Interview
Geballtes Know-how für die Energiewende
Herr Albrecht, Herr Jošt, worum geht es bei dem Projekt TAPAS.
Steve Albrecht: TAPAS ist ein European Partnering-Projekt zwischen Deutschland und Slowenien. Auf der einen Seite haben wir zwei Arbeitsgruppen vom Helmholtz-Zentrum Berlin und auf der anderen die Arbeitsgruppe von Marko Jošt an der Fakultät für Elektrotechnik der Universität von Ljubljana. Gemeinsam forschen wir an Tandem-Solarzellen. Für die Energiewende und für den Kampf gegen den Klimawandel. Wir entwickeln diese Zellen und wir versuchen, die Leistung unter realen Einsatzbedingungen zu simulieren und zu verstehen. Durch die Kombination aus experimentellen Messungen und Computersimulationen können wir eine Menge über diese Solarzellen lernen.
Marko Jošt: Das Gute an TAPAS ist, dass wir die Stärken aller beteiligten Teams miteinander kombinieren. So ist Steves Gruppe sehr erfahren in der Herstellung von Tandem-Solarzellen. Und meine Arbeitsgruppe in Slowenien ist darauf spezialisiert, die Stabilität von eben solchen Solarzellen unter Einsatzbedingungen zu untersuchen.
Erzählen Sie mehr vom Know-how, das Ihre Arbeitsgruppen in das Projekt einbringen.
Steve Albrecht: Am Helmholtz-Zentrum Berlin kümmert sich meine Arbeitsgruppe um die Material- und Zellentwicklung. Und um die Steigerung der Effizienz. Kurzum: Wir bauen und optimieren Tandem-Solarzellen.
Marko Jošt: Meine Arbeitsgruppe ist im Fachbereich der Elektrotechnik angesiedelt. Wir sind Ingenieure und haben viel Erfahrung mit optischen Simulationen und mit elektrischer und elektronischer Entwicklung. Wir bringen also viel Fachwissen über optische Modellierung und über die Modellierung des Energieertrags in TAPAS ein. Wir sagen voraus, wie viel Energie die Solarzellen während ihrer Lebensdauer erzeugen können. Und damit lassen sich verschiedene Technologien vergleichen. Und wir entwickeln die Elektronik – sowohl für Stabilitätstests als auch für Solarsimulatoren.
Bei Tandem-Solarzellen verwenden Sie ja neben herkömmlichem Silizium auch Perowskite. Was macht diese Materialgruppe so besonders?
Steve Albrecht: Eine herausragende Eigenschaft der Perowskite ist, dass wir sie für unsere Anwendungen maßschneidern können. Die Solarzellen, die man heute größtenteils kauft, sind aus Silizium. Das ist ein chemisches Element. Und dessen Eigenschaften kann man nicht verändern. Das Charakteristische von Perowskiten ist aber ihre spezielle Struktur, zu der man verschiedene chemische Elemente miteinander verbindet. Und je nachdem welche Elemente wir in welchem Mischungsverhältnis nutzen, verändern wir die Eigenschaften des fertigen Perowskits. Wir können beispielsweise die Farben des Materials definieren und damit festlegen, welchen Anteil des Sonnenlichts es besonders gut absorbiert. Anders als Silizium kann man Perowskite bei niedrigen Temperaturen verarbeiten. Das spart Energie bei der Herstellung. Man benötigt nur hauchdünne Schichten davon. Das spart Ausgangsmaterial und Gewicht. Und es ermöglicht das Aufbringen auf flexible Substrate wie Folien. Die können sich jeder Krümmung anpassen und beispielsweise für Zelte, Textilien, Smart Watches und in der Gebäudeintegration eingesetzt werden. Es gibt also eine große Vielfalt von Anwendungen.
Marko Jošt: Wenn es um Energie geht, dreht sich auch alles um den Preis. Das wird gerade in der aktuellen Energiekrise deutlich. Lange Zeit war Photovoltaik im Vergleich zu konventionellen Energiequellen nicht konkurrenzfähig. Mit der Entwicklung von Solarzellen aus kristallinem Silizium sind diese mittlerweile zu einer wettbewerbsfähigen Energiequelle geworden. Natürlich wollen wir noch billiger und effizienter werden. Und hier kommen die Perowskit-Solarzellen ins Spiel. Denn wir können sie sehr kostengünstig herstellen. Der Wirkungsgrad einer einzelnen Schicht ist bereits mit dem von Silizium-Solarzellen vergleichbar. Das große Potenzial liegt aber in der Verbindung mehrerer Schichten übereinander – auch in Kombination mit Silizium. Damit lässt sich die Ausbeute deutlich steigern und das bei einem sehr geringen Preisanstieg pro zusätzliche Schicht. Das macht einerseits den Solarstrom billiger. Andererseits brauchen wir damit auch weniger Platz für die gleiche Menge an Energie. Vor allem in Slowenien gibt es immer wieder Diskussionen darüber, wo wir Solarmodule aufstellen sollen. Ich denke, das ist ebenfalls ein sehr wichtiger Punkt.
Was sind die Ziele, die Sie mit dem TAPAS-Projekt erreichen wollen?
