Portrait
Ein Mann des Meeres
Burkard Baschek vom Helmholtz-Zentrum für Material- und Küstenforschung in Geesthacht untersucht einen rätselhaften Lebensraum und möchte die Öffentlichkeit mit seiner Faszination anstecken.
Alles hier erinnert an das Meer: Schon im Eingang von Gebäude 11 des Helmholtz-Zentrums für Material- und Küstenforschung in Geesthacht (HZG) steht ein Modell des Forschungsschiffes Ludwig Prandtl und eine runde, rot-gelbe Wellenboje, deren Lichtsignal nun ins Treppenhaus blinkt. An allen Wänden hängen Bilder von Küstenstreifen und Wasser.
In einem Eckbüro im Obergeschoss arbeitet Burkard Baschek daran, Ozeanwirbel zu erforschen. Baschek - schlank und urlaubsbraun in einem blau-weißen Ringelpullover – ist Leiter für den Bereich Operationelle Systeme des Instituts, außerdem Professor für Küstenforschung und Instrumentation an der Universität Kiel. Und ein Mann, der sein Thema früh gefunden hat.
Geboren und aufgewachsen ist er in Heidelberg. Das Meer aber hat ihn schon immer fasziniert. In den Ferien machte seine Familie Urlaub in Dänemark. Burkard Baschek interessierte sich für die Brandung, die Gezeiten, die Energie der Wassermassen. Und er spürte sie beim Segeln und Seekajak fahren. Seinen Zivildienst leistete er auf Sylt.
In seiner Heimatstadt Heidelberg studierte er zuerst Physik, um die physikalischen Grundlagen zu lernen. Nach dem Vordiplom wechselte er in den Studiengang Physikalische Ozeanographie an der Uni Kiel. Seitdem ist er Weltbürger: Doktorand in Kanada, Postdoc in Massachusetts in den USA, dann Assistent Professor an der University of California in Los Angeles. „Ich habe von jedem Wechsel profitiert“, sagt Baschek.
2012 übernahm er die Institutsleitung am Helmholtz-Zentrum Geesthacht und zog mit seiner Frau und den zwei kleinen Kinder zurück nach Deutschland. Sie wären auch in ein anderes Land gegangen, aber heute ist Baschek überzeugt: „Hier kann ich etwas tun, das ich nirgendwo sonst umsetzten könnte.“ Nur mit einer langfristigen Finanzierung seien Projekte wie die „Expedition Uhrwerk Ozean“ denkbar.
Das Projekt macht die aktuelle Forschung des HZG auch für Öffentlichkeit sichtbar, indem es ein ungewöhnliches Phänomen zeigt: Auf der Meeresoberfläche bewegen sich unzählige Wasserwirbel. Manche sind nur wenige Meter groß, andere mehrere Kilometer. Sie vermischen das Wasser und verändern so den Lebensraum von Kleinstlebewesen, die am Anfang der Nahrungskette vieler Meeresbewohner stehen. Vielleicht beeinflussen sie sogar das Weltklima. Viel weiß man noch nicht über sie, aber die Suche nach Antworten können alle mitverfolgen.
Im Juni flog ein Zeppelin über die Ostsee und filmte die Wirbel mit Spezialkameras. Drifter wurden ins Wasser gelassen, um dort die Strömung und Temperatur in den Wirbeln zu messen. Das Ganze wird begleitet von einem Film, der auf der eigens erstellten Internetseite zu sehen ist. Um noch tiefer in die Welt der Ozeane eintauchen zu können, wird der Film sogar in einem aufblasbaren Kuppel-Kino in Fulldome-Projektion gezeigt.
Burkard Baschek forscht nicht nur für sich und die Wissenschaft. Er möchte seine Faszination teilen, ähnlich wie der Unterwasserarchäologe Robert Ballard, bekannt durch den Fund der Titanic, der schon in den 90er-Jahren Unterwasser-Expeditionen live zu Schülern übertragen ließ. „Es muss möglich sein, Wissenschaft zu erklären, einfach, anschaulich und trotzdem korrekt“, sagt er. Die mobile Kuppel wurde zum Beispiel beim Bürgerfest der Deutschen Einheit in Frankfurt am Main aufgebaut. Mehr als 3000 Besucher sahen sich den Film über die Wasserwirbel an.
Baschek nennt es das „Abenteuer Wissenschaft“. Ein Kollege hat von „James-Bond-Wissenschaft“ gesprochen, der Ausdruck gefällt ihm auch. Es geht um das Suchen und das Jagen von Erkenntnissen. Es gibt noch so viel Unerforschtes. „Vor sieben Jahren hatte man noch keine Beobachtungsdaten zu den kleinen Ozeanwirbeln“, sagt Baschek. „Heute sind wir weltweit führend in der Forschung.“
Sein Forschungsgebiet, das Meer, ist der unbekannteste Lebensraum der Welt. Sogar über das Weltall weiß man mehr. Das liegt daran, dass man die Sterne vom Land aus beobachten kann. Auf das Meer aber muss man mit teurer Ausrüstung hinausfahren - und sieht dann doch nur die Oberfläche. Unzählige Arbeitsstunden kostet in der Ozeanographie allein die Pflege der technischen Ausrüstung, die im Salzwasser erodiert, mit Algen zuwuchert oder neu kalibriert werden muss.
Über seine Arbeit sagt Baschek: „Man muss sich die Zeit nehmen, verrückte Gedanken zu haben. 90 Prozent verwirft man, aber mit den 10 Prozent ist schon viel gewonnen.“ So gelingt ihm und seinem Team, was Kollegen für unmöglich halten. Zum Beispiel mit einem Schleppkabel Daten zu sammeln, während man es mit der hohen Geschwindigkeit von 10 Knoten durch das Wasser zieht.
Am Nachmittag hat Baschek eine Besprechung zur Uhrwerk Ozean Kampagne. Am Tisch sitzt auch seine Frau Tanja, die Ansprechpartnerin für die Öffentlichkeitsarbeit des Projekts ist. Burkard Baschek spricht ruhig. Sein Blick ist genau. Er sieht ein falsch geschriebenes Wort in einer Präsentation oder dass ein Einsatzplan seine Mitarbeiter zu sehr belastet. Auch über Details denkt er nach: Sollte man ein Plakat an die Bauzäune hängen? Wie weit ist es zum Hotel? Er möchte, dass man dem Publikum einen echten Glider zeigt und in eine Präsentation Fotos der Arbeit aufgenommen werden. Alles soll so anschaulich und real wie möglich sein.
Viel Arbeit liegt hinter der Gruppe, viele Erfolge auch. Baschek und seine Kollegen waren die Ersten, die die Wirbel in dieser Genauigkeit untersuchen konnten. Gerade wurde die Pressestelle für die Expedition Uhrwerk Ozean vom Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) als Pressestelle des Jahres nominiert, darum erinnert Burkhard Baschek - ganz ernst und ruhig – auch noch daran, dass sie das Feiern nicht vergessen dürfen.
Hier geht es zum Resonator Podcast mit Burkhard Baschek
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