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Quantenelektrodynamik

Das Nichts belauschen

Illustration (eingefärbt): Zita/Shutterstock

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Neue Experimente sollen helfen, die geheimnisvolle Struktur des Quantenvakuums zu untersuchen. Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf ist an Konzeption und Durchführung beteiligt.

Nichts ist einfacher als das Nichts, möchte man meinen. Denn wo nichts ist, sollte sich auch alle Komplexität auf Nullkommanichts reduzieren. Doch die moderne Physik widerspricht. „Das sogenannte Quantenvakuum besteht keinesfalls nur in der Abwesenheit von Materie, das Vakuum selbst ist Träger der Naturgesetze und damit auch eine Art ‚Urstoff‘, aus dem die Existenz aller Elementarteilchen erwachsen kann“, sagt Ralf Schützhold, Professor an der TU Dresden und Direktor des Instituts für Theoretische Physik des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR).

Mit anderen Worten: Das Vakuum, wie man es sich in der modernen Physik vorstellt, ist nicht einfach eine Leere, sondern es besitzt Struktur. Das klingt recht philosophisch, ist aber eine der zentralen Aussagen der modernen Physik. „In unserer Welt gilt die berühmte Heisenbergsche Unschärferelation“, erklärt Schützhold. „Ihr zufolge gibt es überall in der Natur, also auch im Vakuum, eine gewisse Unschärfe, also eine Grenze dessen, was sich exakt bestimmen lässt.“ Einen absolut leeren Raum, der weder Teilchen noch elektromagnetische Felder enthält, gibt es demnach nicht – er ist immer von winzigen Quantenfluktuationen erfüllt. -Das gilt insbesondere für die elektromagnetischen Felder, die von der sogenannten Quantenelektrodynamik beschrieben werden – der am präzisesten getesteten Theorie der Physik.

„Es gibt verschiedene Betrachtungsweisen, wie man sich diesen abstrakten Begriff der Quantenfluktuation bildlich vorstellen kann“, so Schützhold. „Man kann es ein ‚Quantenflimmern‘ nennen, weil die Quantenfelder auf engstem Raum und auf extrem kurzen Zeitskalen Fluktuationen durchmachen, die klassisch nicht erklärbar sind.“ Oft spricht man auch von „virtuellen Teilchen“, die im Vakuum entstehen und praktisch instantan wieder verschwinden.

Ralf Schützhold ist Direktor des Instituts für Theoretische Physik am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Bild: HZDR/André Wirsig

Das Spannende daran: Man kann den Zustand des Vakuums durchaus manipulieren. Wenn man etwa zwei elektrisch leitende Platten sehr nahe aneinander bringt, können sich zwischen ihnen nur bestimmte Quantenfluktuationen ausbilden und andere, die im freien Raum auftreten können, nicht mehr. Der Unterschied zwischen den Quantenfluktuationen innerhalb und außerhalb der Platten erzeugt eine winzige Kraft, die die beiden Platten zusammendrückt. „Diese Kraft ist nach ihrem Entdecker als Casimir-Effekt bekannt und spielt unter anderem in der Nanotechnologie eine wichtige Rolle“, sagt Schützhold. „Wir wollen nun einen damit verwandten Effekt nachweisen, wobei wir allerdings mit Laserstrahlen arbeiten und nicht mit leitenden Materialien.“

Dazu bauen die Forscher vom HZDR gemeinsam mit Kollegen am European XFEL bei Hamburg, dem weltweit größten und stärksten Röntgenlaser, ein besonderes Experiment auf, das aufgrund seiner wegweisenden Technologie und Bedeutung für die Physik zu den Flaggschiff-Experimenten der Helmholtz-Gemeinschaft gehört. Mit dem European XFEL besteht nämlich die Möglichkeit, auch Quantenfluktuationen mit extrem hohen Feldstärken zu testen. Die Idee hinter dem Experiment ist folgende: Ein extrem starker, optischer Laserpuls wird in eine Vakuumkammer geschossen und dabei sehr scharf auf einen Punkt fokussiert. In diesem Fokuspunkt lassen sich enorme elektromagnetische Feldstärken erzielen, die das Quantenvakuum polarisieren. „Wir wollen das Quantenflimmern sozusagen dazu bringen, bevorzugt in einer Richtung zu vibrieren“, sagt Schützhold.

