Direkt zum Seiteninhalt springen

Interview

„Heimische Lithiumquellen sind enorm relevant“

Mehrere Kilometer tief im Untergrund des Oberrheingrabens gibt es relevante Lithiumkonzentrationen in Thermalwasser. Bild: byvalet/Shutterstock

Mehrere Kilometer tief im Untergrund des Oberrheingrabens gibt es relevante Lithiumkonzentrationen in Thermalwasser. Bild: byvalet/Shutterstock

Lithium ist essenziell für die Herstellung von Batterien. Im Interview erzählt Valentin Goldberg vom KIT wie man Lithium aus Thermalquellen in Deutschland an die Oberfläche holen könnte.

Die Energie tief unter unseren Füßen soll die Wärmewende voranbringen. Tiefengeothermie lautet das Zauber- und oft auch Reizwort. Dabei birgt das heiße Wasser noch einen ganz anderen Rohstoff, ohne den die Energiewende schnell ins Stocken geraten kann – Lithium. Das silbrig glänzende Metall ist längst zum Öl unserer Zeit geworden. Valentin Goldberg von der Abteilung für Geothermie und Reservoir-Technologie des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hat die Potenziale der Tiefengeothermie für die Produktion von Lithium untersucht. Im Interview erzählt er, wie man es an die Oberfläche holen könnte und warum das sinnvoll wäre.

Was unterscheidet eigentlich Tiefengeothermie von jener, die wir für das Heizen unserer Häuser nutzen?

Da geht es viel weiter in den Untergrund – bei uns hier in der Region typischerweise drei bis fünf Kilometer. Wir sprechen hier von der hydrothermalen Form der Tiefengeothermie, denn es werden wasserführende Formationen im Untergrund angebohrt. Das natürlich zirkulierende Thermalwasser wird über die Tiefbohrungen erschlossen und an die Oberfläche gefördert. Dort gibt es seine Wärme an einen Wärmetauscher ab. Die wird dann entweder direkt genutzt oder in elektrischen Strom umgewandelt. Das abgekühlte Wasser wird anschließend wieder in die gleiche Formation im Untergrund zurückgegeben. Es wird also in einem geschlossenen Kreislauf gehalten. Tiefengeothermie-Projekte sind typischerweise zentrale Lösungen, die von Energiebetreibern oder von der Großindustrie umgesetzt und betrieben werden.

Und ist in allen deutschen Thermalquellen Lithium in förderfähigen Konzentrationen gelöst?

Nein. Relevante Lithiumkonzentrationen finden Sie nur in bestimmten geologischen Formationen. Herausstechend sind hier der Oberrheingraben und das Norddeutsche Becken.

Lithiumchlorid in einer Glasschale. Bild: Uwe Anspach/dpa

Und wie wird Lithium nun gewonnen?

So wie der Kalk in unserem Leitungswasser gelöst ist, liegt in den Thermalwässern aus der Tiefe Lithium in gelöster Form vor. Aus diesen soll es nun selektiv herausgelöst werden. Das Schlüsselwort dafür ist Direct Lithium Extraktion, kurz DLE. Dazu werden aktuell unterschiedliche Verfahren untersucht. Eines sind anorganische Sorbentien. Das sind zum Beispiel Ionensiebe, die nur Lithium in ihre Mineralstruktur einbauen. Diese werden in den Thermalwasserstrom eingebaut und filtern das Lithium heraus. Die Lithiumgewinnung aus Geothermalwässern wird schon seit über 50 Jahren erforscht. Doch solche Extraktionssysteme sind komplexe chemische Anlagen, die zusätzlich zum Geothermiekraftwerk gebaut werden müssen. Das ist nicht so, als ob man da einfach einen kleinen Filter reinschraubt. Bisher scheiterte die finale technische Reife im Industriemaßstab stets an einem zu niedrigen Lithiumpreis. Und das ist jetzt anders, denn mit dem Ausbau der E-Mobilität in den letzten Jahren stieg der Lithiumpreis stark an und damit werden auch eher unkonventionelle Lagerstätten interessant.

Wie würde sich heimisches Lithium auf unsere Industrie auswirken?

Die Auswirkungen könnten nach unseren Erkenntnissen erheblich sein. Man muss sich einfach nur vor Augen halten, dass Lithium heute das zentrale Element für die State-of-the-Art Batterietechnologie ist. Es hat begonnen mit den mobilen Endgeräten wie Laptops, Tablets, Digitalkameras, Handys. Mittlerweile ist auch die Automobilbranche an die Batterien gekoppelt. Und Stromspeicher für die Energiewende sind im Kommen. Das ist die Nachfrageseite.

Valentin Goldberg ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für Geothermie und Reservoir-Technologie des Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Bild: KIT

Und das Angebot?

Nun, dreiviertel des Lithiums kommen heute aus zwei Ländern: Chile und Australien. Das heißt, wir haben einen ziemlich schlecht diversifizierten Markt mit wenigen produzierenden Ländern. Gleichzeitig wird nahezu das komplette Lithium in China verarbeitet. Das macht unseren Batteriemarkt sehr abhängig. Mit Blick auf die Versorgungssicherheit haben heimische Lithiumquellen also eine enorme Relevanz.

