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6 Fragen an…Anouk Ehreiser

„Dieses Gefühl von Stolz werde ich nicht so schnell vergessen“

Die Astrobiologin Anouk Ehreiser war bei der Demomission für den Weltraumpart des Helmholtz-Zukunftsprojekts ARCHES dabei. Bild: privat/Anouk Ehreiser

Einen ganzen Monat lang hat Anouk Ehreiser für das ARCHES-Projekt auf dem Vulkan Ätna autonome Roboter getestet. Im Interview erzählt sie von ihren Erfahrungen.

Frau Ehreiser, wie waren Sie in das ARCHES-Projekt involviert, und was waren Ihre Aufgaben am Ätna?

Ich war Teil des Science-Cam-Teams, dass sich um die Kameras von LRU 1 gekümmert hat. Das ist der Rover mit den sieben großen Kameraaugen, von denen die zwei ganz außen eine große Anzahl verschiedener Wellenlängenbereiche abdecken. Wir haben uns überlegt, wie wir diese am besten für die Mission nutzen können. Und ich war Teil des Wissenschaftsteams von ESA und DLR, das den gesamten wissenschaftlichen Ablauf gestaltet; wissenschaftliche Schwerpunkte ausgewählt und die Ziele definiert hat, die wir erreichen möchten. Dieses Team erstellt auch die Science Story. Das ist sozusagen das wissenschaftliche Szenario der Mission.

Was haben Sie dann konkret während der Mission am Ätna getan?

Am Ätna habe ich Gesteinsproben mit einem Raman-Spektroskop vermessen um zu sehen, woraus diese Gesteine genau bestehen. Wir haben also Vergleichsspektren vorbereitet, um diese später während der Mission dem Astronauten zur Verfügung stellen zu können. Wenn Thomas Reiter also dann nach einem Raman-Spektrum eines bestimmten Steins gefragt hat, waren wir vorbereitet. Für die DLR-Mission habe ich sehr eng mit den Ingenieuren zusammengearbeitet. Da haben wir mit der multispektralen Kamera unseres LRU 1 Rovers zum Beispiel Gesteinsproben vermessen und uns in den verschiedenen Wellenlängen angeschaut, was die interessantesten Features sind. Also nicht nur die Größe, sondern auch die innere Struktur und die Festigkeit. Das ist wichtig für den LRU 2 Rover. Das ist ja der mit der Hand und der Schaufel. So konnten wir vorab sehen, welche Steine wir überhaupt aufheben können. Und welche am interessantesten sind. Teilweise haben wir uns aber auch ganz einfach angeschaut, ob bestimmte Steine überhaupt in die Samplebox reinpassen und dass sie dabei nicht kaputt gehen. Es war eben eine Mischung aus wissenschaftlichen Fragestellungen und praktischen Aufgaben, die ich dort hatte.

Wie haben Sie sich auf die Mission auf dem Vulkan vorbereitet?

Ich habe viel über die Geologie vom Ätna recherchiert. Das ist ein ganz interessantes Gebiet, in dem wir waren. 2001 gab es einen sehr großen Ausbruch. Das gesamte Piano del Lago-Gebiet zwischen Cisternazza und Cratere del Laghetto wurde damals stark geformt und hat sich sehr verändert. Das Gestein, das man dort findet, ist recht ungewöhnlich, denn die Lava ist mit Grundwasser in Kontakt gekommen, was man normalerweise in 2.600 Metern Höhe nicht erwartet [lacht]. Aber in diesem Gebiet bildet sich im Frühjahr ein paar Meter unter der Oberfläche immer ein Schmelzwassersee. Beim großen Ausbruch 2001 ist der Cratere del Laghetto wirklich fast über Nacht entstanden. Innerhalb von ein paar Tagen hat sich dieser 200 Meter hohe Berg da aufgetan. Und das ist eine ganz besondere Art von Eruption, weil das Gestein mit Wasser interagiert hat. Das ist für uns geologisch relevant. Die Lava sieht dann anders aus; hat eine andere Farbe. Und auch unsere Instrumente sehen sie anders. Solche Informationen sind für das geologische Verständnis des Gebietes wichtig, denn die könnten wir zum Beispiel bei einer Mission ja schon aus dem Orbit gewinnen. Weil ich dann auch immer mit Geologenhammer und ganz, ganz vielen Steinen unterwegs war, haben alle geglaubt, dass ich Geologin bin [lacht]. Aber eigentlich komme ich aus der Physik.

