Fünf Fragen an ... Fabian Coscia
Fabian Coscia bekommt eine Millionenförderung des Europäischen Forschungsrates ERC. Er will herausfinden, wie sich das Proteom von Zellen auf ihre Nachbarschaft auswirkt. Die Ergebnisse können insbesondere für die Krebsforschung von Bedeutung sein.
Gratulation zum Preis und der damit verbundenen Förderung! 1,5 Millionen Euro sind eine Menge Geld. Wie sehr hilft ihnen die ERC-Förderung?
FABIAN COSCIA: Vielen Dank. Wir freuen uns wirklich sehr über diese Auszeichnung. Das Preisgeld hilft unserer Nachwuchsgruppe wirklich sehr, um weiter zu wachsen und spannende neue Projekte zu starten, was sonst einfach nicht möglich gewesen wäre.
Was genau erforschen Sie?
Die DNA codiert die Proteine, die letzten Endes entscheiden, was die Zelle macht. Wir messen nun in Zellen, etwa aus einer Gewebeprobe, das Proteom, also die Gesamtheit der Proteine in einer Zelle. Das funktioniert mit Massenspektrometrie, einer Art molekularer Waage. Einzelne Zellen verfügen über Proteome in der Größenordnung von vermutlich 10.000 bis 12.000 Proteinen. Bei dieser großen Komplexität braucht man entsprechend feine analytische Verfahren. Das ist genau der Bereich der Massenspektrometrie (MS) basierten Proteomik. Hier hat sich in den letzten Jahren einiges getan, vor allem was die Empfindlichkeit der Methode angeht. Proteine lassen sich allerdings nicht nur identifizieren mit diesem Verfahren, sondern auch quantifizieren. Man kann also vergleichen, wie sich die Zusammensetzung und die Menge der einzelnen Proteine in verschiedenen Zuständen verändern.
Welche Fragestellungen leiten Sie daraus ab?
Es lassen sich im Prinzip sehr viele Fragestellungen damit beantworten. Für uns ist es am spannesten herauszufinden, wie die Nachbarschaft von Zellen in einem Gewebe das Proteom beeinflusst. Bei Krebszellen etwa ist es natürlich besonders interessant. In den letzten fünf Jahren wurden viele Methoden in diesem Bereich entwickelt, die aber analysieren, was auf RNA-Ebene passiert. Wir wollen eine Methode etablieren, bei der wir uns erstmals auch anschauen, was quantitativ auf Proteinebene passiert. Denn dass die Information durch die mRNA in der Zelle vorhanden ist, heißt ja noch lange nicht, dass das Protein auch tatsächlich hergestellt wird. Mittels MS-basierter Proteomik wollen wir genau sagen können: Bestimmte Proteine sind da und das kann bedeuten, dass die Zelle die und die Funktionen innehat oder sich in einer Richtung weiter verändert oder resistent wird gegenüber Therapien. Wir wollen erstmals diesen funktionellen Aspekt untersuchen mit Bezug auf die zelluläre Nachbarschaft.
Wie groß ist Ihre Arbeitsgruppe?
Aktuell sind wir sieben Personen und werden wohl durch den Grant auf neun bis zehn wachsen. Die Doktorand:innen sind hauptsächlich in der Krebsforschung, aber auch im Bereich Stoffwechselerkrankungen und neuro-degenerative Erkrankungen unterwegs. Unsere Methoden kann man ja relativ breit anwenden und das ist auch ein sehr spannender Teil unserer Arbeit. Gerade im Bereich Krebsimmuntherapien denken wir, dass die Methode sehr wichtig sein kann, denn da geht es genau um diese Fragestellung, also wie Zellen miteinander interagieren. Um verschiedene Signalwege, die aktiv oder nicht aktiv sind und darüber entscheiden, ob die Krebszellen bei eine Immuntherapie angreifbar ist. Bisher konnte man das nur auf RNA-Ebene machen und bei den bisherigen Proteinmethoden, also der räumlich aufgelösten Proteomik, musste man vorher auswählen, welche Proteine man sich anschauen will. Diesen gerichteten Ansatz wollen wir erstmals mit ungerichteter Proteomik ergänzen, um auch Dinge finden zu können, die in diesem Kontext noch gar nicht beschrieben wurden. Wir verfügen über die Empfindlichkeit, uns von sehr wenigen Zellen aus das komplexe Proteom anzusehen und wir hoffen auf viele spannende Signaturen, die man in vielfältiger Weise nutzen könnte, Stichwort Präzisionsonkologie.
Indem man bestimmte Proteine durch Medikamente ausschaltet, kann man die Zellen also angreifbar machen?
Wir nutzen diese Methodik zunächst in Verbindung mit retrospektiven klinischen Proben. Wir untersuchen also Gewebeproben, die vor 15 bis 20 Jahren isoliert wurden. Den Behandlungsverlauf der Patienten kennen wir daher. Mit unseren Proteomanalysen versuchen wir Signaturen aus den Daten zu ziehen, die uns hoffentlich neue Mechanismen finden lassen, warum bestimmte Tumoren überhaupt nicht angesprochen haben. Einerseits kann man so neue Biomarker-Signaturen entdecken, die man dann prospektiv testen kann, um PatientInnen zielgerichteter zu behandeln. Die zweite große Chance ist, dass wir, weil wir Proteindaten haben, auch auf neue therapeutische Angriffsziele schließen können. In der Krebstherapie sind fast alle Targets, die über Medikamente gezielt angegriffen werden, Proteine. Daran schließt sich die Frage an, ob man solche im Tumor hochregulierten Proteine dann auch therapeutisch hemmen kann.
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