Interview
Gibt es Leben auf dem Mars?
Der Rover der NASA Perseverance sucht auf dem Mars nach Spuren mikrobiellen Lebens. Wie hoch die Chance auf Erfolg ist, erklärt Jean-Pierre Paul de Vera, Astrobiologe am DLR.
Seit Februar 2021 fährt der NASA-Rover Perseverance durch den Staub des Roten Planeten. Sein Auftrag: Nach allem Ausschau zu halten, was nach Spuren des Lebens aussieht. Der Rover wird auch erstmals Gesteinsproben mittels eines Bohrers entnehmen. Zwei zukünftige Missionen, der NASA und ESA sollen die Proben in den frühen 2030er Jahren zur Erde bringen, um sie eingehend zu analysieren.
Wonach Perseverance suchen muss, wo die besten Plätze dafür sind und wie hoch die Chance auf Erfolg ist, damit beschäftigt sich Jean-Pierre Paul de Vera. Der Astrobiologe leitet das Microgravity User Support Center (MUSC) am Institut für Raumflugbetrieb und Astronautentraining des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln.
Herr de Vera, mal ganz unabhängig von der aktuellen Marsmission: Warum suchen wir überhaupt so intensiv Spuren von Leben außerhalb der Erde?
Wir Menschen sind von Natur aus neugierig. Seit Urzeiten wollen wir wissen: Woher kommen wir und wohin gehen wir? Wir wollen wissen, ob wir alleine sind in diesem großen, ja geradezu gigantischen Universum. Wir wollen wissen, ob es vielleicht woanders noch Leben gibt. Das sind natürlich große Fragen, die über die Naturwissenschaften hinaus und weit in Philosophie und auch Religion hineinreichen.
Und was macht gerade den Mars zum idealen Ort für unsere Suche?
Der Mars war in der Vergangenheit bedeutend lebensfreundlicher als er uns heute erscheint. Es gab dort signifikant mehr flüssiges Wasser. Das sieht man vor allen Dingen an den verschiedenen ausgetrockneten Flusstälern und Seen. Es wird auch postuliert, dass es einen Ozean auf der Nordhemisphäre gegeben haben könnte. All das, so legen die Daten der Geologen nahe, scheint zwischen 3,5 und 4 Milliarden Jahre zurückzuliegen. Und das fällt genau in den Zeitraum, in dem wir den Beginn des Lebens auf der Erde vermuten. Es besteht also die Möglichkeit, dass damals auch der Mars erstes Leben hervorgebracht haben könnte.
Derart alte Spuren des Lebens sind auf der Erde kaum auszumachen. Warum sollte das auf dem Mars anders sein?
Es ist einer der Gründe, warum wir auf dem Mars nach Leben suchen: Wir vermuten, dass frühes Leben dort viel stärker konserviert ist, als auf der Erde und dass wir diese Materialien besser studieren können. Denn durch die Plattentektonik hat unser Planet schon einige Umwälzungen erfahren. Gestein ist abtaucht; wurde aufgeschmolzen; Vulkane haben es ausgespien; dann ist es wieder fest geworden. Auch hat die Erde eine dichte Atmosphäre und viel flüssiges Wasser. Beides zusammen lässt das Gestein erodieren. Das alles hat dazu geführt, dass unser Planet schon sehr oft umgewälzt wurde. Es gibt also nur noch wenige Gesteine aus der Zeit vor 3,5 bis 4 Milliarden Jahren, als das Leben hier begann. Auf dem Mars ist das anders. Da gibt es keine Plattentektonik. Die heutige Atmosphäre ist sehr dünn und es gibt sehr wenig Wasseraktivität.
Wie sehen denn die Spuren aus, die Sie zu finden hoffen?
Mit der Marsmission 2020 hoffen wir, zumindest organische Substanzen oder Biomineralien zu finden. Wir suchen also nach Relikten des Lebens.
Wie lassen sich denn von Lebewesen produzierte Minerale von gewöhnlichem Gestein unterscheiden?
Es gibt einige wenige, rein biologisch produzierte Mineralien. Bestimmte Oxalate zum Beispiel. Das sind Salze der Oxalsäure, die bei uns in vielen Pflanzen und Pilzen vorkommt. Können wir solche Biominerale eindeutig identifizieren, wäre das ein Hauptgewinn. Denn dann waren mit hoher Sicherheit Lebewesen am Werk. Andere Minerale können sowohl geologisch produziert als auch von Lebewesen freigesetzt werden. Kalzite zum Beispiel. Finden wir solche Minerale, schauen wir uns ihre Struktur und auch das Isotopenverhältnis genau an. So können wir erkennen, ob es ein Hinweis auf Leben oder letztendlich alles doch nur geologischer Natur ist.
Wie gehen Sie bei Ihrer Spurensuche vor?
