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Interview

Auf dem Weg zu einem Wirkstoff gegen Adipositas

(Bild:shutterstock)

Stoffwechselexperte Matthias Tschöp erforscht bei Helmholtz Munich Magen-Darm-Hormone und deren Wirkung im Ge­hirn. Die neuen Wirkstoffe gegen Adipositas, an denen Matthias Tschöp und sein Team arbeiten, könnten noch dieses Jahr zugelassen werden.

Matthias Tschöp, wissenschaftlicher Geschäftsführer von Helmholtz Munich. (Bild: Helmholtz Munich / Matthias Tunger)

Herr Tschöp, Sie sind Experte für die Wirkung des Hungerhormons Ghrelin im Körper. Welche Funktion übernimmt der Botenstoff dort?

Ghrelin ist tatsächlich das einzige Signal, das in unserem Blut zirkuliert und über Wirkung im Gehirn ein Hungergefühl induziert. Das Hormon wird vermehrt ausgeschüttet, wenn wir länger keine Nahrung zu uns genommen haben, und fällt nach jeder Mahlzeit ab.

Sie haben entdeckt, dass Ghrelin maßgeblich an der Entstehung von Adipositas beteiligt ist. Was passiert im Organismus von Betroffenen konkret?

Zusätzlich zur Auslösung von Hunger hemmt Ghrelin die Kalorienverbrennung und vergrößert so die Fettspeicher.

Sie hoffen, mithilfe von Ghrelin ein Medikament gegen Adipositas entwickeln zu können. Ein Hungerhormon soll also gegen Heißhunger helfen? Bitte erklären Sie den Wirkmechanismus.

Die Idee ist eigentlich, die Wirkung des körpereigenen Ghrelins zu blocken und somit Hunger zu dämpfen, gleichzeitig aber die Verbrennung von Kalorien anzukurbeln. Allerdings wissen wir inzwischen, dass die Beeinflussung eines Signalweges alleine nicht ausreicht, um Adipositas nachhaltig zu bekämpfen. Deswegen beschäftigen wir uns zunehmend mit Wirkstoffkombinationen, die sich heute zum Teil schon in einem einzelnen, Hormon-ähnlichen Molekül synthetisieren lassen.

Mittlerweile laufen mit Ihrem Präparat klinische Studien der Phase II und III. Können Sie uns bereits etwas zu den Ergebnissen sagen?

Die am weitesten fortgeschrittenen und vielversprechendsten Wirkstoffkandidaten sind tatsächlich Kombinationen mehrerer Darmhormone, in denen wir sogenannte Inkretine wie GIP und GLP-1 oder auch das Hormon Glucagon verknüpft haben - diese enthalten aber keine Ghrelin-Blocker. Das hat unter anderem damit zu tun, dass sich aktivierende und blockierende Mechanismen in demselben Wirkstoffmolekül nur bedingt kombinieren lassen, denn blockierende Ansätze erfordern immer wesentlich höhere Konzentrationen.

Wann könnte dieses Präparat Patientinnen und Patienten zur Verfügung stehen?

Die Kombination von Hormonsignalen in einem einzigen Molekül, so genannten Polyagonisten, ist aus meiner Sicht die Zukunft der medikamentösen Adipositastherapie. Ich bin zuversichtlich, dass so transformativ verbesserte Therapieeffekte erzielt werden können. In der Tat sieht es so aus, als könnten die ersten Wirkstoffe basierend auf unserer Polyagonisten-Entdeckung schon dieses Jahr zugelassen werden.

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