Wasserstoff
Flüssige Energiespeicher
Um die Energiewende zu meistern, brauchen wir auch neuartige Speicher. Forscher aus Erlangen haben eine Technologie entwickelt, mit der sich flüssiger Wasserstoff in der heutigen Infrastruktur transportieren und hunderte Male wiederverwenden lässt. Dafür wurden sie für den Deutschen Zukunftspreis 2018 nominiert.
Die Energiewende bleibt hinter ihren Zielen zurück. Im Stromsektor stammen zwar bereits 31,6 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen, der Anteil in anderen Bereichen stagniert jedoch auf niedrigem Niveau. Im Verkehrsbereich sind es 5,2 Prozent, im Wärmebereich knapp 13 Prozent. Energie aus Wind oder Sonnenlicht steht prinzipiell zwar im Überfluss zur Verfügung – allerdings nicht immer dann, wann er gerade benötigt wird. Hinzu kommt, dass viele dünn besiedelte Regionen gute Voraussetzungen für den Bau ertragreicher Windkraft- oder Solaranlagen bieten, ihr Strom aber in Ballungsräumen gebraucht wird. Gesucht ist also ein Energiespeicher, der auch transportiert werden kann. Drei Forscher aus Erlangen, unter ihnen Peter Wasserscheid, Direktor am Helmholtz-Institut Erlangen-Nürnberg für Erneuerbare Energien (HI ERN), haben eine Lösung entwickelt, die die Lücke schließen könnte. Sie nutzt Wasserstoff, chemisch gebunden an eine Trägerflüssigkeit. die es erlaubt, das Gas in der heutigen Infrastruktur für Kraftstoffe zu speichern und zu transportieren. Die Wissenschaftler wurden für den Deutschen Zukunftspreis 2018 nominiert.
Als Energiespeicher steht Wasserstoff schon lange im Fokus der Wissenschaft. Unter gewöhnlichen Bedingungen gasförmig, lässt sich das Element durch Elektrolyse von Wasser mit Strom erzeugen. Ein großer Teil der elektrischen Energie wird dabei in chemische Energie umgewandelt. Die im Wasserstoff gespeicherte Energie kann damit bei Bedarf leicht zurückgewonnen werden. Eine Brennstoffzelle etwa produziert damit elektrischen Strom und als Nebenprodukt Wasser. In beide Richtungen dieser Transformation entsteht kein Kohlendioxid (CO2). Da aber Wasserstoff unter Normalbedingungen nur eine geringe Energiedichte pro Volumen hat, muss das Gas zum Aufbewahren und zum Transport unter hohen Druck bis 700 bar gesetzt oder bei unter minus 250 Grad Celsius verflüssigt werden. Beide Wege sind technisch aufwendig und teuer. Die nominierten Wissenschaftler haben hierfür eine Alternative erarbeitet.
„Wir suchten nach einer Trägerflüssigkeit, um regenerativ erzeugten Wasserstoff sicher verwahren zu können“, erläutert Wasserscheid. „Mit Dibenzyltoluol wurde ein Stoff gefunden, der industriell für seine hohe Stabilität und ungiftigen Eigenschaften bekannt ist und sich hervorragend als flüssiger Wasserstoffträger eignet.“ Dibenzyltoluol wird aus Toluol gewonnen, das bislang in großen Mengen als Benzinbestandteil verbrannt wird. Um Wasserstoff damit speichern zu können, hat das Team neben dem Stoffkonzept die erforderlichen Katalysatoren, Apparate und Prozesse entwickelt. An Testanlagen belegte es die Machbarkeit und brachte die Technologie zur Marktreife. „Das Prinzip ähnelt dem Füllen und Leeren einer Pfandflasche, die danach für den nächsten Speicherzyklus wieder bereitsteht“, sagt Wasserscheid. „Der flüssige Wasserstoffträger wird im Speicherzyklus nicht verbraucht, sondern kann mehrere hundertmal wiederverwendet werden.“
Die Technologie hat das Potenzial, in großem Maßstab praktisch eingesetzt zu werden. „Vor allem als Alternative zum Dieselmotor bieten sich Wasserstofftechnologien in Zukunft an“, betont Wasserscheid. „Auf längeren Strecken oder im Dauerbetrieb, wo sich bei der am Stecker aufgeladenen Elektromobilität Probleme auftun, kann die von Wasserstoff betriebene Elektromobilität viel leisten.“ Um konkrete Anwendungen mit flüssigen Wasserstoffträgern zu entwickeln, zu bauen und zu vermarkten, gründeten die Forscher 2013 die Hydrogenious Technologies GmbH. „Etliche Systeme sind bereits erfolgreich im Einsatz“, sagt der Wissenschaftler. „Mittelfristig sollen Schiffe, Züge, Lkw und Busse LOHC-gebundenen Wasserstoff direkt als emissionsfreien Treibstoff nutzen.“ Flüssige Wasserstoffträger können auch einen wichtigen Beitrag zum globalen Handel mit erneuerbarer Energien leisten. Da die Technologie nur auf die bereits bestehende Infrastruktur von Tankschiffen, Tanklagern und Tankstellen angewiesen ist, kann sie überall auf der Welt eingesetzt werden, ein enormer Vorteil, wenn es darum geht, den globalen Klimawandel zu verlangsamen.
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