Krebsforschung
Eine neue Chance gegen Krebs?
Die Immuntherapie wird als große Hoffnung gefeiert, um die Krankheit bald deutlich besser behandeln zu können.
„Chemotherapie ist sehr unspezifisch undihre Erfolge halten sich in engen Grenzen“ Rienk Offringa
Wie tausende Mediziner, Chemiker und Biologen in aller Welt forscht Offringa auf einem noch jungen Feld, das verspricht, endlich eine gezielte Waffe gegen den Krebs hervorzubringen: die Krebsimmuntherapie. Wie der Name schon sagt, bindet diese Therapie das körpereigene Immunsystem oder einige seiner Mechanismen ein. Der große Vorteil dabei ist, dass die immunologischen Prozesse, mit denen die Forscher arbeiten, hochselektiv sind. Auf diese Weise könnten Tumorzellen im ganzen Körper erstmals gezielt angegriffen werden.
<b>T-Zellen</b> gehören zu den weißen Blutkörperchen und sind Teil der Immunabwehr. Das T im Namen steht fürden Thymus, das Organ, in dem sie ausreifen. Bild: Juan Gärtner/Fotolia
<b>Immuntherapie</b> Krebszellen entstehen durch Mutationen, die etwa ein bestimmtes Merkmal der Zelloberfläche verändern. Werden T-Zellen mit einem dazu passenden Rezeptor ausgestattet, erkennen sie die Krebszellen und töten sie. Bild: ML/MDC
Rienk Offringa vom DKFZ geht in seiner Forschung noch einen Schritt weiter. Er zielt nicht darauf, die hemmenden Signalwege im Immunsystem zu blockieren, sondern diejenigen Signalwege zu fördern, die das Immunsystem aktivieren. Diese stimulierenden Faktoren sind bislang noch weniger gut erforscht als die Checkpoint-Hemmstoffe – aber wenn es gelingt, sie zu aktivieren, sind sie womöglich deutlich wirkungsvoller. Offringa erklärt das am Beispiel eines Autos: „Wenn ich von der Bremse gehe, kann es schneller fahren oder zumindest losrollen. Wenn ich aber aufs Gaspedal drücke, ist das viel wirkungsvoller: Dann macht es einen Satz nach vorn.“
Der zweite Weg, wie T-Zellen bei der Immuntherapie genutzt werden können, ist wesentlich spezifischer: Man entnimmt dem Patienten Blut und gewinnt daraus einige seiner T-Zellen. Im Labor stattet man diese Zellen mittels genetischer Veränderungen mit einem sogenannten tumorspezifischen Rezeptor aus und vermehrt sie. Zurück im Körper kann die kleine Armee veränderter T-Zellen den Tumor erkennen und ihn zerstören. Allerdings klingt das einfacher als es ist, denn die größte Herausforderung für die Wissenschaftler liegt derzeit in der Suche nach geeigneten Strukturen auf den Tumorzellen – Tumormerkmalen, auf die sie die T-Zellen ausrichten können. Wenn sie nämlich Strukturen wählen, die auch auf gesunden Zellen vorkommen, greifen die T-Zellen auch gesundes Gewebe an, der Vorteil einer gezielten Therapie wäre dahin.
Mehrere Arbeitsgruppen am Max-Delbrück- Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz- Gemeinschaft (MDC) und der Charité in Berlin konzentrieren sich aus diesem Grund auf Tumormerkmale, die aus Mutationen hervorgehen, also zufälligen Genveränderungen. Das ist naheliegend, denn Mutationen sind ursächlich für die Tumorentstehung und aus diesem Grund allein in Krebszellen zu finden.
„Genomanalysen werden heute immer besser, schneller und erschwinglicher“Wolfgang Uckert
Zusammen unter anderem mit Matthias Leisegang von der Charité, der ebenfalls am MDC arbeitet, hat Uckert von Mäusen entnommene T-Zellen bereits erfolgreich gegen Mutationen ausgerichtet, die auch bei einigen Hautkrebspatienten zu finden sind. Eine Therapie mit diesen T-Zellen hat hocheffizient gegen Tumore gewirkt, ohne Nebenwirkungen.
Grundlegend für diese Erfolge war die Entwicklung eines Tiermodells. Das bedeutet, die Wissenschaftler haben Mäuse mit einer bestimmten genetischen Ausstattung gezüchtet. Die Behandlung einer Tumorerkrankung in diesen Tieren ermöglicht es, genau die Tumormerkmale zu finden, die auch im Patienten ein effektives Ziel für T-Zellen darstellen. Denn: „Nicht alle umprogrammierten T-Zellen wirken gut gegen den Tumor. Es ist wichtig, die T-Zellen mit dem richtigen tumorspezifischen Rezeptor zu versehen, damit sie wirksam sind. Welche das mit hoher Wahrscheinlichkeit sind, lässt sich mit unserem Tiermodell beurteilen“, sagt Matthias Leisegang. Für die Forschung ist das Tiermodell daher enorm bedeutsam: Es zeigt den Forschern und womöglich später auch Ärzten, mit welchem Therapieansatz sie auf dem richtigen Weg sind.
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