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Interview

Die Wissensshow zur Digitalen Gesellschaft

Das Publikum stimmt per Laserpointer mehrheitlich ab, welchen Experten es hören oder ob es einen Beitrag aus den eigenen Reihen hören möchte. Foto: Max-Planck-Gesellschaft / Arne Sattler

Naturwissenschaftliche und technologische Entwicklungen finden oft abseits des gesellschaftlichen Diskurses statt. In der Veranstaltungsreihe „REVOLUTION – Die Wissensshow zur Digitalen Gesellschaft“ soll das anders sein. Das Publikum übernimmt die Regie und liefert eigene Beiträge. Wir haben mit zwei Machern der Show gesprochen

Wie kann ich mir die Wissensshow vorstellen? Was passiert in der Show?

Tobias Hülswitt: Wie bei klassischen Veranstaltungen gibt es in der Wissensshow Experten auf der Bühne und ein Publikum. Neu ist, dass das Publikum mit Experten wirklich ins Gespräch kommt, wobei der Wissenstransfer in den Veranstaltungen potentiell in alle Richtungen verlaufen kann. Alle senden sozusagen. Das Publikum übernimmt dabei die Regie: Per Laserpointer stimmt es mehrheitlich ab, ob es einen Experten oder einen Beitrag aus den eigenen Reihen hören möchte. Außerdem können Videoclips angewählt werden, in denen Laien und weitere Experten zum jeweiligen Thema der Veranstaltung sprechen. Die Clips sind Ausschnitte aus Interviews, die der Cutter und Filmemacher Gunther Kreis und ich vorab geführt haben. So entsteht ein sich selbst organisierender, sehr dynamischer und spontaner Diskurs.

Susann Beetz: Die Diskussion wird sich dabei nicht auf einen Punkt beschränken und ihn auch nicht bis in die Tiefe, bis zu einem Lösungsvorschlag oder einer Handlungsempfehlung vorstellen. Das würde man eher von einem populärwissenschaftlichen Vortrag erwarten. In der Wissensshow gibt es um den Diskurs und den Input von vielen Seiten. Das spielt auch eine Rolle bei der Auswahl der Live-Experten. So wählen wir  beispielsweise einen aus den Ingenieur- und einen aus den Sozialwissenschaften, oder auch einen Künstler und einen Informatiker. Dazu die Statements aus den Videos. Und nicht zu vergessen das Publikum: Wir alle haben in der einen oder anderen Form besondere Erfahrungen und Erlebnisse in Bezug auf die zu diskutierenden Themen.

Susann Beetz betreut in der Geschäftsstelle der Helmholtz-Gemeinschaft die Wanderausstellung „Ideen 2020 – Ein Rundgang durch die Welt von morgen“ und die Veranstaltungsreihe „Revolution - Die Wissensshow zur Digitalen Gesellschaft“. Sie ist der Meinung, dass die Wissenschaft bzw. die Wissenschaftskommunikation manchmal von gesellschaftlichen Erwartungen und Wünschen überfrachtet wird.

Ist das Format denn besonders geeignet für die Wissenschaftskommunikation?

Beetz: Ja, absolut. Ich habe manchmal den Eindruck, dass in übertriebenem Maße und unreflektiert oder in einem reduzierten Kontext von wissenschaftlichen Ergebnissen berichtet und gesprochen wird. Es kommt mir fast so vor, als ob man händeringend auf die Wissenschaft schaut, dass sie jetzt die großen Herausforderungen lösen muss, sei es die Energiewende, den Kampf gegen Krebs oder eben auch die Sicherheit unserer Identitäten im Internet. Das Format der neuen Show bietet die Chance, der Öffentlichkeit interdisziplinär und ergebnisoffen einen möglichst breiten Diskurs aufzuzeigen. So wie er auch in der der Gesellschaft stattfindet. Das Publikum soll dabei mit diskutieren.

Herr Hülswitt, Sie sind ja von Hause aus Steinmetz, wie sind Sie darauf gekommen, Wissenschaft zu kommunizieren?

