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Interview

„Ich erhoffe mir eine Stärkung des Zwei-Grad-Ziels“

Daniela Jacob. Bild: Christian Schmid

Ab dem 30. November versuchen Staats- und Regierungschefs aus aller Welt erneut, sich auf verbindliche Ziele zum Klimaschutz zu einigen – diesmal auf der 21. UN-Klimakonferenz in Paris. Die Erfolge der bisherigen Gipfel sind eher bescheiden. Wird sich das jetzt ändern? Ein Interview mit der Meteorologin Daniela Jacob, Leiterin des Climate Service Center Germany am Helmholtz-Zentrum Geesthacht

Frau Jacob, Ende November startet in Paris der nächste Klimagipfel. Das Ziel ist ein neuer Klimavertrag. Die 195 Teilnehmer-Staaten wollen sich auf selbst gesetzte, aber bindende Regeln zur Minderung ihrer CO2-Emissionen verständigen. Wäre die internationale Klimadiplomatie endgültig gescheitert, wenn dieser Vertrag nicht zustande kommen sollte?

Jede gemeinsame Verabredung zum Klimaschutz finde ich wichtig. Es wäre natürlich schön, wenn wir ein vertraglich verbindliches Übereinkommen hätten, mit einem verpflichtenden Charakter. Aber selbst dann wäre ja nicht gesagt, dass sich auch alle daran halten. Und statt einer freiwilligen Verabredung gar keine zu treffen, wäre eine vergebene Chance. Außerdem sehe ich auch in der Vorbereitung der Klimakonferenz eine gute Entwicklung: Verschiedene Staaten wie die USA und China fangen an, sich wieder zu positionieren. Es gibt also einen Austausch darüber, was möglich ist und was nicht. Das ist immer noch besser, als nicht miteinander zu reden. Ob die verabredeten Ziele bei der Geschwindigkeit, die wir momentan beim Klimawandel beobachten, schnell genug umgesetzt werden und dann auch greifen, werden wir sehen. Zumindest haben wir wieder eine gemeinsame Basis, von der aus wir weiterarbeiten können - die war vorübergehend verloren gegangen.

Große Industrienationen wie die USA, Russland oder Japan stiegen - scheinbar nach Belieben - mal aus den Klimaabkommen aus, mal wieder ein. Derweil nehmen die weltweiten CO2-Emissionen weiter zu. Welchen Sinn haben diese Vereinbarungen dann überhaupt?

Ich finde es wichtig, dass die Regierungen auf oberster Ebene über Klimathemen reden und versuchen, sich weitestgehend dazu zu einigen. Hier im Climate Service Center habe ich viel mit Entscheidungsträgern aus der Wirtschaft, der Verwaltung und der Gesellschaft zu tun und merke immer wieder, wie Handlungsmaßnahmen, um CO2 einzusparen, in bestimmten großen Unternehmen nur dann umgesetzt werden können, wenn man sich auf solche Abkommen beziehen kann. Ob bei den Klimagipfeln die Breite der Teilnehmer und die Abstimmungen über den genauen Wortlaut der Vereinbarungen in dieser Form sinnig sind, weiß ich nicht. Aber ich glaube, dass wir ohne diese Gipfel im Klimaschutz noch weniger weit gekommen wären.

Was erhoffen Sie sich persönlich vom Pariser Gipfel?

Eine Stärkung des Zwei-Grad-Ziels. Mittlerweile hört man ja immer öfter die Meinung, wir könnten es nicht einhalten. Deshalb erhoffe ich mir, dass nochmal klar darauf hingewiesen wird, wie wichtig es ist, dass wir versuchen, die Erwärmung der mittleren Temperatur ungefähr bei zwei, zweieinhalb Grad bis zum Jahr 2100 einzudämmen. Denn wenn wir den Ausstoß von Treibhausgasen auf dem heutigen Niveau beibehalten, könnte diese Erwärmung bereits Mitte dieses Jahrhunderts eintreten. Aus dem von uns koordinierten Projekt IMPACT2C gibt es neue Forschungsergebnisse dazu, welche Auswirkungen eine Erwärmung um zwei Grad in Europa hätte.

Welche sind das?

