Standpunkte
Besser anonym?
Bei der Begutachtung von Forschungsanträgen gehe es mehr um die Personen als um die Inhalte, urteilen Kritiker. denn Forscher wissen, wessen Anträge oder Paper sie bewerten. die bisherige Praxis ist in die Diskussion geraten. ist Anonymität die Lösung? Zwei Blickwinkel
„Es würde helfen, in den Ausschreibungskriterien mehr Risikobereitschaft zu zeigen und mehr internationale Gutachter einzusetzen“, sagt Christoph Meyer, Professor für Europäische und Internationale Politik am King‘s College London
Auf den zweiten Blick hat eine solche Anonymisierung allerdings auch Nachteile. Immerhin geht es darum, Steuergelder auf Forscher zu verteilen – und da ist eine Einschätzung wichtig, wie groß die Chancen einer erfolgreichen Umsetzung sind. Denn gerade bei Anträgen zu hochinnovativen Vorhaben kann man schwerlich voraussetzen, dass die Forschung bereits zu 70 bis 80 Prozent erledigt ist; solche Anträge erfordern Forscher, die über ihren gegenwärtigen Horizont hinausgehen und sich neue Bereiche erschließen können. Informationen über den Bewerber und die Institution sind da wichtige Anhaltspunkte.
Ich selbst dürfte mit meinem Antrag zu einer Arbeit über „Kommunikation und Wahrnehmung von Warnungen“ bei der auf Sicherheit setzenden Deutschen Forschungsgemeinschaft oder ihrem englischen Pendant ESRC deutlich weniger Chancen gehabt haben als beim ersten „Starting Investigator Call“ des Europäischen Forschungsrats, bei dem ich meinen Antrag schließlich eingereicht habe. Dort wurde deutlich gemacht, dass echte Innovation eben auch mit einem höheren Risiko des Scheiterns einhergeht. Außerdem war klar, dass nur jüngere Forscher miteinander konkurrieren. Dieses Verfahren ist sehr aufwendig und lässt sich sicher nicht eins zu eins auf eine nationale Ebene übertragen. Statt einer Anonymisierung wäre es besser, in den Ausschreibungskriterien mehr Risikobereitschaft zu zeigen, mehr internationale Gutachter einzusetzen, Interessenskonflikte klarer und weiter zu definieren und regelmäßig andere Gutachter einzusetzen.
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