Erderwärmung
Die Folgen für Deutschland
Der Klimawandel ist auch in Deutschland längst angekommen. Und mit ihm die Folgen für die Gesundheit, Wirtschaft und Landwirtschaft. Wissenschaftler ziehen eine nationale Bilanz und wagen einen Ausblick.
Es ist wärmer geworden, im Mittel der Regionen binnen der vergangenen 130 Jahre um 1,3 Grad. Die Dauer der Hitzewellen hat sich verdreifacht. Chronisch Kranke, alte Menschen und Allergiker müssen mit gesundheitlichen Folgen rechnen. Auch die zunehmenden Niederschläge, die aller Voraussicht nach mit mehr Gewittern, Stürmen und Orkanen einhergehen, werden eine Reihe Bereiche treffen; allen voran die Landwirtschaft und die Urbanhydrologie. Verschonen wird der Klimawandel keinen Sektor. Und zwar: In Deutschland.
Bei der Vorstellung des bisher umfangreichsten Werks zum Klimawandel in Deutschland zeigten sich die Autoren einig: „Wenn wir die Folgen des Klimawandels managen wollen, müssen wir unter zwei Grad Erderwärmung bleiben“, erklärte Daniela Jacob, Direktorin des Climate Service Center Germany (GERICS). Um das zu erreichen, brauche es „eine konsequente Dekarbonisierung in allen Lebensbereichen“, so die Leiterin des Zentrums, das zum Helmholtz Zentrum Geesthacht gehört. Guy Brasseur vom Max-Planck-Institut fu?r Meteorologie in Hamburg und Leitautor des 4. IPCC-Berichts, des Weltklimarat-Standardwerks, fügte hinzu: „Die Wissenschaft kennt nicht nur die Daten, sondern auch die Risiken der Erderwärmung.“
Brasseur und Jacob sind – zusammen mit der Redakteurin Susanne Schöck-Zöller – Herausgeber des Kompendiums „Klimawandel in Deutschland“, das den Stand der Forschung zu „Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven“ - so der Untertitel - aufbereitet. Ausgewählt von einem elfköpfigen Editorial Board haben 126 Autoren den 5. IPCC-Bericht auf Deutschland heruntergebrochen. Die grundlegende Erkenntnis des 350 Seiten starken Berichtes: Bereits eine globale Erwärmung von 1,5 – 2 Grad wird auch in Deutschland zu Veränderungen in allen Naturräumen, Wirtschaftssektoren und Lebensbereichen führen. „Ob Tourismus, Gesundheit, oder Infrastruktur“, erklärte Jacob, „alle sind betroffen. Das bedeutet auch: Wir müssen jeden ansprechen.“
Die gute Nachricht ist, dass Deutschland, anders als manch anderes Land, dank Wissen, Technologie und Wohlstand – im Stande ist, dem etwas entgegenzusetzen: „Die Lage ist nicht hoffnungslos“, konstatierte Wilfried Kraus, zuständiger Ministerialdirigent im Bundesforschungsministerium. Allerdings, so Kraus, brauche es „neben Plänen auch den Willen, loszulegen“ – interessanterweise zwei Tage, nachdem die Verabschiedung eines Klimaschutzplanes im Kabinett gescheitert war.
Das Buch will – wie der IPCC-Bericht – die Politik beraten, nicht Politik machen. In der Darstellung des zu erwartenden Klimawandels, auch regional, listet es wahrscheinliche Szenarien für zahllose Bereiche – von Luftqualität über Personen- und Güterverkehr und urbane Verwundbarkeiten bis zur Wirtschaft auf. Abschließend werden Strategien zur Anpassung vorgestellt. Jedes Kapitel lässt sich mit einem „Kurz gesagt“ auch überfliegen. Zielgruppe sind Professionals ebenso wie die interessierte Fachöffentlichkeit. Oder, so die Herausgeber: Wer „mit Hochwasser, Du?rre, schmelzendem Teer auf der Autobahn oder Tropenkrankheiten zu tun“ habe, finde hier Informationen für seine „Reaktion auf den Klimawandel.“
Guy P. Brasseur, Daniela Jacob, Susanne Schuck-Zöller (Hrsg.): „Klimawandel in Deutschland. Entwicklung, Folgen, Risiken und Perspektiven 2017“, 368 Seiten, ISBN 978-3-662-50396-6
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