DRESDYN
Der andere Dynamo Dresdens
Wie das Magnetfeld der Erde entsteht, ist noch immer nicht komplett verstanden. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf wollen die gängige Theorie nun mit einem weltweit einmaligen Experiment überprüfen.
Ohne das schützende Magnetfeld wäre die Erde ein ziemlich ungemütlicher Ort, den man besser nur in einem Schutzanzug betreten sollte. Ständig prasseln hochenergetische Teilchen - Protonen, Elektronen und geladene Atome - auf die Erdoberfläche ein. Diese geladenen Teilchen stammen größtenteils von der Sonne und werden vom Erdmagnetfeld abgelenkt. Wie das Magnetfeld der Erde - ohne das höheres Leben vermutlich nicht möglich gewesen wäre - zustande kommt, ist immer noch nicht vollständig verstanden.
Die gängige Theorie lässt sich wie folgt zusammenfassen: Der feste Erdkern wird von einer Schicht aus flüssigem Eisen umspült. Das strömende Metall induziert einen elektrischen Strom, der wiederum ein Magnetfeld erzeugt. Entscheidend ist dabei scheinbar die Art und Weise, wie die Erde durch das All taumelt. Unser Planet dreht sich um eine Achse, die um etwa 23 Grad zur Bahnebene geneigt ist, auf der er sich um die Sonne bewegt. Gleichzeitig rotiert diese Achse mit der Periode von rund 26.000 Jahren um eine zweite Achse, die senkrecht zur Bahnebene orientiert ist. Die Bewegung ähnelt einem gekippten, sich drehenden Kinderkreisel - Fachleute sprechen auch von Präzession. Sie vermuten, dass sie eine der entscheidenden Antriebskräfte des Geodynamos ist.
In einem aufwändigen Experiment wollen Forscher des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR) nun versuchen nach diesem Prinzip ein Magnetfeld im Labor zu erzeugen. Das Dresdner Experiment, mit dem das Phänomen simuliert wird, soll Erkenntnisse darüber liefern, inwiefern die Präzession in der Lage ist, eine geeignete Strömung zu treiben, um ein Magnetfeld zu generieren. Statt des flüssigen Eisens verwenden die Physiker flüssiges Natrium. "Es eignet sich besonders, da dieser Stoff Strom sehr gut leitet", erläutert der Physiker André Giesecke, der das künftige Experiment im Vorfeld am Rechner simuliert.
Das Gebäude für dieses weltweit einzigartige Experiment wurde vor zwei Jahren am Helmholtz-Zentrum errichtet. Hier werden verschiedene Experimentierplattformen im Rahmen des Projekts DRESDYN (DREsden Sodium facility for DYNamo and thermohydraulic studies) aufgebaut. Wer das Eingangstor durchschreitet, stößt dort auf eine weitere Hülle, die den Kern der Versuchsanordnung umschließt, ein Haus im Haus, so groß wie eine Villa. Darin befindet sich ein massiver drehbarer Teller, auf den die Physiker einen gewaltigen Stahlzylinder montieren lassen. Dieses Gefäß umfasst im Durchmesser zwei Meter und soll mit acht Tonnen flüssigem Natrium befüllt werden. 2019, wenn alle Berechnungen gemacht sind und die Testläufe nach Plan verlaufen sind, geht es los.
"Der Teller wird sich bis zu einmal pro Sekunde um sich selbst drehen, während der Zylinder zugleich bis zu zehnmal in der Sekunde um die eigene Längsachse rotiert", erläutert Giesecke. Exakte Vorbereitung ist wichtig, um die Präzession zu simulieren: "Da die Achsen von Teller und Zylinder zueinander verschoben sind, entwickelt die massive Konstruktion extreme Kreiselkräfte, die in unterschiedliche Richtungen wirken." Der Aufbau ähnelt einem Kinderkreisel, der die Tendenz hat, sich aufzurichten. Dies wird in Dresden durch eine Arretierung des Zylinders verhindert.
Nach den Berechnungen am Computer wird das riesige Stahlgefäß für erste Testläufe erst einmal mit Wasser befüllt. "Wir wollen sichergehen, dass die Konstruktion den Belastungen gewachsen ist", so der Physiker. "Die Kreiselmomente betragen im Extremfall etwa acht Millionen Newtonmeter. Dies entspricht einer Zugkraft von 400 Tonnen auf der einen Seite des Zylinders nach oben und auf der anderen Seite 400 Tonnen nach unten." Damit das Fundament die Last aushält, ist die Anlage auf sieben Säulen befestigt, die 22 Meter tief in den Boden reichen, wo sie im Granitgestein befestigt sind. "Wir sind zuversichtlich", sagt Giesecke, "mit dem Experiment nachweisen zu können, dass Präzession als natürlicher Antrieb einer Strömung ausreicht, um ein Magnetfeld zu erzeugen."
Nie zuvor ist es gelungen, ein Magnetfeld nach dem Prinzip des Geodynamos künstlich zu erzeugen. Berechnungen zeigen, dass die gewählten Parameter des Dresdner Dynamos ausreichen sollten. Die Untersuchungen zum Dynamoeffekt sind allerdings nur ein Teil des Projekts DRESDYN. Weitere Experimente beschäftigen sich mit der Frage, welche Rolle Magnetfelder für die Bildung von Sternen oder Schwarzen Löchern spielen und was für Effekte sie im Inneren der Sonne verursachen.
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