Stoffwechsel
Die Macht der Gene
Weit über 100 Gene sind an der Entstehung von Typ-2-Diabetes beteiligt. Welche Rolle unsere Ernährung dabei spielt, untersuchen Forscher am Helmholtz Zentrum München.
Wie wir uns ernähren, spielt für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit eine entscheidende Rolle. Denn das, was wir essen, kann unserem Körper gut tun oder ihn schädigen - kurzzeitig, aber auch langfristig. Ausgewogen und kalorisch möglichst nicht zu viel des Guten, heißt es, denn sonst sorgt der Körper in Form von Fetteinlagerungen für schlechte Zeiten vor. Und spätestens bei den Fettpölsterchen kommen auch unsere Gene ins Spiel: Manch einer nimmt bei vermehrt zucker- oder fetthaltiger Ernährung schneller an Gewicht zu als ein anderer, der aber womöglich schon bei leichtem Übergewicht eine Fettleber oder Typ-2-Diabetes entwickelt, wohingegen ein dritter kaum zunimmt und keine gesundheitlichen Probleme bekommt. Der Stoffwechsel ist eine ziemlich individuelle Angelegenheit: Wie wir uns ernähren, wie wir leben, ob wir uns viel bewegen, spielt dabei ebenso hinein, wie unsere individuelle genetische Ausstattung.
"Bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes spielen beispielsweise weit über hundert Gene eine Rolle", sagt Martin Hrab? de Angelis, Direktor des Instituts für Experimentelle Genetik am Helmholtz Zentrum München und Vorstand des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung. "Wir haben kürzlich eine ganze Reihe weiterer Gene entdeckt, die für die Entstehung von Typ-2-Diabetes mitverantwortlich sein könnten. Das Interessante dabei ist, dass sie über eine Art Netzwerk miteinander verbunden sind und durch übergeordnete Faktoren reguliert werden, die höchstwahrscheinlich eng mit der Ernährung und ihren Stoffwechselprozessen zusammenhängen." Die Kombination aus eher ungünstiger Genausstattung und ungesunden Ernährungsgewohnheiten könnte so leicht eine Kaskade in Gang setzen und Typ-2-Diabetes auslösen.
Das heißt aber auch, dass wir die Macht der Gene durchaus auch durch die Macht der Gewohnheit in Schach halten können: Eine langfristige Ernährungsumstellung und Gewichtsreduktion könnte das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, auch wieder senken - selbst bei ungünstiger genetischer Veranlagung. Darüber hinaus wirkt gesunde Ernährung kombiniert mit der einen oder anderen Fastenzeit womöglich sogar lebensverlängernd: In Zusammenarbeit mit Forschern vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) konnte das Münchener Forscherteam zeigen, dass Intervallfasten die Entwicklung von Tumoren verzögert und dadurch die Lebenserwartung von Mäusen um 15 Prozent erhöht. Beim Intervallfasten wird über einen bestimmten Zeitraum gefastet, dann wieder normal gegessen, danach wieder gefastet und so fort. "Intervallfasten hat offenbar tatsächlich einen lebensverlängernden Effekt", sagt Hrab? de Angelis. "Dass sich Intervallfasten auch beim Menschen lebensverlängernd auswirkt, ist wahrscheinlich, es bedarf aber noch weiterer Forschung."
Wie wir uns ernähren, hat nicht nur Einfluss auf unsere eigene Gesundheit, sondern auch auf die unserer Nachkommen. Denn ungünstige Ernährungsgewohnheiten können sich auf bestimmte Strukturen unserer Gene niederschlagen. Bei diesen sogenannten epigenetischen Veränderungen bleibt zwar der genetische Code erhalten, doch werden äußere Bereiche des Erbguts verändert, die unter Umständen die Aktivität und Regulation des jeweiligen Gens beeinflussen können. In einer aktuellen Studie konnten die Forscher vom Helmholtz Zentrum München zeigen, dass solche epigenetischen Veränderungen tatsächlich über Eizellen und Spermien weitergegeben werden. Und die Auswirkungen auf die Gesundheit der nächsten Generation waren deutlich: Hatten sich die Eltern besonders hochkalorisch ernährt, wurden auch die Nachkommen sehr viel schneller fettleibig als die Nachkommen von Eltern mit normaler Ernährung. "Dass solche ernährungsbedingten Stoffwechselveränderungen über epigenetische Mechanismen an die Folgegeneration vererbt werden, könnte neben Bewegungsmangel und Fehlernährung eine weitere wichtige Ursache dafür sein, dass wir es heute mit so hohen Fallzahlen von Adipositas und Typ-2-Diabetes zu tun haben", vermutet Hrab? de Angelis. "Ziel unserer weiteren Forschung ist es, nach Möglichkeiten zu suchen, wie die epigenetischen Veränderungen rückgängig gemacht werden können, um die veränderten Stoffwechselprozesse wieder zu normalisieren."
Das Zusammen- und Wechselspiel von Ernährung und Genen ist hochkomplex. Bis es möglich sein wird, auf die genetische Veranlagung individuell zugeschnittene Ernährungsempfehlungen zu geben, wird es noch eine Weile dauern. Doch bis dahin: Essen in Maßen, viel Gemüse und ausreichend Bewegung an der frischen Luft, ist eigentlich immer eine gute Idee!
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