Das Klima ändert sich in Europa regional unterschiedlich. In Zentral- und Nord- europa nehmen Niederschläge und Verdunstung zu, im Mittelmeerraum dagegen ab. Das Überschwemmungsrisiko steigt in weiten Teilen Europas, während im Süden Dürren zunehmen werden. In den Sommermonaten werden im Mittelmeerraum die Ernteerträge zurückgehen, im hohen Norden können sie dagegen sogar steigen, wobei der Gesamtertrag dort immer noch gering sein wird. Und die Skiregionen, vor allem in Österreich, müssen mit Einbußen rechnen. Bei einem deutlich stärkeren Temperaturanstieg als zwei Grad wäre es entsprechend schwieriger, mit den Folgen umzugehen. Deshalb hoffe ich, dass dieses Ziel in Paris nochmal neu bestätigt wird. Außerdem hoffe ich, dass die afrikanischen und südamerikanischen Staaten beim Gipfel eine sichtbarere Rolle bekommen. Denn die Folgen des Klimawandels werden diese Länder viel dramatischer treffen als uns in Europa.

Wenn es darum geht, etwas gegen den Klimawandel zu tun, wird die Verantwortung gern weitergeschoben. Dann heißt es, die Politik muss handeln, die Industrie muss umweltfreundlicher werden oder die Forscher müssen genauere Daten liefern. Wer ist denn nun zuerst am Zug?

Alle gleichzeitig! In seinem letzten Bericht hat der Weltklimarat (IPCC) 2014 doch unzweifelhaft dargelegt, dass sich das Klima wandelt und dass ein wesentlicher Anteil davon menschengemacht ist, vor allem durch den Ausstoß von Schadgasen. Die Fakten sind klar. Nun muss jeder bei sich selbst anfangen.

Gibt es ein paar einfache Dinge, die jeder Einzelne von uns tun kann, um dem Klimawandel entgegenzuwirken?

Auf jeden Fall: so viel Energie sparen wie möglich! Das heißt nicht, dass man sich nicht zwischendurch auch mal etwas gönnen sollte. Ich halte nichts davon, den Bürgern eine Flugreise in den Urlaub aus Klimagründen madig zu machen. Aber es gibt andere Bereiche, in denen man enorm sparen könnte: Ich finde es zum Beispiel erschreckend, wie im mittleren und gehobenen Management Flugstrecken in Kauf genommen werden für kurze Treffen von zwei, drei Stunden, um irgendwelche Dinge zu besprechen, die man genauso gut über andere Medien hätte klären können. Wir sollten unbedingt überdenken, ob die Mobilität, die wir uns in der Arbeitswelt angewöhnt haben, wirklich sinnvoll ist und ob wir nicht stattdessen Medien wie Videokonferenzen viel mehr nutzen sollten. Ich glaube, dass man locker zwei Drittel der Treffen einsparen könnte. Da heißt es immer, der Einzelne solle zu Hause das Licht ausmachen, nicht so viel heizen und die Brötchen mit dem Fahrrad holen, was ja auch gut ist, aber wie man in der Arbeitswelt besonders die Flugmobilität verringern könnte, ist überhaupt noch kein Thema.

Nicht alle Folgen des Klimawandels sind negativ: So erwärmt sich mit der Atmosphäre auch der Untergrund, was wir geothermisch nutzen könnten. Von den steigenden Lebensmittelpreisen könnten mitteleuropäische Landwirte profitieren, weil ihre Ernten zunächst stabil bleiben sollen. Und woanders könnte man doch andere Nutzpflanzen anbauen. Gleichen sich Vor- und Nachteile vielleicht aus?

Weltweit gesehen überwiegen die negativen Folgen deutlich. Es hängt aber auch davon ab, wie stark die Erwärmung ausfällt: Pendeln wir uns im Zwei-Grad-Bereich ein, sind die Anpassungsmaßnahmen an die Veränderungen für uns besser zu schaffen als bei einer stärkeren Erwärmung. Würden die Temperaturen etwa um sechs Grad steigen, wären ganze Regionen unbewohnbar, etwa der Mittelmeerraum, wo es dann einfach zu heiß werden und das Wasser fehlen würde. Natürlich wird es einzelne Regionen geben, die von der Erwärmung profitieren, zum Beispiel der Ostseeraum: Wenn es dort ein paar Grad wärmer würde, wäre das gut für den Tourismus. Und wenn es dann am Plattensee in Ungarn oder im Mittelmeerraum 45 bis 48 Grad heiß wäre, würden die Urlauber sicher lieber an die Ostsee fahren. Aber im Vergleich zu den weltweiten Veränderungen sind das nur bescheidene regionale Vorteile, und die wiegen die gewaltigen Problematiken wie die Welternährung und die Wasserversorgung sicher nicht auf.