So deutlich sichtbar wie auf dem Foto ist der Röntgenstrahl des weltgrößten Röntgenlasers European XFEL erst bei völliger Dunkelheit und einer Belichtungszeit von 90 Sekunden. Hier sollen 2024 die ersten Experimente zum Nachweis von Vakuumfluktuationen stattfinden. Bild: European XFEL/Jan Hosan

Dann soll zeitgleich ein Röntgenpuls den Fokuspunkt des optischen Laserstrahls durchqueren. Ein solcher Röntgenpuls enthält rund eine Billion Röntgenphotonen. „In diesem Versuchsaufbau sollte durch den Einfluss des polarisierten Vakuums pro Puls ungefähr eines dieser eine Billion Röntgenphotonen eine messbare Änderung seiner Polarisation erfahren haben, was wir mit Hilfe von Polarisationsfiltern nachweisen wollen“, so Schützhold. „Damit sind wir ziemlich an der Grenze der heutigen Messtechnik, um diesen äußerst schwachen Effekt nachzuweisen.“

Um den Nachweis zu vereinfachen, denkt die Wissenschaftsgemeinde auch über alternative Versuchsaufbauten nach. „Wir überlegen, ob wir nicht zwei optische Laser anstelle von einem einzigen nutzen und die beiden Laserpulse unter einem Winkel gegeneinander schießen“, sagt Schützhold. Denn wenn zwei Wellen gegeneinander laufen, entsteht eine sogenannte stehende Welle. Hier würde sich ein gitterartiges elektromagnetisches Feld ausbilden. Dieses polarisiert ebenfalls das Vakuum. Dessen veränderte Eigenschaften wollen die Forscher dann ebenfalls mit einem Röntgenpuls „abfragen“. Ähnlich wie ein Kristallgitter, an dem Röntgenstrahlen gebeugt – also abgelenkt – werden, könnte auch ein gitterförmig schwingendes Quantenvakuum die Röntgenphotonen ablenken – zumindest ganz leicht.

Nun sind Röntgenphotonen auch nichts grundlegend anderes als optisches Licht – beide sind elektromagnetische Strahlung, nur dass Röntgenstrahlung höhere Energie hat. Wenn dieser Versuch funktioniert, hätte man also eine Streuung von Licht an Licht nachgewiesen. Die zusätzliche Ablenkung der Röntgenphotonen erleichtert es enorm, sie aus dem ursprünglichen Röntgenpuls herauszufiltern – was den Nachweis deutlich vereinfachen sollte. Schon 2024 sollen erste Vorbereitungsversuche starten, in den kommenden Jahren soll der eigentliche Messbetrieb laufen.

„Es geht uns bei diesen Versuchen nicht nur darum, die Grenzen der Technologie auszuloten“, betont Schützhold. „Mit solchen Versuchen wollen wir die Eigenschaften des Quantenvakuums studieren und sehen, ob unsere heutigen Theorien richtig sind.“ Denn die heutige Theorie der Elementarteilchen – das sogenannte Standardmodell der Teilchenphysik – gilt als abgeschlossen. Alle vom Standardmodell vorhergesagten Partikel sind bereits experimentell nachgewiesen. Das letzte ausstehende Teilchen war das Higgs-Boson, das 2012 am CERN gefunden wurde.

Trotzdem gibt es noch ungelöste Probleme und offene Fragen. Schon seit langem grübeln die Teilchenphysikerinnen und -physiker, was es mit der Dunklen Materie im Kosmos auf sich haben könnte. Diese bringt im Weltall zwar deutlich mehr Masse auf als unsere gewöhnliche Materie – aber in den Experimenten findet sich bislang nicht der kleinste Hinweis darauf, um was für eine Art von Materie es sich bei der Dunklen Materie handeln könnte. „Wenn wir das Quantenvakuum durchleuchten, könnten wir mit etwas Glück unerwartete Effekte finden, die vom Standardmodell der Teilchenphysik so nicht vorhergesagt werden“, schildert Schützhold die Hoffnungen der Forschungsgemeinde. So könnten hinter den Quantenfluktuationen bisher unentdeckte Teilchen stecken – zum Beispiel ultraleichte Geisterteilchen namens Axionen. „Und das“, sagt Schützhold, „wäre ein klares Zeichen dafür, dass es weitere, bislang unbekannte Naturgesetze gibt.

Aus der Diskrepanz zwischen Theorie und Experiment sollten sich dann gewisse Rückschlüsse über die neuen Teilchen oder Naturgesetze ziehen lassen, etwa welchen Charakter die Dunkle Materie besitzt. Aber auch, wenn eine derartige Sensation ausbleibt, sind die Ergebnisse wertvoll: Denn dann lassen sich bereits bestimmte theoretische Modelle zur Dunklen Materie ausschließen. Wichtige Erkenntnisse werden diese Experimente also auf jeden Fall bringen.

Originalveröffentlichung:
N. Ahmadiniaz et al.:
Detection schemes for quantum vacuum diffraction and birefringence,
Phys. Rev. D 108, 076005
DOI: 10.1103/PhysRevD.108.076005
https://journals.aps.org/prd/abstract/10.1103/PhysRevD.108.076005

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