Mit den Kameras des Rovers erkunden wir erst einmal das geologische Umfeld des Mars. Dabei halten wir Ausschau nach lebensfreundlichen Nischen oder solchen, die es früher einmal gewesen sein könnten. Sind wir dann dort angekommen, schauen wir uns das Material mit den mikroskopisch operierenden Kameras genauer an und starten letztendlich eine Vorevaluation. Ist das Gestein vielversprechen, gibt es zwei Möglichkeiten: Erachten wir die Proben als so wichtig, dass wir sie auf der Erde untersuchen sollten, charakterisieren wir sie mit den zur Verfügung stehenden Instrumenten nur grob. Stattdessen kommt der Bohrer zum Einsatz. Wir sammeln eine Probe. Deponieren sie. Und bringen sie mit einer späteren Rückholmission zur Erde. Entscheiden wir uns für eine genaue Untersuchung vor Ort, kommen unsere Spektrometer zum Einsatz. Die arbeiten auch mit Laserscans. Damit suchen wir nach Fingerabdrücken für bestimmte organische Substanzen oder Biomineralien. Finden wir diese, sind das wirklich handfeste Hinweise auf früheres Leben auf dem Mars.
Minerale sind ja sicher über Jahrmillionen stabil. Aber können denn auch organische Substanzen so lange auf dem Mars überdauert haben?
Bei Marssimulationsexperimenten in Laboren oder auch auf der ISS haben wir untersucht, wie Organismen aber auch deren Bestandteile über längere Zeit mit Weltraumbedingungen klarkommen und ob sie stabil bleiben. Daher wissen wir: Es gibt tatsächlich Chancen, dass Überreste von Leben auch auf dem Mars überdauert haben. Sonst würden wir ja nicht all diese Instrumente dort hinschicken.
Und tatsächlich haben bereits frühere Rover-Missionen organische Substanzen auf dem Mars nachgewiesen. Ob das jetzt wirklich auf Leben hinweist, ist noch die große Frage. Leider ist die Strahlenintensität an der Oberfläche sehr groß, wodurch die meisten komplexen organischen Substanzen sehr schnell in ihre Bestandteile zerlegt werden. Aber im Untergrund hätten wir dann wirklich Chancen; besonders, da Perseverance auch Bohrproben sammeln kann.
Und wie sieht es mit dem Leben selbst aus? Könnte es auf dem Mars tatsächlich bis heute überdauert haben und sich irgendwo verstecken?
Es ist ja so: Immer, wenn Leben Druck erfährt, ist es gezwungen, sich anzupassen. Oder es stirbt aus. Die große Frage ist nun: Wenn es jemals Leben auf dem Mars gegeben hat, konnte es sich an die heutigen Bedingungen anpassen? Ich denke, dass die Chance besteht. Denn es gibt Nischen auf dem Mars, die wir uns mal genauer anschauen sollten. Zum Beispiel die subglazialen Seen, die in sehr großer Tiefe liegen. Oder manche Hänge an denen Wasser periodisch in Rinnsalen auftritt. Doch das werden wir weder mit Perseverance noch mit dem ExoMars Rover tun, den ESA und Roskosmos im kommenden Jahr starten wollen. Wir werden solche Nischen nicht ansteuern. Denn wir wollen sie noch möglichst frei von unseren irdischen Keimen halten.
Wie können Sie dann überhaupt sicherstellen, dass Sie in den Proben vom Mars nicht einfach irdisches Leben finden, das Sie vorher selbst mitgebracht haben?
Natürlich arbeiten wir streng nach den Regeln der Planetary Protection Guidelines und setzen alles daran, den Rover und die Geräte so steril wie möglich zu halten. Das wird auch immer wieder während des Sterilisationsprozesses getestet. Und am Ende sind wirklich nur noch sehr wenige Zellen auf den Oberflächen vorhanden. Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Aber wir wissen, welche Organismen in den Sterilisationslaboren vorkommen. Und das sind eben nicht solche, die unter den extremsten Bedingungen überlebenden können. Sie weisen nicht die notwendige Resistenz auf. Auf dem Mars würden sie sich also nicht reproduzieren können. Sollten wir dann wenige Zellen von genau dieser Art bei einer Untersuchung finden, muss das eine Kontamination vom Rover sein. Und wenn wir weiter durch die Landschaft fahren, werden die wenigen überlebenden irdischen Mikroorganismen allein schon durch die Strahlung komplett verbraten.
Was bedeutet die aktuelle Suche nach Leben auf dem Mars für Sie persönlich?
Es ist sehr aufregend. Wir verfolgen jetzt jeden Schritt. Noch steht ja die Technologie im Vordergrund. Da ist zum Beispiel der Helikopter. Zu sehen, dass wir auf dem Mars ganz unabhängig von Ballontechnologie fliegen und so das Umfeld erkunden können, ist ein großer Meilenstein. Das mitzubekommen und dabei zu sein, ist allein schon fantastisch. Und dann ist da ja noch die existenzielle Frage: Sind wir allein im Universum. Dass ich selbst hautnah nach den Antworten suche, ist die Erfüllung eines Kindheitstraums.
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