Nach außen entsteht manchmal der Eindruck, die Klimaforschung sei ungenau: Da muss wieder ein CO2-Wert oder eine Ozeanströmung angepasst werden, und schon ergeben die Klimamodelle eine ganz andere Zukunft. Ist es so schwierig, die richtigen Werte zu bestimmen?

Den zukünftigen Klimawandel können wir ja nicht messen, also müssen wir ihn irgendwie berechnen. Dazu werden Modelle genutzt. Wir können nur eine Wenn-dann-Beziehung aufstellen, die zum Beispiel heißt: Wenn wir es schaffen, die Schadgas-emissionen auf ein bestimmtes Level zu reduzieren, dann wird sich das Klima auf diese oder jene Weise entwickeln können. Aber wir können das Klima nie genau vorhersagen, weil wir einfach zu vieles nicht wissen, etwa die Entwicklung der Weltbevölkerung, des Wirtschaftswachstums, die Zahl der Vulkanausbrüche oder wie wir die Landoberfläche verändern werden. Diese Parameter können wir nur schätzen. Aber alle Klimamodelle ergeben eine Erwärmung der Erde bis zum Ende des Jahrhunderts. Wie hoch sie tatsächlich sein wird, hängt dann von all diesen Bedingungen ab. Wir können daher nur eine mögliche Bandbreite angeben.

Deutschland will die Energiewende ohne Atomkraft schaffen. Bis 2050 sollen die Treibhausgas-Emissionen um 80 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Der BP-Chef Bob Dudley hält Deutschland allerdings vor, dass man so nicht vorgehen sollte, weil durch den Atomausstieg wieder stärker auf Kohle gesetzt werden müsse. Steht der Atomausstieg der Energiewende im Weg?

Nein, das glaube ich nicht. Der Atomausstieg kam schnell, sodass wir im Moment in einer Übergangsphase sind, in der wir kurzfristig wieder etwas mehr auf fossile Brennstoffe zurückgreifen müssen. Langfristig war es aber die richtige Entscheidung. Im Hinblick auf den Klimawandel wären ein langsamerer Atomausstieg und ein schnellerer Umstieg auf erneuerbare Energien zwar wünschenswerter, aber das wäre politisch viel schwieriger umzusetzen gewesen. Ich glaube, dass diese Übergangsphase dem Klima nicht so sehr schaden wird, dass man sie nicht hätte eingehen dürfen. Und es gibt ja auch noch Gas, sodass wir den Kohleverbrauch gar nicht so weit hochfahren müssen.

Glauben Sie, dass Deutschland überhaupt die Voraussetzungen hat, um im großen Stil auf Wind-, Sonnen- und Wasserenergie umzustellen?

Auf dem Gebiet bin ich keine Expertin und kann keine Zahlen zum Potenzial nennen, aber Deutschland hat sowohl das technische Knowhow und große Teile der notwendigen Infrastruktur als auch die finanziellen Mittel, um auf erneuerbare Energien umsteigen zu können. Es ist wohl mehr eine Frage des Wollens und dauert natürlich eine gewisse Zeit. Aber ich sehe keinen Grund, warum Deutschland nicht einen massiven Anteil seines Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien beziehen könnte. Vieles könnte im eigenen Land generiert werden, etwa durch Wind- und Solaranlagen, insgesamt ist es aber nur im europäischen Verbund möglich. Deshalb hoffe ich, dass vom Klimagipfel in Paris auch ein deutliches Zeichen zur verstärkten Nutzung von Erneuerbaren ausgeht. 

Daniela Jacob (54) leitet seit Juni 2014 das Climate Service Center Germany (GERICS), eine Einrichtung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht. Das GERICS ist Ansprechpartner für alle Fragen zum Klimawandel und wendet sich als Informations- und Beratungsplattform an Entscheidungsträger aus der Politik, der Wirtschaft und an Meinungsführer der öffentlichen Wahrnehmung. Jacob hat Meteorologie an der TU Darmstadt studiert und am Meteorologischen Institut der Uni Hamburg promoviert. Darüber hinaus hat sie das wissenschaftliche Computermodell REMO entwickelt, das regionale Klimaszenarien berechnen kann.

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