Hülswitt: Nachdem ich eine Weile als Steinmetz gearbeitet hatte, bin ich auf die Literatur umgesattelt. Beide Tätigkeiten haben viel mit Ästhetik und Schönheit auf der einen und mit Vergänglichkeit auf der anderen Seite zu tun. Letzteres gilt für die Arbeit am Stein, weil das eigene Leben kurz und das des Steines lang ist, und für die Arbeit mit Sprache, weil wir in ihr unter anderem versuchen, die permanent vergehende Welt zu bannen. Irgendwann fiel mir auf, dass auch die Naturwissenschaften auf ihre Weise mit der Vergänglichkeit ringen, denn Wissen wird da, wo es nicht gerade für das Gegenteil genutzt wird, meist darauf verwendet, das menschliche Leben sicherer und länger zu machen, also sein Vergehen zurückzudrängen. Das war mein Zugang zu den Wissenschaften, und hinter dieser Eingangstür hat die Faszination der Wissenschaft mit all ihren zahllosen Facetten auf mich gewartet. Häufig ist es so, dass naturwissenschaftliche und technologische Entwicklungen abseits des gesellschaftlichen Diskurses stattfinden, so dass die Ergebnisse mehr oder weniger über uns kommen, ohne dass wir darauf vorbereitet wären. Dem wollen mein Kollege Gunther Kreis und ich entgegensteuern, indem wir Plattformen für ergebnisoffene öffentliche Diskussionen zu aktuellen naturwissenschaftlichen und technologischen Themen bieten.

Nun starten Sie mit einer Veranstaltungsreihe im Format der Wissensshow zum Thema „Digitale Gesellschaft“.

Beetz: Thema des Wissenschaftsjahrs 2014 ist „Die digitale Gesellschaft“. Dieses Thema und das Format der Wissensshow passen wunderbar zusammen. Denn irgendwie erinnert das Format auch an eine typische Internetrecherche, bei der man von einem Stichwort zum nächsten kommt und weiterführenden Links folgt. Es ist auch ein Thema, welches unbedingt in die Diskussion gehört. Wir haben uns erfolgreich beworben, mit diesem Format zum Wissenschaftsjahr beitragen zu können, und werden nun vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Tobias Hülswitt ist Romanautor, schreibt gelegentlich für Zeitungen und Zeitschriften und ist als Ko-Autor von Drehbüchern tätig. In seinen aktuellen Projekten entwickelt er interaktive Formate für die Wissenschaftskommunikation. Er findet, dass der technologische Fortschritt über uns kommt und die Bevölkerung viel früher einbezogen werden sollte. Foto: Udo W Beier

Wie liefen die Vorbereitungen?

Hülswitt: Gunther Kreis und ich haben eine ganze Menge Interviews geführt. Unsere Gesprächspartner waren neben einer Reihe normaler Nutzer digitaler Technologien solche Menschen, die sich auf unterschiedliche Weise professionell mit den Umwälzungen beschäftigen, die das Digitale mit sich bringt, darunter Netzaktivisten und Journalisten wie Markus Beckedahl und Dirk von Gehlen, Wissenschaftler wie der Soziologe Dirk Helbing, die Informatikerin Claudia Eckert und die Professorin für Gamedesign Linda Breitlauch, aber auch Entwickler wie der Spezialist für Künstliche Intelligenz Wolfgang Wahlster. Dann haben wir das Material gesichtet und die Stellen identifiziert, die Gunther schließlich zu schönen, kurzen und knackigen Clips geschnitten hat. Diese Vorbereitungsphase war anstrengend, aber extrem spannend
 
Was ist dieses Jahr geplant?

Beetz: Es sind 12 Veranstaltungen deutschlandweit vorgesehen. Wir haben drei verschiedene Veranstaltungskonzepte vorbereitet: Digitales Sein, Digitales Wissen und Digitale Wirtschaft. Je nach Veranstaltungsort und -stätte wählen wir mit den Kollegen vor Ort das passende Konzept. Gerade sind wir beispielsweise mit der Nationalbibliothek in Leipzig im Gespräch. In dem wundervollen Ambiente eines Lesesaals bietet es sich natürlich an, über die Veränderungen im Erkenntnisgewinn und in der Speicherung und Katalogisierung von Wissen durch die Digitalisierung zu diskutieren. Im Sommer sind wir auf dem Theaterschiff Saarbrücken zu Gast. Saarbrücken ist Heimat des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz und vieler weiterer Forschungsinstitutionen, die sich mit Informationstechnologien beschäftigen. Hier wird Digitale Wirtschaft das Thema sein. Und heute, am 15. April, diskutieren wir in Stuttgart zum Thema “Digitales Sein“. Frau Professor Petra Grimm, die wir als eine unserer Live-Expertinnen gewinnen konnten, hat an der Hochschule der Medien in Stuttgart das deutschlandweit erste Institut für Digitale Ethik gegründet.

Hülswitt: Wir leben in einer spannenden Zeit, weil wir gerade einen großen Umbruch in unserer Wahrnehmung der digitalen Technologien erleben – es ist gerade so, als erwachten wir und verstünden jetzt erst, was für Kräfte wir hier freigesetzt haben, wie schädlich, aber auch wie hilfreich sie sein können, je nachdem, wie wir sie als Gesellschaft einsetzen. Deshalb freuen wir uns auf eine spannende Veranstaltungsreihe!

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