Warum haben Sie sich entschieden, Physik zu studieren?

Ich wusste schon immer, dass ich Wissenschaftlerin werden wollte. Schon als ich klein war, fand ich das alles sehr spannend. Am Anfang wollte ich Biologin werden. Vor allem Verhaltensforschung hat mich fasziniert. Ich habe mir immer vorgestellt, dass ich so mit Ende 20 im Zelt in Indonesien sitze. Draußen regnet es. Und ich führe mein Notizbuch, habe meine Kamera dabei und erforsche irgendwelche Komodowarane oder etwas in der Art [lacht]. Außerdem habe ich mich schon immer für Astrophysik interessiert. Und als Teenager, so mit 14, habe ich die Quantenphysik für mich entdeckt. Zu dem Zeitpunkt war für mich schon relativ klar, dass ich auf jeden Fall Physik machen werde. Das kam auch gar nicht so unbedingt von der Schulphysik. Die fand ich nie so spannend. Da haben wir nur irgendwelche Pendelschwingungen oder Ähnliches gemacht. Ich habe damals sehr gute populärwissenschaftliche Bücher gefunden. Die haben die für mich wirklich spannenden Sachen erklärt. Als dann die Entscheidung für die Astrophysik fiel, war mir klar, dass ich nach Heidelberg gehen würde. Denn da gibt es eine sehr gut aufgestellte Forscherszene. Und irgendwann gab es dann diesen Vorlesungszyklus zur Astrobiologie. Da dachte ich mir: Mein früheres Problem, mich zwischen Biologie und Physik zu entscheiden, war möglicherweise gar keins. Denn ich kann beides kombinieren – sogar mit der Astrophysik. Und deswegen kann ich mir gut vorstellen, in Zukunft Planetenwissenschaften oder auch Astrobiologie zu betreiben.

Welche Gedanken und Gefühle werden Sie von der Mission im Kopf behalten?

Es war einfach großartig, für einen Monat bei einer so außergewöhnlichen Mission dabei zu sein. Da war zum einen die Spannung, ob auch wirklich alles klappt. Und die ganzen haarsträubenderen Manöver, die wir in der allerletzten Woche gefahren sind. Wir haben zum Beispiel eine Winde und ein Kupplungsstück am LRU 1 Rover angebracht. Der LRU 2 hat sich dann mit seinem robotischen Arm eingehakt und seinen Kollegen selbstständig in den Cisternazza-Krater abgeseilt. Das hat gezeigt, dass sich unsere Roboter mit ihren verschiedenen Fähigkeiten wunderbar ergänzen und so auch schwierigere Manöver machen können. In Erinnerung bleiben wird auch der Kontakt zu den Touristen, für die wir die absolute Attraktion dort waren. Es ist schon sehr aufregend, wenn da so viele Leute unterwegs sind und auch noch ein paar Robotern dabeihaben und eine Mondlandefähre. Ich habe schnell gelernt, in vier verschiedenen Sprachen so einigermaßen rudimentär zu erklären, was wir hier tun [lacht]. Dass wir vom DLR sind und hier für einen Monat ein Experiment machen; dass wir autonome Systeme testen, die irgendwann auf dem Mond und auf dem Mars landen könnten; dieses Gefühl von Stolz werde ich nicht so schnell vergessen. Und wenn dann die Augen der Leute aufleuchteten, da habe ich gemerkt, dass ich hier wirklich bei einer ganz tollen Sache dabei bin.

Wenn Sie frei entscheiden könnten, auf einen fremden Himmelskörper oder in die Tiefsee zu reisen, was würden Sie lieber besuchen?

Oh, das ist wirklich schwer. Denn die Tiefsee ist ja schon fast wie ein anderer Planet. Aber ich habe eine starke emotionale Bindung zum Mars. Er ist auch Teil meiner Masterarbeit. Und ich war in einem Mars Analog Environment, in Chile, in der Atacamawüste. Deswegen wäre ich schon sehr neugierig, mir den Mars anzuschauen und herauszufinden, ob es da möglicherweise Leben gab. Das ist eine sehr, sehr spannende Frage. Weil das ja möglicherweise auch mit dem Leben auf der Erde zusammenhängen könnte. Und wenn wir so weit fortgeschritten sind, dass wir zu Europa oder Enceladus fliegen könnten, dann würde ich mir natürlich auch die Eismonde anschauen. Vor allem, wenn wir dann ein robotisches System hätten, dass sie explorieren könnte.

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