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HELMHOLTZ Extrem

Forschung am See mit der größten Artenvielfalt

<b>Anpassungskünstler</b> Wie Flohkrebse sich an die Klimaveränderungen anpassen, wollen UFZ-Forscher herausfinden. Foto: UFZ

Auch was die Artenvielfalt angeht ist der Baikalsee rekordverdächtig. Wissenschaftler haben inzwischen 350 verschiedene Flohkrebsarten entdeckt. In ganz Europa kommen hingegen gerade mal zehn bekannte Arten vor. Woher kommt die Artenvielfalt?

In einem Quartettspiel über die Seen dieser Erde würde der Baikalsee im Südosten Sibierens ordentlich abräumen: Er ist 23 Millionen Jahre alt und damit der älteste See der Welt. Er fasst 23.000 Kubikkilometer Wasser – so viel wie alle Großen Seen Nordamerikas zusammen genommen. An seiner tiefsten Stelle misst er 1,6 Kilometer und ist damit auch noch der tiefste See der Erde. 

Einen Rekord bricht er aber auch in biologischer Hinsicht: So viele verschiedene Flohkrebsarten wie hier gibt es sonst wohl nirgendwo anders. „Bisher wurden im Ökosystem des Baikalsees rund 350 verschiedene Flohkrebsarten entdeckt. In ganz Europa gibt es im Süßwasser vielleicht zehn bekannte Arten“, sagt Till Luckenbach vom Leipziger Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Es steht fest, zumindest ein Drittel der bisher entdeckten Arten im See kommen nur im Baikal vor. Die einzigartige Tierwelt stellt die Wissenschaftler aber vor ein Rätsel, denn eigentlich sind die Bedingungen im See denkbar lebensunfreundlich: Zwischen vier und fünf Monate im Jahr ist er von einer bis zu zwei Meter mächtigen Eisschicht bedeckt – und das Wasser ist so nährstoffarm, dass es Tauchern eine kristallklare Sicht bis in 40 Meter Tiefe verspricht.

Die immense Artenvielfalt erklären sich die Forscher damit, dass die unterschiedlichen Tiefenstufen des Seegrunds viele ökologische Nischen schaffen. „Das kann man mit den Prozessen in einem Korallenriff vergleichen: Viele verschiedene Arten nehmen unterschiedliche Nischen ein - nur eben bei maximal sechs Grad Wassertemperatur im Baikalsee anstatt bei 25 Grad im Korallenriff“, sagt UFZ-Forscher Luckenbach.

Ein weiterer Rekord allerdings macht dem Baikalsee stark zu schaffen: Die Region ist weltweit mit am stärksten von der globalen Erwärmung betroffen. In den vergangenen 50 Jahren ist die Temperatur bereits um 1,5 Grad angestiegen – Tendenz steigend. Ein zusätzlicher Störfaktor für das Ökosystem sind die Industriebetriebe, der zunehmende Tourismus und die Siedlungen am Ufer, die ihr Abwasser in den See ableiten. Welche Auswirkungen das auf die Flohkrebse und das über Jahrtausende konstant gebliebene Ökosystem hat, können die Forscher derzeit höchstens erahnen. 

Lesen Sie für weitere Informationen zum See der Extreme auch den Artikel Hitzeschock im Baikalsee

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