Portrait
Ein Mann fürs Feine
Philipp Janusch wird in wenigen Tagen als Berlins landesbester Azubi im Bereich Feinwerkmechanik ausgezeichnet. Seine Ausbildung hat er am Helmholtz-Zentrum Berlin erhalten. Die Herausforderungen der Forschung haben ihn in diesen Beruf gelockt.
“Ach, da ist ja unser Star!”, lacht eine Mitarbeiterin der Cafeteria, als sie Philipp Janusch beim Mittagessen entdeckt. Der junge Mann grüßt freundlich zurück, nippt an seinem Wasser und schaut ein wenig verlegen drein. Am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) ist der 24-Jährige bekannt wie wohl kein anderer in seinem Alter. Er wurde gerade ausgezeichnet als landesbester Feinwerkmechaniker 2017. Das hat sich schnell herumgesprochen. Und da er schon immer gern das Gespräch mit Kollegen gesucht hat und trotz seiner Auszeichnung nicht abgehoben ist, wird er auch jetzt, einige Monate nach seinem Ausscheiden am HZB, mit einem Lächeln begrüßt.
Der gebürtige Berliner hat seine Tätigkeit im HZB bereits im Mai 2017 beendet. Seine ehemaligen Kollegen freuen sich aber immer noch über seinen Besuch. Neugierig wird er befragt nach seiner Auszeichnung und seinen Vorhaben – und da hat er viel zu erzählen.
Der schmal gebaute junge Mann, der die blonden Haare zu einem tief gekämmten Seitenscheitel trägt, stammt aus einer Forscherfamilie im Bereich Medizin und Biologie. Studieren wie viele seiner Freunde wollte er aber zunächst nicht. Ihn interessierte schon immer das Handwerk. Nach dem Abitur absolvierte er deshalb von September 2014 bis Februar 2017 eine Ausbildung zum Feinwerkmechaniker. Die Forschung hat ihn auf andere Weise fasziniert. Er hat sich deshalb am HZB in Wannsee beworben.
Schon früh interessierte sich Janusch für Technik: Seit seinem 11. Lebensjahr engagiert er sich ehrenamtlich beim Technischen Hilfswerk. Von der Jugendgruppe wechselte Janusch in eine Bergungsgruppe, von der er nun seit drei Jahren Gruppenführer ist. Beim THW kann er sich mit Materialien und Technik beschäftigen, an Rettungsgeräten schrauben und drehen.
Auch Zuhause im Elternhaus in Steglitz geht der Berliner seiner Begeisterung für Technik und Mechanik nach: “Ich habe zwei Motorräder aus den 60er Jahren, an denen ich seit ein paar Jahren in unserer Garage herumbastele”, erzählt er. Seine Begeisterung für besondere Einzelstücke jenseits der Massenware brachte ihn schließlich zur Wissenschaft. “Ich wollte nicht in der Massenfertigung arbeiten, sondern spezielle, besondere Teile fertigen.” Die Wissenschaftler benötigen für ein bestimmtes Experiment oft nur eine Handvoll von Einzelstücken, die aber bis auf den tausendstel Millimeter genau gefertigt sein müssen. Erst wenn Länge, Durchmesser, Symmetrie und Ebenheit des Bauteils genau stimmen, kann es für wissenschaftliche Abläufe eingesetzt werden. Darum ist Maßarbeit und sorgfältiges Handwerk sehr wichtig. Genau diese Sorgfalt bringt Janusch mit.
Würden in der Wirtschaft mitunter hunderttausende Teile aus einem Prototypen gefertigt, so seien es in der Wissenschaft oft nur eine Handvoll, und die müssten dann perfekt sein. “Um die filigranen Teile so zu fertigen, dass alle Bewegungen ohne Widerstand ablaufen können, muss man schon perfektionistisch sein”, meint Philipp Janusch.
Während seiner Ausbildung in der Werkstatt lernte er den Umgang mit Bohr-, Fräs- und Drehmaschinen, um Einzelteile für wissenschaftliche Aufbauten und Geräte herzustellen. Er stellte dabei viele Kleinteile her, wie etwa Schrauben, Wellen oder sogenannte Flansche für Vakuumkammern. Eines seiner größten Projekte war ein Herzscheibenantrieb für eine optische Kammer. Nach einer Weile in der Ausbildungswerkstatt rotierte er, um möglichst viele verschiedene Bereiche des HZB kennenzulernen. So arbeitete er in der Schlosserei, am Elektronenspeicherring BESSY I sowie am Forschungsreaktor BER II mit.
Um keine Zeit zu verlieren, strebte Philipp Janusch an, seine Ausbildung von 3,5 auf 2,5 Jahre zu verkürzen. Das war möglich, weil er bereits das Abitur in der Tasche hatte und ihm dieses angerechnet wurde. Da Janusch zudem sowohl den ersten Teil der Gesellenprüfung als auch die interne Prüfung sehr gut abgeschlossen hatte, stimmte auch sein Ausbilder der Verkürzung zu. Seine herausragenden Leistungen, die er in Prüfungen und in der täglichen Arbeit bewies, wurden schließlich im November 2017 mit dem Titel ausgezeichnet. Am 23. Januar wird er seine Urkunde in der Handwerkskammer Berlin erhalten.
Seit Beendigung seiner Tätigkeit am HZB vor einem halben Jahr verfolgt er sein nächstes Ziel: den Meisterbrief. Die noch fehlenden Teile Fachtheorie und Fachpraxis wird er an der Bildungsakademie Singen am Bodensee absolvieren. “Ich hoffe, dass ich in Konstanz dann bald meinen Meisterbrief überreicht bekomme.“ Um sich Meister nennen zu dürfen, nimmt er einen Umzug und die entstehenden Kosten von rund 20.000 Euro in Kauf.
Ein Ende der Lehrjahre ist allerdings noch längst nicht in Sicht: “Ich mag meinen Beruf sehr, aber habe so viele Interessen, dass ich immer etwas Neues machen möchte.“ Durch ein Betriebswirtschafts-Studium erhofft er sich, noch etwas zu den Themen Organisation, Planung und Optimierung zu lernen. “Das deckt dann meinen anderen großen Interessensbereich ab.“
Auf lange Sicht möchte er nicht in der Werkstatt an Geräten schrauben. Langfristig strebt er eine Führungsposition an. Er will Dinge organisieren, nach außen wirken, wie er sagt. Dabei bleibt er aber noch zurückhaltend. “Ich werde nicht gerne fotografiert. Facebook und Instagram habe ich auch nicht”, erzählt er. Es scheint, als ginge es ihm, wie bei der Feinmechanik, nicht um die Oberflächliche, sondern um das Innenleben. Und dann verabschiedet er sich von seinen ehemaligen Kollegen mit einem zarten Händedruck.
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