Direkt zum Seiteninhalt springen

Interview

„Die Verstetigungsoption des Programms ist etwas sehr Besonderes“

Kathrin Valerius ist Professorin für Astroteilchenphysik am Karsruher Institut für Technologie.

Kathrin Valerius ist Professorin für Astroteilchenphysik am Karsruher Institut für Technologie.

Im Jahr 2013 bekam Kathrin Valerius ihre Helmholtz-Nachwuchsgruppe am Karlsruher Institut für Technologie. Sie ist dem Zentrum treu geblieben und forscht dort heute als Professorin für Astroteilchenphysik. Forscher:innen in der Postdoc-Phase rät sie, sich frühzeitig Gedanken über die eigenen Karrierewünsche zu machen.

Frau Valerius, könnten Sie uns schildern, in welcher Situation Sie sich befanden, als Sie 2013 Ihren Antrag auf eine Helmholtz Young Investigator Group stellten?

Kathrin Valerius: Nach einem Themenwechsel im ersten Postdoc musste ich mich in ein neues Gebiet einarbeiten, konnte dabei aber gleichzeitig mein persönliches Netzwerk erweitern. Danach hat sich für mich gleichzeitig mit der Karriereentscheidung die Frage nach der wissenschaftlichen Ausrichtung gestellt: Will ich wieder zurück zu meiner Ausgangsfragestellung? Mit der Möglichkeit, eine Nachwuchsgruppe zu leiten, konnte ich mich dann sowohl fachlich als auch in Bezug auf meine Karriereentscheidung klar positionieren. Dieser Schritt war mein erster großer, eigenständiger Forschungsantrag, und die Einladung des Helmholtz-Zentrums dazu empfand ich als unglaublich positiv.  Die Unterstützung, die ich von der Forschungsförderung und dem aufnehmenden Umfeld erhielt, gab mir ein sehr gutes Gefühl für den weiteren Weg.

Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie nun wirklich „auf eigene Rechnung“ arbeiten?

Kathrin Valerius: Die Unabhängigkeit zeigte sich vor allem daran, dass man eigene Paper publiziert, die man selber initiiert und in der eigenen Forschungsgruppe vorangebracht hat. Es war auch etwas Neues, die erste Doktorandin bis zur Promotion wissenschaftlich zu begleiten und Prüfungsverantwortung zu übernehmen. Hinzu kamen verantwortliche Rollen in der internationalen Kollaboration im KATRIN-Experiment. Ein eigenes Team anzuleiten bringt einem auch in so einem Kontext eine ganz andere Sichtbarkeit. Gleichzeitig war ich in der internationalen Community in der Lage, nicht nur Kontakte zu Netzwerken zu knüpfen, sondern auch selbst eines zu gründen. Gemeinsam mit einer Kollegin von der Uni Heidelberg haben wir einen Austausch mit einer Serie eigener Workshops angestoßen und sind damit bis heute sichtbar und wirksam. Später bekam ich dann Einladungen in nationale und internationale Komitees und Gremien, bis hin zur Co-Leitung eines Topics in der Helmholtz-Programmforschung.

Sie hatten eine unabhängige Nachwuchsgruppe, waren (und sind) aber gleichzeitig Teil einer Kollaboration rund um das Neutrino-Großexperiment KATRIN. Wie hat das funktioniert?

Kathrin Valerius: Mit der Übernahme der Nachwuchsgruppe ging ich ein gewisses Risiko ein, da Großexperimente immer unvorhersehbare Verzögerungen mit sich bringen können. Mit der Nachwuchsgruppe sitzt man aber gewissermaßen “auf der Uhr“ und hat eine Evaluation zu einem festgelegten Zeitpunkt. Tatsächlich kam die Nachwuchsgruppe aber in einem Moment, in dem bereits abzusehen war, wann wir erste Daten aus dem Experiment bekommen. Ich hatte außerdem ein paar Dinge eingeplant, die ich unabhängig vom Start des Experiments grundlegend erforschen oder vorbereiten konnte, beispielsweise das Analyseframework.

Wie wurden Sie als frisch gebackene Nachwuchsgruppenleiterin unterstützt und was hat Ihnen am meisten geholfen?

Kathrin Valerius: Schon einen Monat nach dem Start der Nachwuchsgruppe saß ich in einem für meine Situation maßgeschneiderten Kurs der Helmholtz-Akademie für Führungskräfte. Das hat mir gerade in der Anfangsphase sehr geholfen, einzuschätzen wo ich stehe und was ich alles tun muss, um das Team zum Laufen zu bringen. Eine große Unterstützung war auch das Young Investigator Network des KIT. Ich habe mich auch selbst als Sprecherin dort engagiert, weil ich schnell gemerkt habe, wie viel mir dieses Peer Networking mit Menschen in der gleichen Situation, auch aus anderen Fachrichtungen, zurückgibt.

Was haben Sie aus der Zeit der Nachwuchsgruppe mitgenommen?

Kathrin Valerius: Die Zeit hat meine Selbstwahrnehmung als Forscherin stark geprägt. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir der Moment, als einer meiner Mitarbeiter sich auf einer Konferenz als Mitglied meiner Young Investigator Group vorstellte. Da wurde mir klar, dass wir eine eigene Gruppenidentität hatten, der sich alle zugehörig fühlten. Als ich auf einer Dienstreise in den USA war, bekam ich ein Foto von meinem Team, das mit Luftballons in meinem Büro unser Jubiläum feierte – die Gruppe bestand zu dem Zeitpunkt genau ein Jahr. Auf solche Momente bin ich extrem stolz. Außerdem nehme ich als Erfahrung mit, dass persönliche Bemühungen um ein positives, produktives Arbeitsklima von meinem ganzen Umfeld sehr wertgeschätzt wurden.

Was raten Sie Postdocs in der heutigen Zeit?

Kathrin Valerius: Es ist entscheidend, sich frühzeitig und gründlich Gedanken über die eigenen Karrierewünsche zu machen. Das ist auch etwas, was ich von meinen eigenen Mitarbeitenden aktiv einfordere. Glücklicherweise gibt es jetzt mehr Unterstützung für Postdocs, beispielsweise durch Weiterqualifizierung, Beratung, aber auch Arbeitsverträge mit einer angemessenen Laufzeit. Ich freue mich, dass Helmholtz durch die Verstetigungsoption bei den Nachwuchsgruppen einen Beitrag leistet, den ich in der deutschen Förderlandschaft sehr besonders und wichtig finde. Diese Option hat mir auch ein ganz anderes Agieren in der Nachwuchsgruppe ermöglicht. Ich habe mich eine ganze Weile lang nicht extern beworben und meine Energie voll in die Leitung der Gruppe gesteckt. Aus meiner Sicht kann das Programm gerne mindestens 20 Jahre so weiterlaufen.

Leser:innenkommentare