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CO2-Speicherung

Down to earth

Bohranlage in Ketzin. Bild: GfZ

Welche Rolle kann das Carbon Capture Storage (CCS) im Maßnahmenmix zum Erreichen der Klimaziele spielen und wie sicher ist die Methode?

Der kritische Punkt liegt bei 1,5 Grad. Stärker darf die globale Durchschnittstemperatur sich vom Beginn der Industrialisierung (1850-1900) bis 2100 nicht erhöhen. Sonst wird es in weiten Teilen der Erde unangenehm bis lebensfeindlich. Doch nach wie vor stoßen Menschen in immer größerem Maße Treibhausgase aus, der Anteil von CO2 beispielsweise stieg um 44 Prozent  gegenüber dem Mittelwert der Jahre 1850 bis 1900. In der Atmosphäre verbleiben diese Gase zum Teil Tausende von Jahren. Die Folge: Wärme wird nicht mehr in den Weltraum abgestrahlt und der Klimawandel forciert. „Um die heutigen Temperaturen beizubehalten, müsste die Konzentration an CO2 in der Atmosphäre von 410 auf 353 parts per million sinken“, erläutert Torsten Sachs, Leiter der Arbeitsgruppe Erde-Atmosphäre-Interaktionen am GFZ Potsdam. „Von 2021 bis 2100 beläuft das verbleibende Budget für Deutschland sich auf etwa 7,8 Gigatonnen CO2.“

Was derzeit hierzulande jährlich ausgestoßen wird, entspricht schon einem Zehntel davon. Das Ziel lautet, unsere CO2-Emissionen auf Null, beziehungsweise Netto-Null zu reduzieren. Den Energieverbrauch zu senken, Energie effizienter zu erzeugen und erneuerbare Energien auszubauen, wird allein nicht reichen. Treibhausgas-Emissionen, die sich überhaupt nicht vermeiden lassen, gilt es auszugleichen. Das heißt: An anderer Stelle wird der Atmosphäre CO2 entzogen. Die Bilanz ließe sich so auf Netto-Null bringen. „Eine zentrale Rolle bei der Neutralisierung nicht vermeidbarer Emissionen spielt die Abscheidung von CO2 mit anschließender Speicherung in tiefliegenden porösen Gesteinen: Carbon Capture and Storage, kurz CCS“, sagt Josef Zens. Er leitet die Öffentlichkeitsarbeit am GFZ.  

Experten schätzen die Kapazität auf sechs bis zehn Milliarden Tonnen COpro Jahr

Experten der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe schätzen, dass Kapazität für CCS sich in Deutschland auf sechs bis zwölf Milliarden Tonnen beläuft. Zum Vergleich: Die hiesige Energieerzeugung, Stahl-, Zement- und Petroindustrie emittieren jährlich etwa 0,4 Milliarden Tonnen CO2. Weltweit werden die Speicherpotenziale auf mindestens 2.000 Milliarden Tonnen CO2 geschätzt, optimistische Stimmen vermuten 11.000 Milliarden Tonnen. Am Pilotstandort Ketzin/Havel, rund 40 Kilometer westlich von Berlin, haben Wissenschaftler:innen des GFZ Potsdam über mehr als zehn Jahre hinweg erforscht, wie CSS sich realisieren lässt.

Das Verfahren stößt aber auch auf Widerstände. Kritiker befürchten etwa Gesundheitsrisiken, wenn CO2 aus den unterirdischen Speichern entweicht, allmählich oder plötzlich infolge eines Unfalls. Nur: Viele Menschen leben ohnehin an Orten mit natürlichen CO2-Austritten. In der Nähe von Rom etwa wohnen Menschen 30 Meter von Gasaustrittsstellen entfernt. Dort strömen täglich rund sieben Tonnen CO2 aus, die Gaskonzentrationen im Boden erreichen 90 Prozent. „Solche natürlichen Phänomene gibt es vielerorts und sie sind sehr gut erforscht“, erläutert Josef Zens. Das gelte ebenso für Risiken mit Blick auf das Grundwasser und den Boden. Freigesetztes CO2 könnte Schadstoffe im Untergrund freisetzen sowie salzige Grundwässer aus tiefen Aquiferen verdrängen. Unter ungünstigen Bedingungen gelangen diese bis in oberflächennahes süßes Grundwasser und an die Erdoberfläche. Dort können sie zu Schäden wie Versalzungen führen, im Grundwasser, in Böden und Oberflächengewässern.

„Um dies zu verhindern, nutzen unsere Kolleg:innen eine große Anzahl an Überwachungsmethoden“, berichtet Zens. „Viele von ihnen sind Standardmethoden der Öl- und Gasindustrie, für die Besonderheiten der CO2-Speicherung angepasst.“ Hinzu kommen von den Wisenschaftller:innen neu entwickelte Methoden. Sie kombinieren verschiedene Ansätze wie Geoelektrik, Seismik, Temperatur- und Drucküberwachung sowie die Analyse von Flüssigkeits- und Gasproben, außerdem verschiedene Messanordnungen mit unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Auflösungsvermögen innerhalb der einzelnen Methoden. „Modellierungen und Simulationen sind weitere wichtige Werkzeuge, um die Vorgänge im Speichersystem zu beschreiben und zu prognostizieren“, sagt Zens.

Was fehlt ist ein Demonstrator im Industriemaßstab

Die oberirdischen Anlagen, etwa Pipelines für den Transport werden genau überwacht, damit sie sich nicht negativ auf ⁠Flora⁠, ⁠Fauna⁠, Landschaft und die ⁠Biodiversität⁠ auswirken. Auch Erdbeben durch erhöhten Druck während der CO2-Speicherung sind möglich. „Kaum spürbare Mikrobeben sind hier sehr gut bekannt“, so Zens. „Das Risiko von Rissbildungen und daraus resultierenden Erdbeben wird durch die langsame Injektion von CO2 in die geologischen Speicherhorizonte unter permanenter Druckkontrolle, die die Integrität der Deckschichten nicht gefährden, minimiert.“

Bei Ketzin/Havel wurden von 2008 bis 2013 über 67.200 Tonnen CO2 in etwa 650 Meter tiefen porösen Sandsteinschichten eingeleitet. Das wissenschaftliche Untersuchungsprogramm konzentrierte sich dabei auf die Überwachungsmethoden. Nach Abschluss der Injektion ging es mit COMPLETE weiter: Die Wissenschaftler*innen haben im Rahmen dieses Projekts erstmals den kompletten Lebenszyklus eines CO2-Speichers im Pilotmaßstab geschlossen. „Hierbei gewannen wir wesentliche Erkenntnisse zur Überwachung und zum Verhalten des CO2-Speichers nach Beendigung der Injektion und zu seiner Stilllegung“, sagt Josef Zens. Auch für die Kommunikation habe man wichtige Lehren gezogen, denn die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger sei essenziell für den erfolgreichen Abschluss der Forschung gewesen: „Der Pilotstandort Ketzin/Havel zeigt damit, dass die geologische CO2-Speicherung im Forschungsmaßstab sicher und verlässlich durchführbar ist. Was jetzt fehlt, ist ein Demonstrator im Industriemaßstab, der von Forschung begleitet wird.“

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