicht, weil es über die Kanalisation abgeleitet wird, Gebäude, Häuser, selbst Brücken verhindern eine Durchlüftung. Außerdem speichern Asphalt und Beton die Wärme, die durch Verkehr oder Klimaanlagen freigesetzt werden, wie ein Backofen.

Kann Stadtplanung beeinflussen, ob es in einem Quartier 30 oder 38 Grad heiß wird?

Absolut, die Bau- und Grün-Struktur ist da wesentlich. Besonders wirkt, wenn der Boden entsiegelt wird. Weniger Asphalt heißt weniger Wärmespeicherung, zudem kann auf entsiegeltem Boden kühlendes Regenwasser einsickern. Urbanes Grün, Parks, Straßenbäume, begrünte Fassaden intensivieren die Verdunstungskühlung und schaffen zusätzlich Schattenzonen – thermische „Wohlfühl-Inseln“, die von den Bewohnerinnen und Bewohnern gern angenommen werden. Auch bewegliche Sonnensegel kühlen Mikrostandorte wie Plätze oder Hinterhöfe tagsüber um ein paar Grad ab, abends rollt man sie wieder ein, damit die Wärme abstrahlt. Solche lokalen Maßnahmen können sowohl die Tageshitze reduzieren als auch die Zahl der Tropennächte, in denen es nicht unter 20°C abkühlt. Kühle Nächte sind für die Erholung besonders wichtig.

Sie nützen dreidimensionale Visualisierungen und Virtual Reality, um lokale Temperaturunterschiede aufzuzeigen – wie funktioniert das?

Wir analysieren das urbane Mikroklima sowohl mit Messungen als auch mit Modellsimulationen. So lässt sich gut zeigen, wie stark Anpassungsmaßnahmen wie etwa Pflanzungen wirken – durch einen vorher-nachher Vergleich der Temperatur- und Windverteilungen. Sensoren, die Bewohnerinnen und Bewohner am Körper tragen, zeigen wiederum auf, wie sehr die Wärme sie persönlich belastet. All diese raum-zeitlich aufgelösten Daten können mit 3D- oder VR-Brillen betrachtet werden. Dies hilft städtischen Behörden, Wohnungsunternehmen und Gesundheitsforschenden, Hitze-Hotspots sowie optimale und Umbaulösungen zu identifizieren – und weniger optimale. Es kann nämlich auch vorkommen, dass eine Maßnahme das Gegenteil des Gewünschten bewirkt. So fördert beispielsweise eine zu dicht gepflanzte Baumallee die Verdunstungskühlung, aber behindert gleichzeitig die Durchlüftung, dass es in der Summe nicht kühler, sondern wärmer wird. Hier gilt es Kompromisse zu finden, etwa durch die Wahl von Bäumen mit geringerer Blattdichte.

Sie erforschen auch das Verhalten von Menschen in der Stadt. Wie können sie ihren Hitzestress reduzieren?

Urbane Hitze ist sehr divers, es gibt kühlere und heißere Gebiete. Wir konnten Radfahrenden, die wir mit Sensoren für Hitze, Luftschadstoffe und Lärm ausgestattet haben, über ihr Smartphone direkte Rückmeldung über ihre Belastung geben und ihnen eine Alternativroute vorschlagen. Gerade Herz-Kreislauf-Kranken oder Menschen mit Pollenallergien helfen solche individualisierten Präventionsempfehlungen sehr. Im zweiten Schritt passen sie durch eine bewusstere Wahrnehmung der Umwelt ihre Wege und ihr Verhalten an das sich ändernde Stadtklima an.

Hat die Politik bereits reagiert auf Ihre Erkenntnisse?

Naja. Durch die jüngsten Hitzewellen ist das Thema mehr ins öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Green Deal Offensive der Europäischen Kommission ist ein großartiger Schritt in die richtige Richtung. Aber auch vor Ort in den Kommunen gibt es inzwischen mehr Aktivitäten. Viele entwickeln eine Gründach-Strategie oder Quartiere, in denen Regenwasser in Becken gespeichert wird. Es wäre sinnvoll, dass für die „perfekte Mischung“ die oben erwähnten Mess- und Simulationsmethoden noch mehr genützt werden. Weiterbildungs- oder Fördermaßnahmen könnten dabei sicher helfen.

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