Steve Albrecht: Natürlich wollen wir den Wirkungsgrad weiter steigern. Das ist uns auch gelungen und wir haben mit über 32 Prozent vor Kurzem einen neuen Weltrekord für Tandem-Solarzellen aufgestellt. Mindestens genauso wichtig ist aber die Leistung der Solarzellen unter realen Bedingungen, also draußen auf dem Dach oder dem Feld. Das ist noch einmal etwas ganz anderes als all die Leistungstests, die wir im Labor durchführen können. Um unsere Solarzellen zu messen, haben wir eine Infrastruktur und spezielle Hardware entwickelt. Die Universität von Ljubljana ist sehr stark in der Entwicklung von Hardware, von Software und im Bereich der Simulation. Es ist ein sehr wichtiges Ziel des Projekts zu verstehen, wie Solarzellen in Innenräumen funktionieren und wie sie das im Freien tun.
Marko Jošt: Dabei ist eine Sache ganz interessant: Wenn man die Stabilität von Silizium-Solarzellen in Innenräumen testet, kann man daraus auf die Stabilität im Freien schließen. Bei Perowskit ist das nicht immer der Fall. Was wir also in Innenräumen unter simulierten Licht- und Dauerbedingungen messen, lässt sich manchmal nicht auf den Betrieb im Freien übertragen. Daher ist es sehr wichtig, dass wir draußen Stabilitätstests durchführen und sehen, wie sich die Zellen im wirklichen Leben verhalten. Denn im Freien haben wir wechselnde Beleuchtungsbedingungen wie Tag-Nacht-Zyklen. Und es gibt Temperaturschwankungen. Deshalb sind wir jetzt auch in Ljubljana dabei, unsere Systeme für verschiedene Bedingungen und unterschiedliche Gerätearchitekturen zu adaptieren. Was auch immer die aktuellen Forschungstrends ergeben, wir müssen es in der Elektronik umsetzen.
Was sind dabei die größten Herausforderungen, mit denen Sie sich im Rahmen des Projekts konfrontiert sehen?
Steve Albrecht: Die größte Herausforderung in den letzten zwei Jahren waren die Material- und Hardwareentwicklung und natürlich die Stärkung der Zusammenarbeit nach Covid. Wir haben mitten in der Pandemie angefangen. Es gab also eine kleine Verzögerung bei der Einstellung von Mitarbeitern und bei den Besprechungen, vor allem bei den Reisen zwischen Deutschland und Slowenien. Aber ich denke, wir haben es zu einem Erfolg gemacht. Und für den nächsten Schritt, sagen wir für die nächsten zwei Jahre in TAPAS, würden wir gerne Vergleiche zwischen den Leistungstests in Innenräumen und im Freien anstellen und Vorhersagen treffen. Ich meine, wenn wir diese Zellen verkaufen wollen, brauchen wir Stabilitätsgarantien in der Größenordnung von einigen Jahrzehnten. Und niemand kann 30 Jahre warten, bis wir Langzeiterfahrungen unter realen Bedingungen gesammelt haben.
Marko Jošt: Dafür brauchen wir eine Menge statistischer Daten und nicht nur eine oder fünf Solarzellen. Wir brauchen eher 500, um zu sehen, dass die Prozesse reproduzierbar sind. Bisher gibt es noch keine verlässlichen Stabilitätsstatistiken. Deshalb entwickeln wir Elektronik, die einige hundert Solarzellen gleichzeitig über längere Zeiträume hinweg testen kann. Und auf dieser Grundlage können wir dann Schlüsse ziehen, was zu optimieren ist. Denn manchmal zeigt sich, dass die leistungsstärkste Zelle nicht unbedingt die stabilste ist.
Und wie läuft die Zusammenarbeit bisher?
Steve Albrecht: Es ist eine sehr gute Erfahrung. Das Team ist super und arbeitet mit großer Leidenschaft zusammen. Es ist also mehr als nur ein Projekt, für das es Geld gibt. Es ist eine sehr freundschaftliche Basis und es gibt eine starke Motivation, die Dinge gemeinsam voranzutreiben. Ein sehr wichtiger Teil von TAPAS ist auch die Ausbildung jüngerer Forscher*innen. Wir haben Doktoranden im Rahmen des Projekts. Zwei von ihnen machen einen Doppelabschluss an der Universität von Ljubljana und der Technischen Universität.
Marko Jošt: Auch ich bin superglücklich mit TAPAS. Ich war vorher Postdoc in Steves Gruppe. Ich kenne also das HZB gut. Und als ich zurück nach Slowenien ging, bot mir TAPAS eine Plattform, um meine eigene Forschung zu beginnen. Ich bekam viel Unterstützung bei der Organisation des Labors, bei der Einrichtung der Anlagen und auch bei einigen Herstellungsverfahren. Und natürlich hat mir TAPAS Doktoranden zur Verfügung gestellt. Einer kommt aus Slowenien, einer aus Deutschland. Der slowenische Doktorand verbrachte viel Zeit in Ljubljana und half bei der Entwicklung der gesamten Hardware für die Stabilitätstests. Und in diesem Jahr wird der deutsche Doktorand nach Ljubljana kommen, worauf ich mich sehr freue. Da habe ich nicht nur zusätzliche personelle Unterstützung, sondern auch Einblicke in die fortgeschrittenen Herstellungsprozesse von Perowskiten.
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