Standpunkt
„Die USA bleiben ein unverzichtbarer Partner für die Wissenschaft – unsere Zusammenarbeit ist wichtiger denn je.“

Prof. Josef Penninger, Wissenschaftlicher Direktor des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung HZI. Bild: HZI/ Stephan Dublasky
Die Wissenschaft in den Vereinigten Staaten steht vor erheblichen Herausforderungen – mit spürbaren Auswirkungen auch auf Europa. In großem Umfang wurden und werden Forschungsbudgets gekürzt und Stellen gestrichen, selbst in so zentralen Bereichen wie der Gesundheits- und Infektionsforschung. Ein Standpunkt von Josef Penninger, Wissenschaftlicher Direktor des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung.
Exzellente Forschung lebt vom internationalen Austausch, von globaler Zusammenarbeit und dem freien Fluss von Ideen. Ohne die Expertise und das Engagement hochqualifizierter Fachkräfte aus aller Welt wären Spitzenforschung und wissenschaftliche Innovation in Deutschland nicht denkbar. Allein am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) arbeiten Wissenschaftler:innen aus mehr als 60 Nationen. Das ist Ausdruck unserer weltweiten Vernetzung und unseres klaren Bekenntnisses zur internationalen Kooperation.
Wissenschaft und Forschung brauchen Offenheit und Freiheit; die Rahmenbedingungen dafür werden in verschiedenen Regionen jedoch komplexer. Auch in den USA, traditionell ein bedeutender Partner in vielen Forschungsbereichen, gibt es Entwicklungen, die potenziell Einfluss auf die wissenschaftliche Freiheit nehmen könnten. Davon betroffen scheinen insbesondere sensible Felder wie die Klima- und Erdsystemforschung, die Geschlechterforschung sowie die Infektions- und Impfstoffforschung. Selbst renommierte Einrichtungen wie die National Institutes of Health (NIH) – mit einem Jahresbudget von 48 Milliarden US-Dollar die weltweit größte Institution im Bereich der Gesundheitsforschung – bleiben von diesen Dynamiken nicht vollständig unberührt.
Die USA sind und bleiben eine herausragende Wissenschaftsnation mit renommierten Institutionen wie National Institutes of Health (NIH), die Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und zahlreichen Spitzenuniversitäten. Ihre Rolle ist zentral in der Bewältigung von Epidemien, bei der Entwicklung neuer Therapien und in der internationalen Gesundheitsvorsorge. Die enge wissenschaftliche Verbindung zwischen Deutschland und den USA ist von entscheidender Bedeutung, wenn wir zukünftige Gesundheitskrisen wirksam bewältigen und nachhaltige Lösungen für globale Herausforderungen entwickeln wollen.
Erste positive Signale deuten darauf hin, dass Deutschland international – insbesondere in den USA, aber auch in Kanada –zunehmend attraktiver als Forschungsstandort wahrgenommen wird. So hat sich etwa die Zahl der Bewerbungen aus den USA auf jüngste Ausschreibungen zur Leitung von Forschungsgruppen am HZI im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Mit zusätzlichen Mitteln werden wir weitere Gruppenleiterstellen schaffen, um diesen hochqualifizierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern eine langfristige Perspektive in Deutschland zu bieten und gleichzeitig die Helmholtz-Gemeinschaft nachhaltig zu stärken.
Damit uns dies in noch größerem Umfang gelingt, sind jedoch gezielte Verbesserungen notwendig – insbesondere in Bezug auf unsere strukturellen Rahmenbedingungen und die sogenannten „Soft Values“. Es liegt an uns, durch attraktive Strukturen und ein innovatives Arbeitsumfeld noch mehr exzellente Köpfe für Deutschland zu gewinnen. Mit anderen Worten: Wäre es uns in den vergangenen Jahren gelungen, die Rahmenbedingungen für wissenschaftliche Karrieren konsequenter zu verbessern, könnte Deutschland seine internationale Anziehungskraft viel stärker aus sich selbst heraus entfalten. Statt gezielt Fachkräfte aus den USA abzuwerben, setzen wir darauf, einen Ort zu schaffen, der für wissenschaftliche Freiheit, verlässliche Rahmenbedingungen und lebendige internationale Kooperation steht. Unser Ziel bleibt es, die transatlantischen Wissenschaftsbeziehungen zu vertiefen und gemeinsam globale Herausforderungen anzugehen – von der Klimakrise bis zu neuen Pandemien. Wissenschaft ist per Definition international. Und wir alle tragen Verantwortung dafür, die Werte von Offenheit, akademischer Freiheit und Integrität zu verteidigen.
Was wir jetzt brauchen, ist keine nationalistisch geprägte Konkurrenzhaltung, sondern kluge, langfristig gedachte Wissenschaftsdiplomatie. Nicht Wettbewerb, sondern Weitsicht ist das Gebot der Stunde.
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