Standpunkt
Der Abbau von Batteriewissen wäre ein Rückschritt für Deutschlands Industrie
Die Fördermittel für die Batterieforschung werden ab 2024 auf einen Bruchteil gekürzt. Eine Entscheidung mit einschneidenden Konsequenzen für den Forschungs-, Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland, meint Martin Winter, Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts Münster und des Batterieforschungszentrums MEET der Universität Münster.
Batterien sind die Schlüsseltechnologie für eine erfolgreiche Energie- und Verkehrswende. Nach vielen Jahren der Untätigkeit in der Förderung in diesem Forschungsgebiet wurde in den letzten 15 Jahren rund eine Milliarde Euro allein durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in den Aufbau der deutschen Batterieforschung investiert. Nun kürzt das BMBF die Fördermittel für neue Projekte im Jahr 2024 auf 20 Millionen Euro von den vermerkten 180 Millionen Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds. Zwar können begonnene Projekte mit bereits bewilligten Mitteln abgeschlossen werden, für geplante neue Projekte wird das Geld jedoch nicht reichen. Nach aktuellem Planungsstand sind bis zum Jahr 2028 insgesamt 70 Millionen Euro vorgesehen, die deutsche Batterieforschung benötigt bis dahin allerdings mehr als 750 Millionen Euro.
Allein in Münster arbeiten rund 500 Menschen in der Batterieforschung. Ein Großteil von ihnen wird über die Projektförderung des BMBF finanziert, sodass viele in Zukunft nicht gehalten beziehungsweise nach Abgang in die Industrie nicht nachbesetzt werden können. Mithilfe der Forschungsförderung entstehen beispielsweise Master- und Doktorarbeiten. Das wissenschaftliche Spitzenpersonal und dessen Kompetenz in der Batterieforschung werden Deutschland verloren gehen. Wir spüren bereits jetzt einen starken Fachkräftemangel in der Industrie, die Kürzungen werden die Situation verschärfen. Und jungen Menschen, die in Erwägung ziehen, in unserem Fachgebiet zu studieren, senden wir ein fatales Signal. Sie werden sich weniger Chancen ausrechnen und sich anderen Bereichen zuwenden.
Projektförderung bedeutet eine gezielte Investition in Forschung UND Ausbildung. Junge Talente in Deutschland sind für Unternehmen unerlässlich, da sie einen großen Teil des Technologietransfers von der Forschung in die Industrie leisten. Durch schwindende Mittel und schwindende Reputation wird das in Zukunft nicht mehr aufrecht zu erhalten sein. Derzeit noch in Deutschland ansässige Unternehmen werden dahin gehen, wo sie Fachkräfte finden, und das wird künftig nicht in Deutschland sein, das auch sonst weniger konkurrenzfähige Rahmenbedingungen für diese Industrie bietet.
Nach den langen Jahren des Aufbaus, ist jetzt die Phase gekommen, in der wir unsere Forschungsergebnisse in die Wirtschaft transferieren. Die deutsche Industrie baut die Produktion im Bereich Elektromobilität derzeit stark aus. Die Technologie verzeichnet rekordverdächtige Marktzuwächse von 37 Prozent pro Jahr. Gerade im Automobilindustrie-Land Deutschland dürfen wir den internationalen Anschluss nicht verlieren oder gar ganz abgehängt werden, sondern müssen den Standort für Investitionen attraktiv halten. Ansonsten droht uns eine weitere Verschärfung und Beschleunigung der Deindustrialisierung.
Die letzten Jahre haben gezeigt, was wir dank einer konsequenten und strukturierten Förderpolitik leisten können. Die Wertschöpfungskette der Energie- und Mobilitätswende beginnt bei der Forschung und diese benötigt Klarheit, Verlässlichkeit und Priorisierung, welche Technologien nachhaltig gefördert werden. Der Bund könnte in einem neuen Haushalt und für kommende Jahre wieder das dafür notwendige Geld bereitstellen. Dann wird die gemachte Kürzungsentscheidung für 2024 nur einen immer noch empfindlichen Knick, aber keinen endgültigen Schlussstrich für die deutsche Batterieforschung bedeuten.
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