Asteroid Psyche
Heavy Metal im Weltraum
Asteroiden sind kosmische Schutthaufen, eine Zusammenballung von Gesteinen – meistens zumindest. Eine Ausnahme könnte der Asteroid „Psyche“ sein, der jetzt durch eine Raumsonde untersucht werden soll. Forschende vermuten, dass er zum großen Teil aus Metallen besteht – genau wie Planetenkerne.
Asteroiden sind die übersehenen Juwelen des Sonnensystems: viel kleiner als die Planeten, weniger prominent als die Monde, nicht so schillernd wie die eisigen Kometen. Und doch dürften die Asteroiden, welche zu Hunderttausenden zwischen den Planeten Mars und Jupiter um die Sonne kreisen, noch unzählige Geheimnisse bergen. Eines der größten ist die Frage: Wie entstanden die Planeten in unserem Sonnensystem?
Nach heutigem Wissen sind sie wahrscheinlich aus kleineren Planeten-Vorläufern entstanden: den Protoplaneten. Die wiederum entstanden, indem sich kleinere Brocken zufällig zusammenballten – und unter der Hitze ihrer Kollisionen schmolzen. In der glühenden, zähen Masse sanken die schwersten Elemente ins Innere: die Metalle. Alle größeren Protoplaneten dürften einen schweren metallischen Kern gehabt haben. Heute sind diese Metalle fest eingeschlossen im Inneren der Planeten – und damit für Forschende praktisch unzugänglich.
Doch was, wenn es manche Protoplaneten nie bis zu einem großen Planeten geschafft hätten? Unbemerkt könnten solche planetaren Fossilien Jahrmilliarden überdauert haben. Ein Kandidat für einen solchen Himmelskörper ist der Asteroid „(16) Psyche“. Seine Größe und seine vermutete Zusammensetzung passen zu einem nackten Kern eines Protoplaneten. Eine gewaltige Kollision könnte ihn vor langer Zeit seines Mantels aus Gestein und anderer leichter Verbindungen beraubt haben. Forschende sind sich jedoch nicht einig, ob der metallreiche Asteroid „(16) Psyche“ wirklich auf diesem Wege entstanden ist.
Der Schlüssel zu dieser Frage trägt ebenfalls den Namen „Psyche“: eine Raumsonde, die vor kurzem ins All gestartet ist und die den gleichnamigen Asteroiden untersuchen soll. Erste Hinweise, die mit Teleskopen und theoretischen Berechnungen gewonnen wurden, deuten nämlich darauf hin, dass der Asteroid nicht zum großen Teil aus Gestein oder Kohlenstoffverbindungen bestehen dürfte, wie die meisten anderen – sondern fast vollständig aus Metall. Nach allem, was über die Verteilung von Metallen im Sonnensystem bekannt ist, dürften dies zu großen Anteilen Eisen und Nickel sein – aber auch seltenere Edelmetalle wie Gold, Silber und Platin. Psyche wäre der größte und schwerste in der vergleichsweise kleinen Gruppe der metallischen Asteroiden. Geformt wie eine Kartoffel ist er rund 225 Kilometer groß.
Um den Asteroiden erforschen zu können, hat die Raumsonde mehrere wissenschaftlichen Instrumente an Bord: darunter zwei Kameras für verschiedene Wellenlängenbereiche des Lichts, ein Messgerät für energiereiche Strahlung sowie Magnetfeld-Sensoren. Am Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) warten Forschende schon darauf, aus den Bilddaten der Kameras ein dreidimensionales Geländemodell des Asteroiden anzufertigen. Auch auf das Magnetfeld und die innere Zusammensetzung des Asteroiden sollen die Messungen der Geräte zurückschließen lassen. Das Magnetfeld des Kleinplaneten kann Aufschluss darüber geben, ob er jemals geschmolzen war (wie das Innere eines Protoplaneten) oder nicht (wie die meisten kleineren Himmelskörper). Die Kameras werden offenbaren, ob auch die Oberfläche des Asteroiden aus Metall besteht, oder ob er womöglich von Gestein, Eis oder anderen Stoffen bedeckt ist. Zudem werden minimale Verzerrungen in den Funkwellen ausgewertet, welche Antennen auf der Erde von der Raumsonde empfangen. Diese Analysen werden Aufschluss über die Schwerkraft – und damit auch die innere Zusammensetzung – von Psyche geben.
Das Forschungs-Team wird sich jedoch noch etwas gedulden müssen: Die Raumsonde soll den Asteroiden nämlich erst im Jahr 2029 erreichen, bevor sie ihn rund eineinhalb Jahre umkreist. Eine so lange Flugzeit ist in der Planetenforschung nichts Außergewöhnliches, denn Psyche gehört zu der wachsenden Gruppe von Forschungssonden mit Ionenantrieb. Dieser Antrieb setzt nicht auf die klassische chemische Verbrennung von Treibstoff. Stattdessen werden einzelne Atome elektrisch aufgeladen („ionisiert“) und mithilfe elektrischer und magnetischer Felder gezielt von der Sonde weg beschleunigt. So unglaublich es klingt: Die Sonde treibt sich durch den Rückstoß einzelner, davongeschleuderter Atome an. Die nötige elektrische Energie dafür bezieht sie aus ihren Solarpanelen. Antriebe dieser Art sind hocheffizient, verbrauchen also besonders wenig Treibstoff. Dafür können sie nur einen sehr geringen Schub aufbringen – die Reise ist also sparsam, aber langwierig.
Nur in einem ist der Asteroid Psyche weniger sensationell als gemeinhin berichtet: nämlich was seinen vermeintlich astronomischen Geldwert angeht. Die wissenschaftliche Leiterin der Psyche-Mission Lindy Elkins-Tanton von der Arizona State University sagte vor Jahren im Scherz: Alles Metall auf Psyche zusammengenommen hätte – rein rechnerisch – einen fiktiven Marktwert von mehreren Trillionen Dollar. Obwohl diese Rechnung nicht ernst gemeint war, wurde diese phantastische Zahl von den Medien häufig zitiert – dabei wären diese Metalle bei einem solchen Überangebot wertlos. Auch das Abbauen von Rohstoffen auf Asteroiden ist bislang reine Zukunftsmusik. Und so interessieren sich die beteiligten Forschenden nicht für den fiktiven Reichtum, den Psyche bergen könnte – sondern für die Geheimnisse zur Entstehung des Sonnensystems, die ganz sicher in ihm schlummern.
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