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Portrait

Der Serienheld

Falk Harnisch im Labor. Foto: foto+design Klaus-D. Sonntag

Der Leipziger Chemiker Falk Harnisch hat mit einem Aufsatz über die US-Serie Breaking Bad Furore gemacht. In seinem Labor erforscht er Mikroorganismen, die aus Kohlendioxid wertvolle Grundstoffe für die chemische Industrie herstellen.

Ein Mann steht in der Wüste, er trägt nur ein Hemd und eine weiße Feinripp-Unterhose. Im Hintergrund steigt Rauch aus einem alten Wohnmobil auf. Zwei Gasmasken liegen im Sand. In der Hand hält er eine Pistole. Walter White, Protagonist der US-Serie Breaking Bad, war einmal Chemielehrer an einer Highschool. Doch dann begann er, Crystal Meth zu kochen. Wie sich ein braver Bürger in einen rücksichtslosen Kriminellen verwandelt - das fasziniert Millionen Fernsehzuschauer weltweit. Doch die wissenschaftliche Seite der Serie sorgt ebenso für Gesprächsstoff. Das liegt auch am Artikel Die Chemie bei Breaking Bad, den inzwischen Tausende Leser im Internet heruntergeladen haben. Einer von zwei Autoren ist der deutsche Forscher Falk Harnisch. Der 32-jährige Chemiker leitet eine Nachwuchsgruppe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig.

"Die Resonanz auf den Artikel hat uns total überrascht", sagt Harnisch. Mit seinem Mitautor Tunga Salthammer hat er sich oft über die klischeehafte Darstellung von Wissenschaftlern in Filmen geärgert. Die Serie zeigt, dass es nicht immer so sein muss. "Walter White ist zwar kein Sympathieträger, aber eine interessante und vielschichtige Persönlichkeit", sagt Harnisch. "Und vor allem steckt die Serie voller interessanter wissenschaftlicher Details, die zwar nicht immer ganz korrekt, aber doch nie grundfalsch sind." Wie sich die Droge Crystal Meth aus Erkältungsmitteln herstellen lässt, wie aus Dollarmünzen, Schrauben und Bremsscheiben eine Batterie gebaut wird und Leichen in Flusssäure aufgelöst werden, alles das hat einen realen Hintergrund - und befreit den Serienhelden Walter White immer wieder aus brenzligen Situationen. Erschienen ist der Beitrag in der Zeitschrift Chemie in unserer Zeit. Die Chemie bei Breaking Bad ist der am meisten heruntergeladene Artikel, den die Zeitschrift je publiziert hat. Inzwischen wurde er ins Englische übersetzt und auch in den USA veröffentlicht. Viele Zeitungen und Medien haben den Artikel aufgegriffen.

Der Rummel um seine Analyse ist Falk Harnisch ein bisschen viel. Eigentlich möchte er lieber über seine Arbeit am UFZ sprechen. Für ihn ist die Tätigkeit in Leipzig nach vielen Stationen, auch im Ausland, so etwas wie eine Rückkehr in die Heimat: Aufgewachsen ist Harnisch in einem kleinen sächsischen Ort. Als die Mauer fiel, war er sieben Jahre alt - und doch hat die DDR mit ihrer Industriegeschichte seine Studienwahl beeinflusst: "Die Chemie hat mich schon früh begeistert. Sie hatte aber in seiner Familie einen schlechten Ruf, geprägt durch die Industriekombinate in Bitterfeld und Schwedt." Harnisch entschied sich für die lebensnähere Variante und begann ein Biochemie-Studium in Greifswald. Nach der Promotion folgte er seinem Doktorvater nach Braunschweig. Als Postdoc ging er für ein halbes Jahr nach Australien. Fachlich war das für ihn eine gute und inspirierende Zeit. "In Brisbane kam ich mit Experten aus ganz unterschiedlichen Bereichen zusammen. Das hat meinen fachlichen Horizont enorm erweitert", sagt er. Die einzige Schattenseite seines Aufenthalts in Australien: Für seinen Lieblingssport, das Laufen, blieb fast keine Zeit. "Es gibt dort nur eine kurze Dämmerung. Für sportliche Aktivitäten war es entweder zu heiß oder zu dunkel."

