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Standpunkte

Jetzt bloß nicht ausruhen!

Credits (vlnr): HZI, Goethe-Universität Frankfurt, HZDR/Bierstedt

Nach der Zustimmung des Bundesrates zur Grundgesetzänderung ist das Kooperationsverbot in der Wissenschaft Geschichte. Doch die Gefahr ist groß, dass die überfällige Reform der Föderalismusreform nach diesem ersten Schritt stehen bleibt. Ein Gastkommentar von Armin Himmelrath.

Eigentlich könnte Politik ganz einfach sein. Seit mehreren Jahren sind sich die Fachleute über alle Parteiengrenzen hinweg einig: Die Föderalismusreform war ein politischer Fehler. Das Kooperationsverbot, also die alleinige Zuständigkeit der Bundesländer für die Hochschulpolitik, war eine fatale Weichenstellung. Im September 2006 trat die Reform in Kraft, und schon drei Jahre später hatte sich fast flächendeckend die Erkenntnis durchgesetzt: Das war ein schlimmer Fehlgriff. Die meisten Bundesländer sind finanziell mit einer umfassenden Bildungs- und Hochschulpolitik überfordert und auf Unterstützung des Bundes angewiesen. Ohne Hilfe aus Berlin fallen sie zurück. Was also lag näher, als die Reform der Reform anzugehen und diesen offensichtlichen Fehler zu beheben?

Weitere fünf Jahre sind mittlerweile ins Land gegangen – und passiert ist über lange Zeit so gut wie gar nichts. Erst seit dem Sommer ist Bewegung in das unsägliche Gezerre um Zuständigkeiten gekommen, zumindest eine Teilkorrektur der verunglückten Operation von 2006 wird jetzt auf den Weg gebracht. Im Hochschulbereich wird das Kooperationsverbot fallen, immerhin. Nach dem Bundestag hat vergangene Woche nun auch der Bundesrat Ja gesagt zur Reparatur der Föderalismusreform.

<b>Armin Himmelrath (47)</b> ist freier Wissenschafts- und Bildungsjournalist in Köln. Bild: Jindrich Novotny

Politik ist manchmal aber auch ganz schön kompliziert: Die als notwendig erkannte Korrektur wird nicht etwa einfach nur beschlossen. Nein, gekoppelt ist das Ganze an eine BAföG-Reform (über deren Nutzwert man ebenfalls streiten könnte): Ab 2016 gibt es für BAföG-Empfänger mehr Geld und höhere Freibeträge, schon ab 2015 übernimmt der Bund zu 100 Prozent die Finanzierung der Studienbeihilfe. Mit den freigewordenen Millionen sollen – sollen! – die Bundesländer dann ihrerseits den Hochschulbereich zusätzlich fördern. Aber „sollen“ ist eben nicht „müssen“, und so haben etliche Länder bereits angekündigt, die freiwerdenden Gelder auch in andere Bereiche der Bildungspolitik zu stecken oder sie gleich ganz anders einzusetzen, nämlich zur Entlastung der geschundenen Haushalte.

„Ich bin sehr, sehr enttäuscht“, hatte Klaus Kinkel, der Vorsitzende der Deutschen Telekom-Stiftung, schon vor einem Jahr beim Blick in den Koalitionsvertrag gesagt. Die Förderung der MINT-Fächer, eine bessere Lehrerausbildung, stärkere Zusammenarbeit der föderalistischen Akteure – dafür, dass Bildung mal als Megathema der deutschen Politik identifiziert wurde, passiert in der Koalition sowie zwischen Bund und Ländern herzlich wenig. Kinkels Enttäuschung dürfte auch in diesen Tagen kaum geringer sein: ein Mini-Kompromiss, nicht eingehaltene Zusagen, unwürdiges Gezerre um Einfluss und Macht.

Bildungs-, Hochschul- und Forschungspolitik gehören in eine Hand – und sie brauchen Visionen und Ideen, die über den Horizont eines Haushaltsjahres und einer Legislaturperiode hinausreichen. Politik könnte so einfach sein – wenn die Akteure nicht für lange Zeit ihre strategischen Scharmützel der lösungsorientierten Zusammenarbeit vorgezogen hätten. Sie müssen sich endlich einen Ruck geben und das als richtig Erkannte auch umsetzen. So gesehen fängt die Arbeit nach der Bundesrats- Entscheidung vom 19. Dezember erst richtig an.

Zur Pressinformation: Mlynek: Abschaffung des Kooperationsverbots bedeutet einen Schub für die deutsche Wissenschaft

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