Portrait
„Ich will einen Beitrag zur Energiewende leisten“
Schon mit 14 Jahren ist Klaus Jäger klar, dass er Physiker werden will. Aus seiner Neugier über das, was die Welt im Innersten zusammenhält, wird mit den Jahren der starke Wunsch, bei der Bewältigung der Klimakrise zu helfen. Dafür leistet er auch Aufklärungsarbeit.
Klaus Jäger sitzt in seinem blauen Bürostuhl an einem Tisch, auf dem ein Monitor steht, hinter sich eine Schrankwand gefüllt mit Büchern. „Ein Labor habe ich gar nicht“, sagt er mit österreichischem Akzent. Der Physiker beschäftigt sich am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie mit optischen Simulationen von Solarzellen. Seit 2015 arbeitet der gebürtige Tiroler am Adlershofer Standort des Forschungszentrums.
Seine Aufgabe hier betrachtet der Wissenschaftler als einen Art Service. „Ich helfe den Kolleg:innen, die die Experimente machen, ihre Solarzellen zu verbessern“, sagt er. Jägers Arbeit dreht sich um die Frage, wie eine Solarzelle gestaltet sein muss, damit sie das Licht so effektiv wie möglich aufnimmt. „Und um das zu verstehen, sind Simulationen ein wichtiges Instrument“, sagt Jäger. Mithilfe einer Nachbildung der Solarzelle, die er am Computer entwirft, kann er das Verhalten des Lichts vorhersagen, etwa wieviel Licht reflektiert und wieviel wo absorbiert wird.
Um das Licht optimal zu nutzen, gibt es zwei Tricks. „Bei dem einen Trick passe ich die Schichtdicke an“, erklärt Klaus Jäger. Er nimmt ein Blatt Papier und einen Stift, zeichnet zwei waagerechte Linien übereinander und senkrecht darauf zwei Wellenlinien, die bei der unteren Waagerechten aufeinandertreffen. „Ein Teil des Lichts, das auf eine Solarzelle fällt, geht durch die dünne Schicht hindurch und ein Teil wird reflektiert.“ Entscheidend dabei ist die Dicke des Materials. Darüber lässt sich einstellen, wieviel Licht reflektiert und wieviel in die Solarzelle hineingeht. „Das simuliere ich und kann meinen Kolleg:innen dann genau sagen, welche Schichtdicken optimal sind“, erläutert er.
Ein anderer Trick ist es, Solarzellschichten mit Strukturen zu versehen. „Wenn Sie eine Standardsolarzelle unter dem Mikroskop anschauen, sehen Sie eine Pyramidenstruktur. Dadurch kann die Solarzelle das Licht effektiver aufnehmen“, sagt Jäger. Er zeichnet auf der Rückseite des Blattes eine Zickzacklinie und mehrere Pfeile, die in verschiedene Richtungen zeigen. „Licht fällt auf eine Pyramide. Ein Teil geht rein, ein Teil wird reflektiert, trifft dann aber auf eine zweite Facette.“ Er deutet auf eine schräge Linie. „Mit diesem Trick geht mehr Licht in die Solarzelle rein und das unabhängig davon, aus welcher Richtung das Licht kommt. Das Sonnenlicht fällt ja auch nicht immer im rechten Winkel auf die Solarzelle.“
Jägers Augen leuchten, wenn er über seine Arbeit spricht „Mir geht es um die Frage, wie wir einen Beitrag zu den großen Transformationsprozessen im Energiebereich leisten können.“ Mit 14 Jahren ist Jäger klar, dass er Physiker werden will. „Ich war mir darüber sicher, ohne genau zu wissen, was das eigentlich beinhaltet“, sagt er. Nach der Matura, die dem deutschen Abitur entspricht, beginnt er das Studium der Physik an der Universität Innsbruck, wechselt aber recht schnell an die ETH Zürich.
In seiner Zeit an der ETH erlebt er schließlich einen Schlüsselmoment, der seine berufliche Weiterentwicklung stark beeinflussen soll. „Im Rahmen der Vorlesungen zur Atom- und Teilchenphysik besichtigten wir ein Atomkraftwerk“, erzählt Jäger. „Am Schluss sagte der Mitarbeiter, der uns herumführte: ‚Auf die Menschheit kommen bei der Energieversorgung große Probleme zu. Die Gesellschaft erwartet von Ihnen Physikern, dass sie zur Lösung dieser Probleme beitragen.‘“ Dieser Satz habe ihn so sehr geprägt, dass er sein Studium zunehmend auf das Thema Energie fokussiert.
Neben der Forschung spielt für Jäger eine wichtige Rolle, sein Wissen mit den Menschen zu teilen. Oft wird er zur Vorträgen eingeladen. „Ich glaube, dass insbesondere der Kontakt mit Nichtwissenschaftler:innen ganz wichtig ist“, sagt er. „Die Welt ist sehr komplex geworden und wenn man keine wissenschaftliche Grundbildung, dann ist es sehr schwer, eine gute Übersicht über die Lage zu bekommen. Ich glaube, dass wir als Wissenschaftler:innen einen Beitrag leisten können, dass das besser gelingt.“ Sinnvoll sei es, für Vorträge in kleinere Orte zu gehen, wo die Menschen wenig Zugang zu wissenschaftlichen Veranstaltungen haben.
Jägers Engagement ist noch weitaus vielfältiger. 2019 gründen er und ein befreundeter Wissenschaftler die Gruppe LGBTQ STEM Berlin. Inspiration für die Idee sind Gruppen wie die „Unicorns in Tech“, die er kennenlernt, als er nach Berlin kommt. Im angelsächsischen Raum sind solche Gruppen sehr verbreitet. „Mir wurde bewusst, dass Sichtbarkeit von LGBTQ Menschen in Deutschland noch ein Nischenthema ist“, sagt Jäger. „In dem Sinne, dass eine LGBTQ-Identität zwar nicht als Problem angesehen wird, man andererseits aber auch nicht darüber redet.“
Jäger stört, dass das Thema Diversität zunehmend politisiert wird. „Da wird teilweise ein Kulturkampf inszeniert, bei dem wir LGBTQ+-Menschen, wenn sich die Lage weiter verschärft, wieder unter Druck kommen könnten“, sagt Klaus Jäger. Das mache ihm Sorgen.
Bei all den Themen, die Jäger beschäftigen, braucht er hin und wieder etwas, das ihm einen Ausgleich verschafft. „In der Pandemie wurde mir bewusst, dass ich mich am meisten bei Spaziergängen in der Natur entspannen kann“, sagt er. Damals verbrachte er viel Zeit im Home-Office in seiner Wohnung in Steglitz. Von hier aus hat er es nicht weit zum Grunewald, wo er sehr gerne wandert. Aber auch wenn er nur seinen Laptop braucht, um arbeiten zu können, ist er froh, auch wieder ins Büro fahren zu können. Denn der direkte Austausch mit seinen Kolleg:innen ist ihm sehr wichtig.
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