Direkt zum Seiteninhalt springen

Foundation Models

Ein KI-Tausendsassa für Photovoltaik

Aufbau einer Tandem-Solarzelle. Bild: Helmholtz

Kostengünstiger Sonnenstrom ist eine zentrale Säule im Kampf gegen den Klimawandel. Doch noch hakt es bei Ausbaugeschwindigkeit und Leistung der Photovoltaik. Mit SOL-AI wollen Helmholtz-Forschende einen digitalen KI-Assistenten entwickeln, der selbstständig neue Materialen generieren und Herstellungsprozesse optimieren kann.

Die weltweiten CO2-Emissionen müssen laut Weltklimarat bis 2050 auf Netto-Null sinken, wenn die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius beschränkt werden soll. Der Schlüssel zum Erfolg ist dabei die Energiewende – und eine Schlüsseltechnologie die Photovoltaik. „Wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen wollen, benötigen wir bis 2050 zwischen 80 und 100 Terawatt/peak (TWp) installierte Photovoltaikleistung. Heute liegen wir bei knapp über einem Terawatt“, sagt Stefan Sandfeld, Direktor des Instituts IAS-9 – Materials Data Science and Informatics am Forschungszentrum Jülich. „Das ist eine gewaltige Herausforderung. Momentan vollzieht sich der Ausbau aber noch viel zu langsam. Und die aktuelle Solarzellgeneration erreicht die nötigen Leistungszielwerte nicht.“

Stefan Sandfeld ist dennoch optimistisch. Denn neue KI-Anwendungen – sogenannte Foundation Models – könnten auch Materialwissenschaften und Photovoltaik revolutionieren. An einem solchen „Game Changer“ arbeitet der Experte für Materialinformatik derzeit gemeinsam mit Forschenden des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), des Helmholtz-Zentrums Berlin für Materialien und Energie (HZB) und des Helmholtz-Zentrums Hereon. „Unser Projekt SOL-AI wird für die Photovoltaik eine Anwendung schaffen, die dem Heiligen Gral der Materialwissenschaften schon sehr nahekommt“, erklärt Stefan Sandfeld. „Denn schon immer träumen Ingenieure von einem Werkzeug, dem man sagen kann: ‚Ich möchte ein Produkt mit genau diesen Eigenschaften haben‘. Und der Automat gibt dann einfach ein maßgeschneidertes Kochrezept für die Herstellung aus.“

Ein Navigator im Datenmeer

Die Forschungs- und Entwicklungsbemühungen im Bereich Photovoltaik nehmen seit den 2010er Jahren rasant zu. Die Folge ist eine wahre Informationsflut aus wissenschaftlichen Publikationen. Das Problem: Die schiere Masse an Daten ist kaum noch auswertbar. Zudem sind die Informationen extrem divers: So gibt es Daten zur Silizium-Kristallstruktur auf atomarer Ebene, zur Schichtung der Materialien in einer Solarzelle, optische Spektren, sogenannte jV-Kurven – sie beschreiben wie ein Fingerabdruck das Gesamtverhalten einer Solarzelle – und viele andere mehr. Wer hier vom Atom bis zur kompletten Photovoltaik-Anlage einen Gesamtüberblick haben will, muss komplexe Brücken zwischen den äußerst unterschiedlichen Datenblöcken bauen.

Stefan Sandfeld, Director am Institute for Advanced Simulation Materials Data Science and Informatics (IAS-9): Bild: Forschungszentrum Jülich

Hier kommt SOL-AI ins Spiel. „Wir bündeln die Expertise von vier Helmholtz-Zentren und entwickeln ein Foundation Model, das die Unmengen von sehr heterogenen Daten zusammenführt und analysiert. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist für eine so umfangreiche Kooperation optimal aufgestellt, denn nur hier gibt es das nötige KI-Wissen, gebündelt mit der Expertise im Bereich Photovoltaik, und die Rechenpower, um das Modell laufen zu lassen“, sagt Projektleiter Stefan Sandfeld. „Die bislang üblichen KI-Modelle verarbeiten und lernen überwacht. Der Mensch muss also beim Training als Lernziel genau vorgeben, was ein KI-Modell ausgeben soll. SOL-AI lernt dagegen ohne menschliche Hilfe selbstüberwacht und kann so auch Daten nutzen, zu denen gar kein Lernziel vorgegeben wurde. Zudem wird es fehlende Daten interpolieren und fehlerhafte Daten identifizieren und ausschließen können.“

Fragen an den digitalen Assistenten

Durch das Training entsteht schließlich eine Art digitaler Tausendsassa, dem man semantische Fragen in normaler Sprache stellen kann. „Welche Lebensdauer wird meine geplante Solarzelle voraussichtlich haben? Welche Materialen sollte ich verwenden? An welchen Stellen kann ich meine Produktionslinie optimieren? „SOL-AI soll auf all diese Fragen maßgeschneiderte schnelle Antworten liefern“, erklärt Stefan Sandfeld. „Das KI-Modell wird sogar ganz neue, noch effizientere Materialien und Technologien mitsamt Herstellungsprotokollen für prognostizierte jV-Kurven generieren können. Damit schaffen wir ein Werkzeug, das die Entwicklung von Photovoltaik und den Weg zu hocheffizient und kostengünstig produziertem Sonnenstrom erheblich verkürzen könnte.“

SOL-AI ist Teil der Helmholtz Foundation Model Initiative (HFMI) und wird nach seiner Veröffentlichung weltweit frei nutzbar sein um die Energiewende maximal zu beschleunigen. Auch kommerzielle Spin-Offs werden davon profitieren, um den nahtlosen Transfer von der Grundlagenforschung bis zum fertigen Produkt zu gewährleisten.

Helmholtz Foundation Model Initiative

Bei den sogenannten Foundation Models handelt es  sich um eine neue Generation von KI-Modellen, die eine breite Wissensbasis haben und deshalb in der Lage sind, eine Reihe von komplexen Problemen zu lösen. Sie sind deutlich leistungsstärker und flexibler als herkömmliche KI-Modelle und bergen somit ein enormes Potenzial für die moderne, datengetriebene Wissenschaft. Sie können mächtige Werkzeuge werden, die eine Vielzahl von  Forschungsfragen beantworten. Die Helmholtz-Gemeinschaft bringt ideale  Voraussetzungen mit, um solche zukunftsweisenden  Anwendungen zu entwickeln: eine Fülle an Daten,  leistungsstarke Supercomputer, auf denen die Modelle trainiert werden können, und eine tiefgreifende Expertise im Bereich der künstlichen Intelligenz. Unser Ziel ist es, Foundation Models über ein breites Spektrum von Forschungsfeldern hinweg zu entwickeln, die zur Lösung der großen Fragen unserer Zeit beitragen.

Helmholtz Foundation Model Initiative

Themenseite Künstliche Intelligenz

Leser:innenkommentare