Welchen Bedarf könnte man mit der heimischen Förderung decken?

Das haben wir nachgerechnet. Würde man alle bestehenden Anlagen zur Tiefengeothermie in Deutschland jetzt und sofort mit einer Lithiumextraktionsanlage ausstatten, könnte man zwischen zwei und 13 Prozent des für die Batteriefertigung in Deutschland notwendigen Lithiums gewinnen. Mit jedem Geothermiekraftwerk in den entsprechenden Regionen, könnte es mehr werden.

Nun ist der Bedarf ja die eine Seite der Medaille. Wie sieht denn aber die Kostenseite aus?

Leider gibt es bisher keine kommerziellen Anlagen im Industriemaßstab, von denen wir die Kosten direkt ableiten könnten. Aber die notwendigen Bohrungen für eine Lithiumförderung sind vergleichbar mit denen in der Öl- und Gasindustrie – die liegen im zweistelligen Millionenbereich. Dazu kommen dann die Investitionen in das Kraftwerk und in die Extraktionsanlage. Alles zusammengenommen gehen unterschiedliche Studien von einem Preis von 4.000 bis 5.000 Dollar pro Tonne Lithiumcarbonat aus. Das ist die Form des Lithiums, die am Ende des Abbaus steht und dann in die Weiterverarbeitung zu Batterievorprodukten geht.

Und wie lassen sich diese Kosten im Vergleich zur klassischen Lithiumgewinnung einordnen?

Wie schon gesagt, gibt es zwei dominierende Lithiumproduzenten, die auch auf unterschiedliche Weise fördern. In Chile wird Lithium aus Salzseen abgebaut. Die Kosten für das gewonnene Lithiumcarbonat liegen bei 2.500 bis 3.000 Dollar pro Tonne. In Australien wird das Lithium hingegen im klassischen Tagebau aus einem Erzkörper gewonnen. Die Kosten betragen rund 5.000 Dollar pro Tonne Lithiumcarbonat und liegen damit in etwa gleichauf mit den Schätzungen für die Tiefengeothermie.

Blick in die Geothermie-Anlage in Bruchsal. Bild: EnBW/Uli Deck

Gibt es bereits Erkenntnisse, wie sich die Lithiumgewinnung auf die Geothermieanlagen und die Thermalquellen auswirken könnte?

Auf die geothermische Energieproduktion hätte die Lithiumgewinnung insofern Einfluss, als dass sie selbst Wärme und Strom verbraucht. Dieser Teil kann also nicht ins Netz gespeist werden. Wie hoch er ist, lässt sich aber noch nicht sagen. Wie sich die Anlagen auf die Thermalquellen auswirken, haben wir eingehend untersucht. Wir haben eine 30 Jahre dauernde, kontinuierliche Produktion simuliert und uns angeschaut, wie sich die Lithiumkonzentration dabei verhält. Danach ist es durchaus plausibel, dass innerhalb von fünf bis zehn Jahren die Lithiumkonzentration an der Produktionsbohrung in einer Größenordnung von 30 bis 50 Prozent abnehmen kann. Das klingt erst einmal viel. Aber anders als Öl- und Gasreservoire sind Geothermie-Reservoire keine geometrisch abgeschlossenen Formationen, sondern offene Strukturen. Es gibt also noch laterale Zuflüsse, die Lithium von anderen Seiten nachliefert. Deshalb fallen wir nicht komplett auf null, sondern nähern uns stattdessen einem konstanten Niveau an, wodurch auch über einen Zeitraum von 30 Jahren kontinuierlich produziert werden könnte.

Die Geothermie könnte also den Weg der Lithiumförderung aus Thermalwässern ebnen. Gibt es umgekehrt auch Auswirkungen auf die Nutzung der Geothermie?

Ich denke, die Tiefengeothermie wird dadurch einen Schub erhalten. Denn mittlerweile springen auch Öl- und Gasunternehmen auf den Zug auf. Für die war Geothermie zur reinen Strom- und Wärmegewinnung wenig attraktiv. Mit Lithium ändert sich das gerade. Außerdem kann die Lithiumgewinnung helfen, das Image der Geothermie zu verbessern. Hier ist die Sorge um Bergbaurisiken ein stetes Diskussionsthema. Doch Lithium hängt stark mit der Automobilindustrie zusammen. Und die  spielt für das Leben sehr vieler Menschen in Deutschland eine Rolle, sodass der Nutzen für viele Menschen begreifbar wird. Nicht zuletzt haben Tiefengeothermie und heimische Lithiumförderung auch etwas mit dem ökologischen Gewissen zu tun. Denn wie schon gesagt, beziehen wir heute unser Lithium vom anderen Ende der Welt. Abbau, Aufbereitung, Transport – alles verursacht eine Menge Emissionen. Mit Lithium aus Thermalwässern hätten wir einen lokalen Rohstoff. Das senkt nicht nur die Abhängigkeiten, es senkt auch den ökologischen Fußabdruck der Rohstoffe die wir hierzulande verwenden.

Leser:innenkommentare