Bei seiner Aufgabe in Leipzig stimmen jetzt nicht nur die sportlichen Rahmenbedingungen. Entscheidend für den Schritt zurück nach Sachsen war für Harnisch die thematische Breite am UFZ und die Möglichkeit, mit Experten aus unterschiedlichen Bereichen zusammenzuarbeiten. Auch die finanzielle Ausstattung hat ihm den Schritt erleichtert: Neben der Förderung als Helmholtz-Nachwuchsgruppe erhielt Harnisch 2012 einen vom Bundesforschungsministerium ausgelobten Preis, mit dem die Forschung an neuen biotechnologischen Verfahren unterstützt wird.

Am UFZ hat Falk Harnisch ein junges Team um sich geschart. Wenn sich die Arbeitsgruppe zu ihrem wöchentlichen Seminar trifft, wirkt Harnisch in seinem Kapuzenpullover kaum älter als seine Doktoranden. Er stellt mehr Fragen, als dass er doziert. Ein gutes und freundschaftliches Verhältnis in seinem Team, erzählt er, sei ihm genauso wichtig wie die richtige Balance zwischen Arbeit und Freizeit. "Wir sind alle mit Begeisterung bei der Sache, doch ich verlange von meinen Mitarbeitern nicht, dass sie alles der Arbeit unterordnen." Er selbst hat zwar noch keine Kinder, aber dass sich die Forschung mit einem Familienleben vereinbaren lässt, ist ihm wichtig. "Niemand sollte für die Karriere auf Familie verzichten müssen."

In seinem Labor beschäftigt er sich mit Elektrobiotechnologie. In dem Forschungsgebiet geht es um Mikroorganismen, die Elektronen abgeben oder aufnehmen können. Forscher entdecken immer mehr Bakterien in ganz unterschiedlichen Lebensräumen, auf die das zutrifft. "In biochemischen Stoffwechselprozessen wie der Atmung oder Gärung geht es letztlich darum, Elektronen von einem höheren auf ein niedrigeres Energieniveau zu übertragen und die dabei freiwerdende Energie chemisch zu binden und für das Leben zu nutzen", erklärt er. Bei der Atmung beispielsweise werden die Elektronen auf Sauerstoff übertragen. Einige Bakterien gehen in ihrem Stoffwechsel einen anderen Weg und schleusen die Elektronen über Transportproteine aus der Zelle heraus.

Umweltmikrobiologen interessieren sich besonders für solche elektroaktive Bakterien, die organische Stoffe in Abwasser abbauen und dabei Elektronen abgeben. Eine verlockende Vorstellung: Schon in den 1950er-Jahren wollte die NASA in ihren Space Shuttles elektrische Energie aus den Ausscheidungen der Astronauten gewinnen. Harnisch versucht, elektroaktive Bakterien mit Strom zu versorgen und so ihren Stoffwechsel anzukurbeln. Dadurch will er wertvolle Grundstoffe für die chemische Industrie herstellen. Die stammen bisher zu 90 Prozent aus Erdöl. Der ideale Ausgangsstoff für die Bakterien ist hingegen CO2, das im Überfluss vorhanden ist und auch noch dem Klima schadet. Die Nutzung gelingt den Forschern bislang allerdings nur im kleinen Maßstab. Harnischs Ziel ist es, die Verfahren zur Marktreife zu bringen. "Ein wesentliches Problem ist, dass die Industrie erst dann wirklich einsteigt, wenn die Verfahren etabliert und Reaktoren größer sind", erklärt er.

Die Elektrobiotechnologie, in der Falk Harnisch arbeitet, erlebt seit einem Jahrzehnt einen regelrechten Schub, auch die Zahl internationaler Kongresse nimmt zu. Auf einem dieser Kongresse kam ein Kollege auf Harnisch zu. In seiner Heimatstadt, sagte er, kenne ihn fast jeder: "You are famous in Albuquerque", rief er. Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico, das wissen die Fans von Breaking Bad, ist der Schauplatz der Serie und die Heimat von Walter White.

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